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Blick in die Geschichte Nr. 103

vom 27. Juni 2014

Aus den Protokollbüchern des FC Phönix (I)

Von der Fußballmeisterschaft zur Krise 1909 bis 1914

von Ernst Otto Bräunche

Der Karlsruher Sportclub (KSC), Gründungsmitglied der Bundesliga und derzeit Zweibundesligist, entstand am 16. Oktober 1952 aus der Fusion des FC Phönix und des VfB Mühlburg. Dass dieser "junge" Club 2014 dennoch sein 120-jähriges Vereinsjubiläum feiern und auf eine 1909 errungene Deutsche Fußballmeisterschaft zurückblicken kann, hat er dem 1894 gegründeten FC Phönix zu verdanken. In der Frühzeit des Fußballs gehörte dieser zu den großen deutschen Fußballvereinen und sorgte gemeinsam mit dem Karlsruher Fußballverein (KFV) dafür, dass Karlsruhe eine Fußballhochburg ersten Ranges war. Bis heute hat keine andere Stadt in zwei aufeinander folgenden Jahren mit zwei verschiedenen Klubs die Deutsche Fußballmeisterschaft geholt, der FC Phönix 1909, der KFV 1910.

Als im Jahr 2013 sechs Protokollbände des FC Phönix für die Zeit vom 7. Dezember 1910 bis 10. September 1928 in einem Antiquariat angeboten wurden, hat das Stadtarchiv diese für sein Sportarchiv erworben. Die Protokolle setzen ein, als die große Zeit des FC Phönix schon fast vorbei war. Auch 1910 hatte der Verein noch eine wichtige Rolle bei der Entscheidung um die Süddeutsche Meisterschaft gespielt. Das Zwischenrundenspiel am 1. Mai 1910 verlor die Phönixelf in einem überregional beachteten Spiel gegen den Lokalrivalen KFV knapp mit 2:1 im KFV-Stadion an der Hertzstraße. Auf den neutralen Spielort hatte man im gegenseitigen Einvernehmen verzichtet, was aber zu Beschwerden seitens der Phönixspieler wegen eines zu schweren Balles führte. Die Vermutung, dass der listenreiche englische KFV-Trainer Townley den Ball und auch den von den Spielern geforderten Ersatzball mit zwei Blasen hatte ausstatten lassen, konnte allerdings nie bewiesen werden – der Schiedsrichter hatte beide Bälle für unverdächtig befunden.

Solche in den Vereinschroniken überlieferten Anekdoten findet man in den Protokollen der Vorstandssitzungen allerdings nicht. Da ging es viel nüchterner und routinemäßig zu, glaubt man dem Wortlaut der Protokolle. Am 7. Dezember 1910 wird im ersten überlieferten Protokoll unter anderem festgehalten, dass der Verein aktuell 400 Mitglieder habe. Bis zur Fusion mit dem FC Alemannia im Juli 1912 bewegte sich die Mitgliederzahl in diesem Bereich, der niedrigste Stand lag im August/September 1911 bei 381, der höchste am 29. Mai 1912 bei 412.

Wo spielt der FC Phönix?

Behandelt wurde auch ein Problem, das den Verein in den nächsten Jahren stark beschäftigen sollte. Nachdem der Engländerplatz zu klein geworden war, spielte Phönix seit 1905 sonntags auf dem großen Karlsruher Exerzierplatz, was aber nur eine Übergangslösung sein konnte. Der Spieler Artur Beier, der 1904 wieder zum FC Phönix zurückgekommen war, wurde in dieser Situation zum Garanten des Erfolges des FC Phönix, denn er hatte entscheidenden Anteil daran, dass Phönix ein eigenes Stadion bekam. Er und ein weiteres Vereinsmitglied kauften ein rund 18.000 Quadratmeter großes Gelände auf Welschneureuter Gemarkung an der Rheintalbahn, auf dem 1906 ein Fußballplatz, ein Tennisplatz sowie ein Klubhaus mit zwei Umkleideräumen und einem Wirtschaftsraum mit Küche entstanden. Mit dem neuen Platz war auch die Grundlage für die Erfolge des FC Phönix der nächsten Jahre gelegt.

