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Stadtzeitung vom 21. August 2020

Pressebericht über das Stadtarchiv

Sport: Gutes Stück deutscher Fußballgeschichte

Der Karlsruher FV übergibt seine gesamten historischen Unterlagen an das Stadtarchiv

Die 180 Dokumente, die vor Kurzem auf zwei Rollcontainern ins Stadtarchiv kamen, zeugen von der ruhmreichen Vergangenheit Karlsruhes als Fußballstadt. Die Fotos, Urkunden, Chroniken, Korrespondenzen und Festschriften sind die gesammelten Quellen des Karlsruher Fußball Vereins (KFV). Die überließ der Traditionsclub jetzt dem Stadtarchiv.

Steffen Herberger, Urgroßneffe des früheren Bundestrainers Sepp Herberger, übergab das KFV-Archiv an Susanne Asche (Mitte) und Katrin Dort

Die Hochzeit des Fußballs in Karlsruhe liegt gut 100 Jahre zurück. Vor allem in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg prägten Kicker aus der Fächerstadt das Geschehen auf der nationalen Bühne. Im Jahre 1909 holte Lokalrivale Phönix Karlsruhe erstmals die Deutsche Meisterschaft in die badische Hauptstadt, im Folgejahr wurde dann der KFV durch einen 1:0-Finalsieg über Holstein Kiel nationaler Titelträger. Darüber hinaus errang der 1891 gegründete KFV achtmal die Süddeutsche Meisterschaft und wurde zweimal (1905 und 1912) Deutscher Vizemeister. Der jahrzehntelange Karlsruher Vorzeige-Club gehörte zu den 86 Gründungsmitgliedern des Deutschen Fußball-Bundes und ist heute der älteste noch aktive Fußballverein Süddeutschlands.

Jüdische Nationalspieler

Von den Glanzzeiten der ersten Jahrzehnte, vor allem aber auch von der weiteren Entwicklung ab den dreißiger Jahren, künden die Dokumente aus dem Vereinsarchiv, das der Zweite Vorsitzende des KFV, Steffen Herberger, an Kulturamtsleiterin Dr. Susanne Asche und die Leiterin des Stadtarchivs, Dr. Katrin Dort, übergab. Die Schenkung, die den bisherigen Bestand des Archivs zum KFV von bereits 700 Dokumenten ergänzt, dokumentiere "ein wichtiges Stück deutscher Fußballgeschichte", zeigte sich Asche erfreut. Und die Unterlagen zeugen von weit mehr als Sport: "Vereinsgeschichte spiegelt auch immer gesellschaftliche Verhältnisse wider", erinnerte die Amtsleiterin auch daran, dass der KFV zu den ersten Vereinen gehörte, die nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 beschlossen, ihre jüdischen Mitglieder auszuschließen. Betroffen vom "Arierparagraphen" waren auch die beiden jüdischen Nationalspieler in den Reihen des KFV. Zum einen Gottfried Fuchs, der durch seine zehn Treffer beim 16:0-Sieg gegen Russland bei Olympia 1912 in Stockholm bis heute der Spieler ist, der im DFB-Trikot die meisten Tore in einer Begegnung erzielte. Zum anderen Julius Hirsch, der zusammen mit Fuchs und Fritz Förderer ein legendäres Sturmtrio in Vereins- und Nationalteam bildete. Hirsch, den die Nationalsozialisten 1943 nach Auschwitz-Birkenau verschleppten und dort vermutlich ermordeten, kam seinem Rauswurf aus dem KFV durch seinen eigenen Austritt zuvor.

Eigenes Sportarchiv

Die Unterlagen des KFV-Archivs würden "nicht weggesperrt, sondern für die Öffentlichkeit aufbereitet und bewahrt", unterstrich Archivleiterin Dort. Und zwar in einem eigenen Sportarchiv. Diese im Jahre 2004 gegründete Abteilung, "eine Karlsruher Besonderheit gegenüber anderen Städten", ist laut Dort stark nachgefragt. Für den KFV sei die Übergabe seiner Sammlung "an das Stadtarchiv als das Gedächtnis der Stadt" die beste Lösung gewesen, betonte Herberger. Für den Verein, der 2004 seine zuvor 100-jährige Heimspielstätte an der früheren Telegraphenkaserne an der Hertzstraße verlor und danach auf fremden Plätzen in der Kreisliga einen Neuanfang startete, sei jetzt vor allem "Konsolidierung" angesagt.

Seine historische Verantwortung nimmt der KFV ernst. Jedes Jahr am 3. März, am Tag der Deportation des früheren Linksaußen "Juller" Hirsch in das Vernichtungslager, "halten Mitglieder am Hauptbahnhof eine Andacht ab", berichtete Herberger. Und zu den in Karlsruhe lebenden Nachfahren von Hirsch pflege der Verein ein gutes Verhältnis. -trö-

Quelle: StadtZeitung | 21. August 2020

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