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Blick in die Geschichte Nr. 103

vom 27. Juni 2014

Fernöstliche Gartenkunst

Der Japangarten in Karlsruhe

von Horst Schmidt

Im Stadtgarten besteht seit 100 Jahren ein wertvolles Kleinod der japanischen Gartenkunst, auf das Karlsruhe stolz sein kann. Der Japangarten entstand in den Jahren 1913 bis 1914 und ist einer der ältesten Japangärten in Europa, wahrscheinlich sogar der älteste. Nach dem Ende der Isolation Japans Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Japan nicht nur für den Welthandel erschlossen, es verbreiteten sich auch viele Informationen über das Land und seine Künste wie  Malerei, Bildhauerei, Architektur und Gartenarchitektur unter dem Stichwort Japonismus. Die Gartenkunst hat in Japan einen hohen Stellenwert, und deutsche Ärzte, die die moderne Medizin in Japan einführten, begeisterten sich für die japanischen Gärten und brachten Anregungen mit nach Deutschland.

Start zum Japangarten

Durch die Verlagerung des Hauptbahnhofes an den heutigen Standort musste der frühere dort vorhandene dritte Stadtgartensee aufgegeben werden. Die Aufgabe eines Schienenstranges westlich des Stadtgartens ermöglichte die Erweiterung des Stadtgartens. Nördlich des damaligen Tiergartenweges fand der Japangarten südlich des ersten Rosengartens seinen Platz. Ein Arzt des städtischen Klinikums, der einige Jahre in Japan tätig gewesen war, brachte eine Steinlaterne und Samen von japanischen Gartenpflanzen mit. Er übergab sie dem ersten Gartendirektor Friedrich Ries, der sich durch das gemeinsam mit Prof. Sales Meyer herausgegebene Buch über die Gartenkunst bereits mit japanischen Gärten beschäftigt hatte.

Plan mit erster Darstellung des Japangartens, November 1914

Nach der Planung des Sondergartens, dem Ausbau des Sees und der Wege kam die Fertigstellung ins Stocken, weil die vom Architekten Wilhelm Vittali geplante Mauer an der Bahnhofstraße zu langsam gebaut wurde. Ein Schreiben der Gartendirektion an das Bürgermeisteramt beschleunigte die Arbeit, und so konnte die Pflanzung der Gehölze und Stauden im späten Frühjahr noch durchgeführt werden. Damit war 1914 der erste Japangarten in Karlsruhe fertig gestellt, ein kleiner Sondergarten mit vielen japanischen Pflanzen, die um einen kleinen See mit Brücke dekorativ angeordnet waren, mit einer Pergola für die Glyzinien und zwei Steinlaternen. 1915 konnte der Maler Hermann Göhler die Blütenpracht bereits in einem Aquarell festhalten. Dieses Bild erschien im Herbst 1915 als Postkarte und ist die erste bildliche Darstellung des Japangartens.

Geschenke aus Nagoya

Ärzte, die als Berater in Japan tätig waren, haben immer wieder Impulse zur Weiterentwicklung des Japangartens gegeben. So kam 1926 der gebürtige Karlsruher Prof. Dr. Siegfried Gräff in seine Heimat zurück, und er fand, der Garten sähe wenig japanisch aus. Nach Rücksprache mit Oberbürgermeister Julius Finter bat er über seinen Freund Prof. Dr. Seizo Katsunuma den Oberbürgermeister der Stadt Nagoya um Geschenke für den Japangarten. Dieser war sehr angetan, zur Völkerverständigung beitragen zu können und beauftragte den Tempelbaumeister Jutsujiro Yamada zur Erstellung eines Schinto-Schreins nach der in Japan verbreiteten Naturreligion des Schintoismus und eines Plans für ein Schreintor (Tori). Der Bildhauer Yasuke Araki fertigte zwei Schutzhunde in Löwengestalt an.

