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Blick in die Geschichte Nr. 100

vom 20. September 2013

Rückblick II

Stadtgeschichtsschreibung im Stadtarchiv

von Ernst Otto Bräunche

Kleine Auswahl der Publikationen zur Stadtgeschichte 1885 - 2013

Die institutionelle Stadtgeschichtsschreibung und damit verbunden die Erinnerungsarbeit hat in Karlsruhe Tradition. Das Stadtarchiv wurde am 10. Juli 1885 nicht zuletzt aufgrund der Erkenntnis gegründet, dass es auch für eine junge Stadt 170 Jahren nach ihrer Gründung "nicht verfrüht sein" dürfte, "wenn nun auch den historischen Beziehungen dieses Gemeinwesens einige Aufmerksamkeit zugewendet wird." Zu den Aufgaben des neuen Archivs gehörten neben der Sicherung der historischen Überlieferung die Herausgabe einer Stadtgeschichte und die Erstellung von Erinnerungstafeln. Dies - heute würde man von einem historischen Bildungsauftrag sprechen - prägt bis heute die Arbeit des Stadtarchivs.

Die Anfänge

Noch im Jahr 1885 erschien der erste Band der "Chronik der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe", die bis 1923 fortgeführt wurde und immer noch eine wichtige stadtgeschichtliche Quelle ist. Schon bald legte Karl Gustav Fecht 1887 "im Auftrag der Städtischen Archiv-Kommission" eine erste einbändige Stadtgeschichte vor, der acht Jahre später "auf Veranlassung des Stadtrats" der erste Band des dreiteiligen Werkes "Karlsruhe. Geschichte der Stadt und ihrer Verwaltung" von Friedrich von Weech folgte. Zum 200-jährigen Stadtjubiläum 1915 erschien "im Auftrag der Stadtverwaltung" eine im Wesentlichen von Robert Goldschmit verfasste Festschrift.

Krise der Stadtgeschichtsschreibung

Dieses erfolgreich begonnene Zusammenspiel von Stadtgeschichtsschreibung und Stadtarchiv wurde durch den Ersten Weltkrieg bzw. dessen Folgen massiv beeinträchtigt. Die Chronikschreibung musste mit dem erst 1930 herausgebrachten Jahrgang 1923 aus Geldmangel eingestellt werden. Das Stadtarchiv war gezwungen, das 1896 bezogene und für Archivzwecke umgebaute ehemalige städtische Wasserwerk dem Arbeitsamt zu überlassen, das größere Räume benötigte. Nennenswerte stadthistorische Beiträge erschienen nun lange Zeit nicht mehr: die ökonomische Krise wurde zur Krise des Stadtarchivs und diese zur Krise der Stadtgeschichtsschreibung.
Erst 1965 zum 250-jährigen Bestehen der Stadt Karlsruhe nahm man einen neuen Anlauf mit einer von der Stadt finanzierten und von zwei Journalisten geschriebenen "Chronik zum Jubiläum der Stadt", für die neue Forschungen aber unterblieben. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, die einer gründlichen Erforschung bedurft hätte, wird mit "flotter Feder" an der Oberfläche abgehandelt.

Die Stadtgeschichtsschreibung gewinnt Kontinuität

In dem umfangreichen Jubiläumsprogramm war das Stadtarchiv mit der Veröffentlichung des damaligen Stadtarchivars und Volkskundlers Ernst Schneider über "Die Stadtgemarkung Karlsruhe im Spiegel der Flurnamen" vertreten, das heute noch als Standardwerk zu den Karlsruher Flurnamen benutzt wird. In der damit begonnenen Reihe "Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs" erschienen bis heute insgesamt 32 Bände, die Mehrzahl davon nach 1985, darunter die Geschichte des Alltags, die einbändige bis 1991 reichende Karlsruher Chronik, "Unter Strom", die Geschichte des ÖPNV oder die Migrationsgeschichte. 1988 bedeutete die Herausgabe der beiden Bände zur Geschichte der Karlsruher Juden den Beginn einer kontinuierlichen Erinnerungsarbeit.

Eine zweite Reihe "Forschungen und Quellen zur Stadtgeschichte" wurde 1992 mit einer Dissertation über Karlsruhe im 18. Jahrhundert begonnen, der 12 weitere Bände folgten, darunter eine Publikation zur Zwangsarbeit und eine deutsch-französische Quellenedition "Briefe aus Gurs". Die Publikation Schloss Augustenburg begründete 2000 eine dritte Reihe "Häuser- und Baugeschichte", in der bisher zwölf Bände erschienen sind. Die vierte Reihe "Karlsruher Köpfe" widmet sich bedeutenden Karlsruher Persönlichkeiten, 2012 dem Architekten Josef Durm, 2013 dem Industriepionier Emil Kessler.

