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Blick in die Geschichte Nr. 105

vom 12. Dezember 2014

Karlsruhes langer Weg zum Rhein

Das Projekt eines Ludwigskanals

von Gottfried Leiber

Der Transport auf dem Wasserweg ist noch heute eine wirtschaftliche Art der Warenbeförderung. Das galt natürlich besonders in früherer Zeit, als die Landwege noch ungenügend ausgebaut und häufig in schlechtem Zustand waren. Für schwere Lasten kam ein anderer Transportweg gar nicht in Frage. Die Nähe zu einem Fluss war demnach ein großer Vorteil für die Lage eines Ortes. Um die zu nutzen, stand oftmals auch der Bau eines künstlichen Wasserwegs, eines Kanals, zur Diskussion, so auch in Karlsruhe. Ingenieur Joseph Haberstroh wies im Dezember 1824 in seinem "Gutachten über die Anlegung eines schiffbaren Rheinkanals" darauf hin: "Schon in früheren Zeiten haben große und kleinere Staaten Europas die Anlegung schiffbarer Canäle zur Beförderung und Erleichterung der inneren Communication, wodurch die Gewerbe und der innere Verkehr die bedeutendsten Vortheile gewinnen, sich angelegen seyn lassen". Weiter schreibt er: "In den ältesten Zeiten schon erkannten die cultivierten Nationen die Nützlichkeit sowohl als die Notwendigkeit der Anlegung künstlicher Canäle, um entweder sumpfige Gegenden und Länder zu entwässern und trocken zu legen oder aber trocken liegende zu bewässern und so einem wie dem andern Fruchtbarkeit zu geben, oder aber noch um größere Wasser zu gleichen Zwecken zu verteilen". Verständlich, dass Markgraf Karl Wilhelm den Rhein für die Lage seiner Residenzstadt im Auge behielt. Ähnlich hatte sich auch Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg, sein schwäbischer Schwager, für das näher zum Neckar gelegene Ludwigsburg als seinen neuen Sitz entschieden.

Erste Überlegungen im 18. Jahrhundert

Offenbar schon früh erwog man in Karlsruhe die Möglichkeit, einen Kanal vom Rhein anzulegen. Zwar sind hierzu keine schriftlichen Dokumente bekannt, allerdings einschlägige Berichte erhalten. So erwähnt zum Beispiel Major Silberrad von der Suite in seinen "Gemeinnützigen Vorschlägen" von 1854, dass "schon in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, wie ich als Knabe von alten Leuten erzählen hörte, von der Herstellung eines Carlsruher Rheinhafens zur Belebung des Handels und der Industrie die Rede war". Diesem Schriftstück entnehmen wir an anderer Stelle, dass "der Schiffskanal nach dem ersten Stadtplan in einer Allee und in gerader Richtung bis in den Rhein sich hinzieht, so dass man auf dem Großherzogl. Schlossturm der für die ganze Anlage der Stadt und ihrer Umgebungen als das Centrum angenommen ist, die ab- und zufahrenden Schiffe von Karlsruhe bis an den Rhein durch die Alleen mit Vergnügen beobachten könnte". Die Planungsidee, die Residenzstadt durch einen schiffbaren Kanal mit dem Rhein zu verbinden, so lesen wir in einem anderen alten Papier, sei ein "in frühen Zeiten gemachter Vorschlag (…) schon längst gewünscht." Künstliche Kanäle habe man auch bereits in den ältesten Zeiten dazu benutzt, um sumpfige Gegenden zu entwässern.

Das Vorbild des Karlsruher Stadtplans

Für ein solches Vorhaben gibt es jedoch ein Beispiel, das nach dem einhelligen Urteil der Historiker zugleich als das eigentliche Vorbild für die erste bauliche Konzeption Karlsruhes gelten kann, die aus der sternförmigen Anlage von Waldwegen entwickelt wurde: der Entwurf "Porte et Place de France", die nicht ausgeführte Hafen- und Platzanlage in den Sümpfen von Temple im Osten von Paris. Der Plan ist erhalten in einem Kupferstich von Claude Chastillon von 1610, der, noch heute nachweisbar, in mehreren Exemplaren zum Bestand der Markgräflichen Bibliothek gehört hat.

Porte et Place de France, Kupferstich von Claude Chastillon von 1610

Der Stich zeigt einen Platz mit einer im Halbkreis angeordneten dreistöckigen Bebauung mit Arkaden. Vom geometrischen Mittelpunkt des Platzes gehen radial gerichtete Straßen aus. Hinter prächtigen Stadthäusern führt eine Straße in Zirkelform vorbei, an die ein Gebiet mit niedrigerer Bebauung anschließt. Die Ähnlichkeit dieser Anlage mit dem frühen Karlsruhe ist verblüffend, trotz einiger Abweichungen: etwa der geringeren Zahl an Straßen, dem Fehlen der mittleren Straße oder einem Torbau als Mittelpunkt anstelle des Schlosses. Dennoch war, wie gesagt, der Entwurf Chastillons sehr wahrscheinlich die entscheidende Anregung für den Ausbau der Waldwege in einen Straßenfächer mit einer Blockrandbebauung.

Doch der Entwurf Chastillons zeigt noch ein anderes bedeutendes Detail, das bei unserem Thema von besonderem Interesse sein muss. Im Vordergrund, außerhalb der Platzanlage, sehen wir Masten und Segel, Schiffe, die Lasten befördern auf einem Kanal, der hinter Markthallen und Magazinbauten vorbeiführt. Auch Weinbrenner wird 1802 in seinem ersten Stadtvergrößerungsplan in vergleichbarer Lage einen Kanal parallel zur heutigen Moltkestraße einzeichnen, den er in allen seinen Stadtvergrößerungsplänen zugleich als Grenze für die nördliche bauliche Stadterweiterung beibehalten wird. Dieser Wasserweg soll vom Rhein zum Karlsruher Schloss leiten und sich dort in seiner östlichen Verlängerung mit dem in der Trasse der heutigen Richard-Willstätter-Allee  verlaufenden Steinschiffkanal verbinden.