Eingang zum Sportplatz des FC Phönix an der Rheintalbahn auf Welschneureuter Gemarkung, Postkarte von 1906

Sportplatz oder Trainer?

Ende 1910 war der Verein offensichtlich gewillt, diesen Platz zu kaufen. Dafür wurde eine Kommission eingesetzt, die mit den Platzinhabern verhandeln sollte. Die Verhandlungen zogen sich aber noch über ein Jahr hin und wurden vom Verein auch nicht mit der allerhöchsten Priorität geführt. Am 6. Juli 1912 beschloss die ordentliche Mitgliederversammlung, dass der Platz für 38.000 Mark angekauft werden sollte. In eben dieser Versammlung berichtete der Mannschaftsführer Artur Beier auch über die zurückliegende Saison des FC Phönix, die unter den Rahmenbedingungen eine eher günstige gewesen sei. Der Verein belegte hinter dem Lokalrivalen KFV, den Stuttgarter Kickers und dem FC Freiburg den vierten Platz. Doch: "Wenn die I. Mannschaft mitunter schlechte Resultate erzielt hat, so glaubt er dies auch hauptsächlich auf den aus anderen Mannschaften gezogenen Ersatz zurückführen zu können, denn nur wenige Spieler konnten im Bedarfsfalle aus den nachfolgenden Mannschaften genommen werden. Diesen Nachtheil führt Beier noch auf das Meisterschaftsjahr zurück, während welchem das ganze Interesse auf die I. Mannschaft konzentriert war und die anderen Mannschaften etwas vernachlässigt wurden." Offensichtlich verfügten die beiden anderen Mannschaften des FC Phönix nicht über die notwendige Qualität, um die Spitzenposition des Vereins zu halten.

Möglicherweise gab Beier mit seiner Klage den Anstoß zur Realisierung der im Vorstand öfter diskutierten, aber immer wieder aufgeschobenen Verpflichtung eines Trainers. Am 2. Oktober 1912 beschloss eine außerordentliche Generalversammlung die Anstellung, verschob aber gleichzeitig den Ankauf des Platzes. Im Protokoll heißt es: "Mit der üblichen Verspätung konnte die Versammlung um 10 Uhr [beginnen]. Herr Ankenbrand begrüßte die Anwesenden und erging sich dann in längeren Ausführungen über das öftere Versagen unserer I. Mannschaft, die die Vorstandschaft schließlich veranlasste, einen Trainer zu engagieren. Dieser Herr Archer ist mit Beginn des Jahres eingetroffen und wurde heute den Mitgliedern vorgestellt. Die vorliegenden Empfehlungen sind recht gute und dürften bei ernstem Training unter seiner Leitung unser vorhandenes gutes Spielermaterial zur Geltung kommen [lassen]. Herr Beier schildert noch die Lebensweise der Berufsspieler, denen während des Trainings Rauchen und der Genuss alkoholischer Getränke streng verboten ist. Es sei wünschenswert, wenn auch unsrer Spieler diese Genüsse aufs äußerste einschränken würden." Dies konnte aber ebenso wenig wie die im Protokoll im Juli 1912 ebenfalls vermerkte Fusion mit dem FC Alemannia einen weiteren  Leistungseinbruch 1912/13 verhindern. In den Protokollen wird am 23. April 1913 vermerkt, dass der Trainer freie Hand bei der Beschaffung von Medikamenten erhalten habe, am 30. April, dass er dem Vorstand ein Arbeitsprogramm für die jeweils Dienstag, Mittwoch und Donnerstag abends stattfindenden Trainingseinheiten vorzulegen habe.