Darüber hinaus erschienen außerhalb der vier Reihen knapp 50 Veröffentlichungen, an denen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des Stadtarchivs die Federführung hatten oder mitwirkten, darunter 1998 die 800 Seiten umfassende Gesamtgeschichte der Stadt. Unter den Kooperationsprojekten sind der unter Federführung des Stadtarchivs Karlsruhe als Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft hauptamtlicher Archivare im Städtetag Baden-Württemberg herausgegebene Sammelband "Revolution im Südwesten", der Reiseführer "Straße der Demokratie", die in Kooperation mit dem Stadtarchiv Mannheim entstandenen Kataloge zu der Ausstellungsreihe "Geschichte im Plakat" oder die im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft zur Unterhaltung und Pflege des Deportiertenfriedhofs in Gurs herausgegebene Publikation "Geschichte und Erinnerungskultur" zu nennen.

Um auch die Geschichte der Stadtteile ansprechend zu präsentieren, erscheinen seit 1998 die "Streifzüge durch die Ortsgeschichte", die inzwischen die in der ersten Reihe erschienenen umfassenden Ortsgeschichten von Durlach, Grötzingen und Hagsfeld ergänzen. Nach Mühlburg sind, häufig in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Bürgervereinen oder Ortsverwaltungen Streifzüge durch Beiertheim, das "Dörfle", Rintheim, Hohenwettersbach und Palmbach gefolgt. Auch die drei von den Bürgervereinen herausgegebenen umfangreichen Stadtteilgeschichten von Rüppurr, Daxlanden und Grünwinkel wurden vom Stadtarchiv aktiv unterstützt.

Über eine regelmäßig erscheinende Zeitschrift wie andere Stadtarchive verfügt das Stadtarchiv Karlsruhe allerdings nicht. Der seit 1988 in enger Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv vierteljährlich erscheinende "Blick in die Geschichte" bietet aber die gute Möglichkeit, zumindest die kleineren stadthistorischen Beiträge mit großer Breitenwirkung zu veröffentlichen.

Der Auftrag, Stadtgeschichte zu schreiben, ist seit 1990 auch in der Archivsatzung festgelegt, wonach das Stadtarchiv neben der Bestandsbildung "die Erforschung und die Kenntnis der Stadtgeschichte" fördert und "eigene stadtgeschichtliche Beiträge" erarbeitet. Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe untermauerte damit die Stellung des Stadtarchivs als der für die Stadtgeschichtsschreibung zuständigen städtischen Institution.

Neue Wege

Beschritt das Stadtarchiv in der Vergangenheit häufig über die Themen definierte neue Wege - eine Vorreiterfunktion hatte 1993 z. B. die umfassende Geschichte der Karlsruher Frauen - so geschieht dies inzwischen zunehmend auch über neue Medien. Das 1993 zur Eröffnung der Erinnerungsstätte Ständehaus entwickelte, seinerzeit modernste multimediale historische Informationssystem wurde später als CD-ROM herausgegeben. Das als bürgerschaftliches Projekt konzipierte "Gedenkbuch der ermordeten Karlsruher Juden" ist nicht als Buchpublikation angelegt, sondern wächst jedes Jahr im Internet auf der Homepage des Stadtarchivs um etliche Beiträge. Die Fortsetzung der Chronik seit 1992 erscheint ebenfalls nur im Netz und auch der "Blick in die Geschichte" ist auf der Homepage des Stadtarchivs nachzulesen. Eine Datenbank zur Geschichte der Karlsruher Sportvereine ergänzt die 2006 erschienene Publikation "Sport in Karlsruhe". Der 1990 zum Bezug der neuen Räumlichkeiten des Stadtarchivs in der Pfandleihe gedruckten modernen Bestandsübersicht folgte deren Aktualisierung zum 125-jährigen Archivjubiläum 2010 digital im Netz. In Vorbereitung ist darüber hinaus ein Digitales Stadtlexikon, von dem wesentliche Teile bis zum 300-jährigen Stadtjubiläum vorliegen sollen.

Die Stadtgeschichtsschreibung als ein wesentlicher Bestandteil der Historischen Bildungsarbeit des Stadtarchivs trägt also weiterhin dazu bei, "die Geschichte der Stadt Karlsruhe dem Bewusstsein der gegenwärtigen und künftigen Stadtbürgerschaft" zu erhalten und damit identitätsstiftend zu wirken, wie es dem Stadtarchiv schon 1885 als Auftrag mit auf den Weg gegeben worden ist.

Dr. Ernst Otto Bräunche
Leiter von Stadtarchiv und Historische Museen, Stadt Karlsruhe

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