Schinto-Schrein mit Schutzlöwen aus Nagoya

Im Sommer 1927 kamen die japanischen Geschenke mit dem Schiff im Karlsruher Hafen an und wurden im Japangarten eingebaut. Karlsruhe bedankte sich bei der Stadt Nagoya und den Künstlern mit Gastgeschenken der Majolika. Der Kostenanteil für die Stadt Karlsruhe belief sich auf 2.600 Reichsmark. Da die Haushaltsmittel beschränkt waren, musste ein Teil der Entschlammungskosten für den Stadtgartensee dafür eingespart werden. Der japanische Kultusminister Rentaro Mizuno beglückwünschte den Karlsruher Oberbürgermeister zum Japangarten und bedankte sich für den Einsatz zur Völkerverständigung. Die Zeitungen japanischer Großstädte berichteten mit Bild über den Karlsruher Japangarten.

Die für den 12. November 1927 geplante Einweihung der Geschenke aus Nagoya wurde am 3. November abgesagt, da der badische Staatspräsident Heinrich Köhler seine Teilnahme kurzfristig zurück genommen hatte. Er gab an, dass seine Teilnahme aus Rücksicht auf die religiösen Gefühle der Bevölkerung nicht möglich sei. Die Presse hatte fälschlicherweise berichtet, dass der Schinto-Schrein religiös geweiht werden sollte. Die Einweihungsfeier war detailliert geplant worden. Am Vorabend sollte für die geladene Festgesellschaft im Theater "Die Braut von Messina" aufgeführt werden. Auch die Anzugsordnung war festgelegt: "Gehrock, Cylinder, farbige Halsbinde". Prof. Gräff, der als Pathologe an der Heidelberger Universität lehrte und sich für die Geschenke besonders eingesetzt hatte, war über die Absage der Einweihung sehr betroffen.

Prof. Katsunuma, der Prof. Gräff und den Arzt des städtischen Klinikums gut kannte, besuchte 1937 den Japangarten, als er auf einem Kongress in Deutschland war. Er wollte sich nach seinem Besuch dafür einsetzen, dass Nagoya noch eine 13-stöckige Pagode als Geschenk zur Verfügung stellt und legte auch gleich den Standtort im Garten fest. 1938 kam die Pagode aus japanischem Granit. Die Stadt Karlsruhe bedankte sich wieder mit Majolika-Geschenken. Der Oberbürgermeister von Nagoya bekam ein Tischchen mit Majolikafliesen, die die Sehenswürdigkeiten von Karlsruhe zeigten. Als der Autor 1996 den Gartenamtsleiter in Nagoya auf einer Vortragsreise besuchte, wurde ihm dieses Tischchen stolz gezeigt.

Pagode aus Nagoya

Im Zweiten Weltkrieg fielen auch im Stadtgarten viele Bomben. Sie zerfetzten Bäume, zerstörten den Schinto-Schrein und die Pagode. Der Holzbildhauer Fritz Hartmann investierte ein Jahr lang seine Freizeit in die Wiederherstellung des Schreins, und so konnte er mit der sanierten Pagode 1953 wieder aufgestellt werden. 1953 stiftete Frau Hilda Trautz die Gorinto-Pagode, die der gebürtige Karlsruher Prof. Friedrich Trautz vor dem Krieg in Japan hatte anfertigen lassen, als er als Leiter des deutschen Kulturinstitutes in Kioto war. 1959 besuchte Prof. Togari aus Nagoya den Garten, und Oberbürgermeister Kobayashi schickte nach der Rückkehr des Professors einen Bambusvorhang für den Schinto-Schrein und zeigte großes Interesse am Japangarten. Zur früheren Therapiewoche im Kongresszentrum kamen immer wieder japanische Ärzte unter der Leitung des langjährigen Präsidenten der Internationalen Medizinischen Gesellschaft Japans Prof. Dr. Choei Ishibashi. Sie brachten oft Geschenke für den Garten mit, wie Steinlaternen, Steinstelen mit japanischen Gedichten und Kirschensämlinge.