Den Abstieg knapp vermieden

Am 5. Juli 1913 erstattete der Vereinsvorsitzende Fritz Ankenbrand der Ordentlichen Generalversammlung einen ernüchternden Bericht: "Auch erwähnte er, dass die spielerischen Erfolge der Mannschaften, namentlich der I. Mannschaft nicht die erhofften gewesen seien und dass wir, nachdem wir noch einige Wochen vordem als Favorit für die Meisterschaft galten, nur knapp dem Abstieg in die A-Klasse entronnen seien." So verwundert es nicht, dass der Vorstand beschloss, den erfolglosen Trainer zum 1. Januar 1914 zu kündigen bzw. eine Kommission mit der Prüfung der Kündigung zu beauftragen. Am 7. Oktober 1913 wird festgehalten, dass der Trainer bei Zahlung von 400 Mark sofort gehen wolle. Ob dieses Angebot angenommen wurde, ist den Protokollen nicht zu entnehmen.

Über die genauen Gründe, aus denen letztlich der Sportplatz an der Rheintalbahn, auf dem Phönix 1912 noch die westdeutschen Leichtathletikmeisterschaften ausgetragen hatte, nicht gekauft wurde, schweigen sich die  Protokolle ebenfalls aus. Vermerkt sind zwar wiederholt intensive Debatten über die Platzfrage, Details werden aber nicht genannt. Am 17. Juni 1914 hält das vorletzte Protokoll vor Beginn des Krieges fest, dass der Platz zum 1. Oktober 1914 gekündigt werden müsse.

Neben diesen gravierenden Fragen gab es viel Alltägliches zu regeln: die Verpachtung des Vereinslokals, die Organisation von Auswärtsspielen oder die Teilnahme an Turnieren, die Herausgabe einer Vereinszeitschrift, die Auftragsvergabe von Annoncen in Karlsruher Tageszeitungen, die Beschaffung von Sportutensilien, die Erteilung von Verweisen wegen ungebührlichen Verhaltens auf dem Sportplatz, die Vergabe von Fotoaufträgen an das Fotoatelier Schmeiser, die Planung von Familien- oder Herrenausflügen, die Veranstaltung von Vereinsfesten oder der Abschluss von Versicherungen für die Spieler. Ob für den Abschluss der Versicherung im Dezember 1913 die Nachricht von der schweren Verletzung des KFV-Stürmers Fritz Förderer den Ausschlag gegeben hat, ist nicht nachzuweisen. Beschlossen wurde aber im  November 1913 bei einem Sonntagsspiel eine Urne aufzustellen zugunsten des verunglückten Fritz Förderer, eingenommen wurden 12 Mark.

Das Karlsruhe Sportarchiv

Die Protokolle enden am 24. Juni 1914 und setzen erst im Januar 1919 wieder ein. Während des Ersten Weltkrieges tagte der Vorstand also offensichtlich nicht, obwohl der FC Phönix 1915 trotz der zahlreichen eingezogenen Vereinsmitglieder wieder Spiele austrug. Wie alle Vereine hatte der FC Phönix den Tod vieler Vereinsmitglieder zu beklagen, unter den 52 Gefallenen war auch der langjährige Spielführer Artur Beier, der am  31. Januar 1917 im Alter von 36 Jahren bei Malancourt, nordwestlich von Verdun gefallen war. Darüber erfährt man in den Vereinsprotokollen nichts. Sie liefern zu diesem wie zu anderen Themen also nur rudimentäre Informationen und lassen im Einzelfall auch Fragen offen. Dennoch sind sie ein wichtiger Mosaikstein für die Geschichte des FC Phönix und damit des KSC, sie geben Einblicke in das Innenleben eines großen Vereins der deutschen Fußballgeschichte. Dass sie nun im Stadtarchiv der Öffentlichkeit zur Auswertung zur Verfügung stehen, belegt, wie wichtig es ist, dass sich Stadtarchive um die Überlieferung der Sportgeschichte kümmern. Das Stadtarchiv Karlsruhe hat deshalb vor fast zehn Jahren ein Sportarchiv angelegt. Weitere Zugänge sind willkommen, so fehlen bislang z. B.  Exemplare der Vereinszeitschrift des FC Phönix.

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