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Blick in die Geschichte Nr. 106

vom 20. März 2015

100 Jahre Karlsruhe

Ein Geburtstagsgeschenk mit Langzeitwirkung

von Ernst Otto Bräunche

"Die eingetretene Epoche der ersten hundertjährigen Jubelfeyer unserer Residenzstadt Karlsruhe giebt mir die angenehme Veranlassung, dem deutschen Publikum ein ausführlicheres Gemälde derselben darzustellen." So leitete Theodor Hartleben 1815 sein "Statistisches Gemälde der Residenzstadt Karlsruhe und ihrer Umgebungen" ein. Obwohl es sich nicht um eine Geschichte der noch jungen Stadt handelt, kann man dieses Werk als erste größere Gesamtdarstellung mit einem Schwerpunkt auf der Darstellung von Daten und Fakten über Karlsruhe bezeichnen.

Titelseite von Theodor Hartlebens "Statistisches Gemälde der Residenzstadt Karlsruhe und ihrer Umgebungen" von 1815

Theodor Hartleben

Der am 24. Juni 1770 in Mainz geborene Verfasser Theodor Hartleben war zu diesem Zeitpunkt schon bei der Direktion des Neckarkreises als Kreisrat bzw. Geheimer Rat tätig. Zuvor war der seiner Personalakte zufolge vor allem in eigenen Besoldungsangelegenheiten durchaus streitbare Jurist von 1793 bis 1795 Fürstlich Speyerischer Hofrat und Amtmann der Stadt Deidesheim im Hochstift Speyer, ehe er an die Universität Salzburg wechselte. 1803 zum Landesdirektionsrat in Kurpfalz-Bayern und ordentlichen Professor des Staatsrechts und der Polizeiwissenschaften an der Universität Würzburg ernannt, wurde Hartleben 1806 Landesregierungsrat in Sachsen-Coburg, ehe er 1808 eine Professur in dem inzwischen badischen Freiburg antrat. Seine fundierten Kenntnisse über Karlsruhe bekam er dann während seiner dreijährigen Tätigkeit in der Kreisdirektion des Pfinzkreises im benachbarten Durlach. Von dort wurde er 1813 an die Direktion des Neckarkreises nach Mannheim versetzt, wo er sein "Statistisches Gemälde" verfasste. Vorarbeiten hatte er aber schon in Durlach geleistet, als er dem Werk "den größten Theil seiner Erholungsstunden" widmete. Das Statistische Gemälde von Theodor Hartleben, der nach der Scheidung von seiner ersten Frau schon wieder verheiratet war, als er in badische Dienste getreten war, hat also im Wesentlichen den Stand von 1813.

Das Statistische Gemälde der Residenzstadt Karlsruhe

Voller Empathie mit der Stadt bescheinigt der Verfasser, dass Karlsruhe "der Epoche nah" sei, "wo man es nicht, wie in der jüngeren Zeit, nur eine schöne Hauptstadt, sondern vielmehr eine der schönsten Residenzstädte Deutschlands, mit der wenige einen Vergleich aushalten, wird nennen dürfen." Tatsächlich war Karlsruhe schon seit mehreren Jahren eine Stadt im Umbruch mit vielen Baustellen.

Im Jahr 1771 waren die seit 1565 getrennten badischen Markgrafschaften Baden-Baden und Baden-Durlach nach dem Aussterben der baden-badischen Linie wieder vereinigt worden. Dieser Zusammenschluss und erst recht der Aufstieg Badens zum Großherzogtum 1803/06 hatten unmittelbare Auswirkungen auf die Stadt und das Stadtbild. Aufgrund der Zunahme der Behörden, des damit verbundenen Zuzugs aus Baden-Baden und der Verstärkung des Militärs, aber auch durch andere neue Stadtbewohner stieg die Bevölkerungszahl deutlich an. 1815 wurden 15.128 Einwohner gezählt, womit sich die Zahl seit 1771 ungefähr verdreifacht hatte. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung war natürlich auch eine Zunahme der Bebauung verbunden. Lag die Zunahme der Gebäude in den ersten 50 Jahren durchschnittlich bei 6,6 im Jahr, stieg sie zwischen 1765 und 1813 auf fast das Doppelte, auf 11,9 Gebäude, an.

Die expandierende Stadt beschreibt Hartleben in drei umfangreichen Kapiteln. Ein knapper "Blick auf die Geschichte der Residenzstadt Karlsruhe" bescheinigt, dass sich "nur wenige grause, dagegen aber viele glückliche Ereignisse" finden lassen. Schon Hartleben musste aber feststellen, dass keine "geschriebene oder gedruckte authentische Bestätigung der Muthmaßungen von dem eigentlichen Grunde des Entstehens" der Stadt zu finden sei, bis heute Anlass für allerlei Spekulationen. Deutlich umfangreicher fällt das Kapitel "Mathematische und physische Topographie" aus, u. a. mit Informationen über die meteorologischen und geologischen Verhältnisse, das Klima sowie die Straßen und Gebäude der Stadt. Das Hartlebensche Urteil über die in der ersten Bauperiode bis zum Erlass einer neuen Bauordnung im Jahr 1754 entstandenen Gebäude fällt eher zurückhaltend aus, denn es "waren verschiedene Baumeister thätig, deren einige doch mehr in die Reihe der Werkmeister als der Baukünstler zu zählen sind."