Kanalpläne von Weinbrenner und Tulla

Auch Weinbrenner verweist in den Erläuterungen zu seinen Stadtplänen darauf, dass der Bau eines solchen Kanals schon in früherer Zeit im Gespräch gewesen sei. Doch ist die Frage, wer eigentlich den Karlsruher Kanal geplant hat, bis heute nicht geklärt. Weinbrenner gesteht, seine Kenntnisse als Architekt seien "hierin zu eingeschränkt, als dass ich diese Aufgabe Wasser hierher zu bringen, gehörig und bestmöglichst auflösen könnte." Johann Gottfried Tulla andererseits antwortet seinem Brieffreund Kroencke in Darmstadt - verbunden mit einigen abschätzigen Bemerkungen über Weinbrenner -, "das Projekt der Anlegung eines schiffbaren Canals von Karlsruhe an den Rhein ist nicht von mir." Jedoch treten beide, vor allem Weinbrenner, nachweislich bis in die 1820er Jahre für das Karlsruher Kanalprojekt ein.

Für Markgraf Karl Wilhelm jedenfalls war die günstige Lage der Stadt zum Rhein ein wichtiger Aspekt für die Ansiedlung neuer Bürger. In den Privilegien des Jahres 1722 hebt der Fürst ausdrücklich auf die "Verbesserung des Handels" ab wie auch auf die "Einleitung des zu allerhand Manufacturen und Commercien recht erwünschten  und sehr bequemen Situation (…). In diesem ernstlichen Vorhaben auch Unsere Fürstliche Residenz um mehr dann eine Meyl-Weegs näher gegen den Rhein und Unsere daselbst habende ordentliche Ueberfahrt, nehmlich bis nach Carlsruhe, gerücket."

Weinbrenner jedenfalls wird nicht müde, eindringlich immer wieder die Bedeutung des künstlichen Wasserwegs und seine damit verbundenen Vorteile für Handel und Gewerbe zu betonen. Er wünsche, "dass man das schon vor vielen Jahren vorgeschlagene Projekt, ein größeres und schiffbares Wasser nach Carlsruhe zu bringen, nicht auser acht lassen möchte. Es wäre vielleicht ein nicht zu großes, und doch ein so wichtiges, die natürliche Lage von Carlsruhe durch Kunst so umzuschaffen, dass hier Handel und Gewerb entstehen und besser fort kommen könnte (…) warum sollte denn auch nicht möglich sein, nach Carlsruhe, das in der Nachbarschaft Flüsse und selbst davon den Rhein hat, schiffbares Wasser zu bringen?" Weinbrenner denkt dabei vor allem an den Handel und das Speditionsgewerbe.

1809 zeichnet Weinbrenner in den Stadtvergrößerungsplan auf der Höhe der heutigen Pädagogischen Hochschule am Kanal eine Schiffsanlegestelle ein, 1810 eine zugehörige Platzanlage mit "Kauf- und Warenmagazinen". Die Form des Kaufhausplatzes behält Weinbrenner auch in seinen beiden nicht ausgeführten Stadtvergrößerungsplänen von 1812 und 1818 bei.

Plan von Friedrich Weinbrenner, obere Bildhälfte Kanal mit Schiffsanlegestelle und Platzanlage mit "Kauf- und Warenmagazinen"

Tulla entwickelte 1824 mehrere Varianten für die Linienführung des erforderlichen Zuleitungskanals mit Wasser aus der Alb sowie eine Kosten-Nutzen-Analyse. Doch im Ergebnis war er davon überzeugt, dass der Bau eines Rheinkanals aus technischen wie finanziellen Gründen kaum zu vertreten sei. Im folgenden Jahr distanzierte sich Tulla endgültig von dem Vorhaben und auch Weinbrenner musste sich schweren Herzens den überzeugenden Argumenten Tullas anschließen.

Das Ende der Pläne für einen Kanal zum Rhein

Nach dem Ableben der beiden großen Planer war es dann allein noch der Karlsruher Gemeinderat, der entgegen aller fachlichen Bedenken an dem Projekt "Kanal Ludwig" festhielt. 1828 fand sich in der Tat ein Unternehmer, der innerhalb von 18 Monaten die Baumaßnahme bewältigen wollte. Zur Finanzierung sollte, wie bei vergleichbaren Kanalbauten andernorts, eine Aktiengesellschaft gegründet werden. Als das Innenministerium jedoch die Hinterlegung einer Kaution von 100.000 Gulden verlangte, winkte der Bauunternehmer ab. Und dennoch ließ der Gemeinderat nicht locker. Mehrmals noch griff er in den Folgejahren das Projekt auf, zum letzten Mal 1858, über dreißig Jahre nach Weinbrenners Tod. Im Jahr darauf jedoch scheiterte das Vorhaben endgültig. Die zuständige Wasserbaubehörde schrieb, sie sei durch die Planung der "Eisenbahnbauten" voll beansprucht und daher nicht in der Lage, "ein so umfassendes Projekt wie das über die Verbindung der Stadt mit dem Rhein durch Erbauung eines Canals mit der erforderlichen Gründlichkeit zu prüfen." Beamte also haben einer wohl mehr als eineinhalb Jahrhunderte lebendigen Planungsidee ein jähes Ende bereitet. Mit der Schiene war ein neues technisches Zeitalter für das Transportwesen angebrochen.

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