Steinstele "Garten der Freundschaft"

Erweiterung zur Bundesgartenschau

Zur Bundesgartenschau 1967 erweiterte und überplante auf Vorschlag von Prof. Ishibashi und Oberbürgermeister Günther Klotz der Landschaftsarchitekt Prof. Keiji Uyehara aus Tokio den Japangarten. Er wollte möglichst viel vom bestehenden Garten erhalten, ihn aber nach den Regeln der klassischen japanischen Gartenkunst ändern und um einen Zen-Trockengarten (Karesansui) ergänzen. Dazu war es erforderlich, dass er einen durchgehenden Wasserlauf von den Wasserfällen der Berge, über den Bergbach, den See, durch die Flüsse bis zum Meer schuf und durch ausgewählte Natursteinsetzungen im Zengarten bereicherte. Die vorhandene Brücke erschien ihm zu chinesisch, und er ersetzte sie durch die im Wasser "schwebenden" Trittsteine (Sawatori Ishi), die sich heute großer Beliebtheit bei den Kindern erfreuen.

Wasserfall in den Bergen

Die Sommerblumen verbannte er, da die verschiedenen Grüntöne im Japangarten dominieren und nur gezielte Blühhöhepunkte im Laufe des Jahres z.B. Kirschen, Azaleen, Iris, Glyzinien vorgesehen werden. Da Prof. Uyehara selbst Schintopriester war, führte er vor Beginn der Arbeiten die feierliche Erdbeschwichtigungsfeier durch, um die Schintogötter für den Umbau positiv zu stimmen. Japanische und deutsche Gärtner führten nach detaillierten Anweisungen die Arbeiten durch. Am 13. April 1967 weihte er am Vorabend der Bundesgartenschaueröffnung den nun 4.230 Quadratmeter großen Garten vor 200 Gästen. Der Japangarten war einer der Höhepunkte der Bundesgartenschau.

Erdbeschwichtigungsfeier nach shintoistischem Ritual im Juli 1965 anlässlich der originalgetreuen Gestaltung des Japangartens für die Bundesgartenschau 1967

Weitere Entwicklung

Die Delegation aus Japan unter der Leitung von Prof. Ishibashi steuerte drei weitere Geschenke aus ihrem Heimatland bei: einen Wegweiser, eine Oribe Steinlaterne und ein kultisches Handwaschbecken (Tsukubai). Es folgte noch eine ganze Reihe von Geschenken, die original aus Japan kamen und so die Authentizität des Gartens stärkten. 1980 machte Prof. Ishibashi dem Garten ein besonderes Geschenk. Ishibashi heißt auf Deutsch Steinbrücke, und so schickte er eine monolithische Steinbrücke per Schiff, die er im Herbst 1980 als neuen Zugang zum Pavillon einweihte.

1994 übernahm die Deutsch-Japanische Gesellschaft Karlsruhe die ideelle Patenschaft über den Japangarten. Sie pflanzte 1995 mit der Deutschen Kameliengesellschaft in der Nähe des Schinto-Schreines Kamelien und 1996 folgten 3 Kirschbäume, die von Japanern gestiftet worden waren. Mehrere stimmungsvolle Teezeremonien im Garten gaben einen guten Einblick in die japanische Tradition.

Japanische Fachleute besuchten immer wieder den Japangarten und gaben wertvolle Hinweise zur Pflege und Weiterentwicklung, z.B. Prof. Dr. Takehito Katsuno von der Nihon Universität Tokio und Prof. Dr. Makoto Suzuki von der Agro Universität in Tokio, der über die Japangärten außerhalb Japans geforscht hat. 2003 wurde feierlich ein zweiter Ginkgobaum gepflanzt, um eine torartige Eingangssituation zu schaffen, die auf den Japangarten aufmerksam macht und seine beiden Teile zusammenfasst.

Zur weiteren Entwicklung des Japangartens kam der interessanteste Vorschlag von der Vorsitzenden der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Frau Matsushima-Fritz, einen richtigen Teepavillon im Anschluss an den Trockengarten zu erstellen.

Ausführlich zum Thema: Horst Schmidt: Der Japangarten in Karlsruhe, Karlsruhe 2014.

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