Die Vorstellung der zweiten Epoche der Stadtentwicklung beginnt Theodor Hartleben mit einem Loblied auf den Markgrafen Karl Friedrich, den er an anderer Stelle als Friedrich den Weisen preist und der "in allem planmäßig handelnd", die "Nothwendigkeit schöner öffentlicher Plätze für Märkte und Messen, die Anlegung eines Kaufhauses, eines Rathauses in der Mitte der Stadt, in dessen Nähe sich zugleich humane Gefängnisse und Niederlagen für die Apparate zu den Policey-Anstalten befinden" erkannt habe.

Seinen Rundgang beginnt Hartleben mit den fünf Toren, dem Rüppurrer Tor, dem Mühlburger Tor, dem Linkenheimer Tor, dem Durlacher Tor und dem Ettlinger Tor. Seit 1764 waren die Planungen aufgenommen worden, die Stadt über die südliche Grenze, die Lange Straße, hinaus zu vergrößern. Als erste Radialstraße wurde die Kronenstraße 1765 als Neue Rüppurrertor Straße, später Schwanenstraße durch Klein Karlsruhe verlängert, weitere Straßen folgten nach 1781. Neue Stadtgrenze war seit 1795/96 die Kriegsstraße, so genannt nach den auf ihr an der Stadt vorbeiziehenden Truppen. Größere neue Straßen waren die Zähringerstraße (1809), vormals Querallee, die Erbprinzenstraße (um 1800), die Stephanienstraße (1814), vormals Grünwinkler Allee, und die Akademiestraße (1812). Insgesamt zählt Hartleben 27 Haupt- und Nebenstraßen. Seit 1813 waren die Häuser, 940 an der Zahl, neu mit Hausnummern durchgezählt worden. Positiv hob Hartleben hervor, "dass die Karlsruher längst über Vorurtheile aufgeklärt, einen beträchtlichen Theil ihrer Wohngebäude mit Blitzableitern gesichert haben."

Den größten Teil seines Werkes widmet der Verfasser der Statistik. Ausführlich beschreibt er den physischen, politischen, geistigen und kirchlichen Zustand der Einwohner sowie die bürgerliche und kirchliche Verfassung. Blicke auf die Umgebungen, fünf Beilagen und zwei Anhänge - eine Übersicht der in Karlsruhe und der Region vorkommenden Flora sowie ein mit "Litterarisches Karlsruhe" überschriebenes Verzeichnis aller 1813 in Karlsruhe lebenden Schriftsteller - beschließen das Werk.

Der Dank der Stadt Karlsruhe

Die Initiative dazu ging weder von staatlichen noch von städtischen Institutionen oder Personen, sondern eindeutig von dem Autor selbst aus. 100 Jahre nach der Stadtgründung gab es andere Probleme, wie Friedrich von Weech in seiner 1895-1904 erschienenen Stadtgeschichte schreibt: "Das Jahr 1815 wurde, als der letzte Tag des 'entscheidenden, ewig denkwürdigen' Jahres 1814 sich zu seinem Ende neigte, feierlich eingeläutet. Mit dem Neujahrstag begann das Jubeljahr der Stadt Karlsruhe, von dessen Erbauung man im bevorstehenden Juni 100 Jahre zu zählen hatte. Niemand ahnte, daß dieser Monat neue kriegerische Entscheidungen für den ganzen Weltteil bringen würde, hinter deren Bedeutung der Gedenktag der Erbauung Karlsruhes in wesenlosem Schein zurücktreten mußte." In der Tat begann am 18. Juni 1815 die Schlacht von Waterloo.

Wenn dieses erste große Karlsruher Stadtjubiläum dennoch nicht ganz folgenlos geblieben ist, so liegt dies an dem Buch des auch durch zahlreiche juristische Publikationen hervorgetretenen Theodor Hartleben. Obwohl die überaus lobende Darstellung des regierenden Fürstenhauses und vor allem die Widmung für Markgräfin Amalie Friederike, das "edle Vorbild für alle Gattinnen und Mütter", keinen Zweifel lassen, dass es dem Verfasser erst in zweiter Linie um die Stadt selbst und deren Einwohner und Verwaltung ging, wusste diese das Werk durchaus zu würdigen: Sie überreichte ein Geldgeschenk in Höhe von 12 Gulden, als Hartleben Bürgermeister und Räten der Stadt am 7. Februar 1816 ein Exemplar seines Werkes schenkte. Für das Gegengeschenk bedankte sich Hartleben artig: "Es wird mir eine der angenehmsten Empfindungen seyn, wenn Euere Wohl- und Hochedelgebohren meine Wünsche für das schöne und gute Karlsruhe in dessen erstem Jubeljahre als Ausflüsse meiner Empfindungen aufnehmen und dem Gemälde einen Platz in Ihrem Archive gönnen." Dieses Archiv wurde erst 70 Jahre später gegründet, Theodor Hartleben und sein Werk haben im Stadtarchiv aber bis heute den diesem ersten fundierten Überblick über die Stadt angemessenen Platz.

Dr. Ernst Otto Bräunche, Leiter Stadtarchiv & Historische Museen, Stadt Karlsruhe

Hier der Link zum Download von Theodor Hartlebens "Statistisches Gemälde der Residenzstadt Karlsruhe und ihrer Umgebungen" von 1815.

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