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Blick in die Geschichte Nr. 100

vom 20. September 2013

Bücherblick

Annette Borchardt-Wenzel, Karl Wilhelm und sein Traum von Karlsruhe

Wenn innerhalb eines Jahres zwei Bücher über Carl Wilhelm erscheinen - in letzterem mit K geschrieben -, zwingt dies zu einem Vergleich. Hans Merkles Biographie von 2012 ist gekennzeichnet durch intensives Aktenstudium in verschiedenen Archiven. Er fand Quellen, die bisher nicht interpretiert wurden. A. Borchardt-Wenzel will, wie sie selbst betont, nicht als Forscherin verstanden wissen, sondern als Aufbereiterin des vorhandenen Stoffes. An ein breites Publikum wenden sich beide, wobei Merkle dem Leser Passagen des Barockdeutsch zumutet, während die Autorin "orthographische Überraschungen" ihrem Publikum erspart. Aber mit gelegentlichem Umgangsdeutsch werden die Leser bei beiden unterm Arm genommen, um auf Allzumenschliches in der Geschichte hinzuweisen.

Annette Borchardt-Wenzel, Karl Wilhelm und sein Traum von Karlsruhe - Ein Badener im großen Welttheater, Casimir Katz Verlag Gernsbach 2013, 384 S., 10 Abb., 26,80 €

Während Merkle sich ganz auf die Person des Markgrafen konzentriert, stellt Borchardt-Wenzel diesen stärker in das zeitgenössische Panorama. Angeregt durch den Essay von R. Alewyn, "Das große Welttheater. Die Epoche der höfischen Feste" will sie die Eigenarten des vielseitigen Fürsten in der Epoche des Barock mit seinen gegensätzlichen Strukturen beleuchten. Kulturgeschichtliche Exkurse zu den Kapiteln geben somit der Biographie zusätzlich Farbe und schaffen einen Unterschied zum Markgräflichen Lebensbild von H. Merkle. So wird mit einem "Ausflug im Zeitalter der Perücke" begonnen als Symbol für das Extrovertierte im Repräsentieren, eine herausragende Pflicht der Fürsten, auch wenn die Finanzen vieles nicht zuließen. So hat die Autorin ein weites Literaturfeld gesichtet, und in Abschnitten über den "Stil der Zeit" wird z. B. über Empfängnisverhütung wie über Damenmode berichtet, über "Tabak trinken" wie über die weit verbreitete Gier, mit Goldmachern reich zu werden.

Unter dem Titel "Zeitgenossen" werden Schicksale wie die des Türkenlouis, einer Sybilla Augusta, vor allem der württembergischen Verwandtschaft und anderen skizziert. Nicht dass ähnliche Facetten bei Merkle fehlten, aber die Bühne für das barocke Welttheater ist hier breiter aufgestellt. Natürlich wird auch das "ridicüle Serail" mit den so bekannten Tulpenmädchen ausführlich beschrieben samt dem Mätressenwesen jener Zeit, wobei die Verfasserin sich auf Merkle stützt. Es fehlt zudem nicht die Gartenlust, die Tulpomanie des Naturfreunds.

Nun sind beide Bücher auch in Hinblick auf den 300. Geburtstag Karlsruhes 2015 konzipiert worden, und man sucht nach neuen Erkenntnissen zur Gründungsgeschichte. Ist diese Stadt nur ein "Betriebsunfall", weil Karl Wilhelm anfangs nur von einem Ort, nicht von einer Stadt spricht, ja 1728 in Steintafeln einmeißeln lässt, dass diese Stadt "gegen seinen Willen" erbaut worden sei. Ist das nur Theatralik oder brauchte er das Geld für den Schlossbau, das ihm die Stadtgründung einbringen sollte? Zu letzterem neigt Merkle, während Borchardt-Wenzel allein in einer Fußnote auf die Literatur verweist und den Leser mit rätselhaften Äußerungen nicht belästigt. Das Mehrdeutige Karl Wilhelms will sie mit dem Schlüsselwort "irdisches Dasein als Traum" beschrieben wissen, dem sie aber später attestiert, dass er "mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen stand." Im Anschluss an Alewyns Essay fällt es ihr nicht schwer, "Täuschung und Trug als Stoff zu akzeptieren, aus dem die Komödie des Lebens gewoben ist". Eine literarische Erklärung.

Borchardt-Wenzel schließt mit dem Abschnitt "Ruhe, Ruhe, Ruhe", was auch die Leichenprediger am Totenlager des Markgrafen beschworen. Merkle summiert am Ende Carl Wilhelms Leistungen, auf denen die Nachfolger aufbauten: "Ohne Carl Wilhelm kein Carl Friedrich". Der Verlag Regionalkultur hat Merkles Biographie mit über 50 Abbildungen ausgestattet, da ja auch Bilder Quellen sind. Bescheidener begnügt sich der Casimir Katz Verlag mit 10 Porträts. Eine größere Zahl hätte hier dem Akzent des Theatralischen, des "Festes" besser entsprochen. So muss man sich auf den anschaulichen, einprägenden Stil der Autorin verlassen.

Dr. Leonhard Müller
Der Autor ist Historiker und lebt in Karlsruhe.

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