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Blick in die Geschichte Nr. 109

vom 4. Dezember 2015

Ein Projekt des Stadtarchivs Karlsruhe

Die Rettung historischer Bauakten

von Patrick Sturm

Das Stadtarchiv Karlsruhe widmet sich seit einigen Jahren der Erhaltung historisch wertvoller Bauakten. Seit Mai 2015 wird die Rettungsaktion mit neuem Personal forciert. Ziel ist die dauerhafte Erhaltung der historischen Karlsruher Bauakten. Dies betrifft sowohl den Archivbestand als auch die Bauakten bis 1945 aus der laufenden Registratur des städtischen Bauordnungsamts. Maßnahmen zur Bestandserhaltung stehen dabei im Fokus. Zusätzlich werden Konzepte zur Überlieferungsbildung, zur Erschließung und zur Nutzung erarbeitet. Somit handelt es sich um eine umfassende Maßnahme, die mehrere archivfachliche Dienstleistungen verknüpft. Doch warum wird gerade Bauakten eine so große Bedeutung beigemessen und weshalb sind sie in ihrem Bestand so stark gefährdet?

Bauakten als Quellen historischer Forschung

Bauakten sind zentrale Bestände in jedem Kommunalarchiv. Im Vergleich zu anderen Kommunen besitzt die ehemalige badische Residenzstadt Karlsruhe eine ausgezeichnete Überlieferungssituation. Verschont von kriegsbedingten oder anderweitigen Verlusten sind die historischen Bauakten der Stadt seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fast vollständig erhalten und bieten eine hervorragende Quellengrundlage für die Bearbeitung eines breiten Spektrums an historischen Fragestellungen. Vor allem für die Baugeschichte als einem zentralen Aspekt der Stadtgeschichte handelt es sich um aussagekräftige Quellen. In gleicher Weise gilt dies für die Architektur- und die Kunstgeschichte. Abgesehen von der Entstehung und Entwicklung einzelner Gebäude ist die Genese stadtbildprägender Häuserzeilen und Stadtviertel aus den Unterlagen zu rekonstruieren.

Die Bauakten dokumentieren auch das Wirken namhafter Architekten in Karlsruhe, so zum Beispiel Hermann Billing, Curjel & Moser oder Hermann Reinhard Alker. In diesem Kontext sind die Entwurfszeichnungen von besonderem Interesse, geben sie doch Schlaglichter auf geplante, aber nicht immer auch umgesetzte Bauvorhaben, zeigen also Planungsalternativen auf. Bauakten stellen damit oftmals die einzigen Zeugnisse für die Planung und Entstehung von Gebäuden dar.

Handelt es sich in erster Linie um Quellen zum Bauwesen, geht der Informationsgehalt doch über Bauplanung und -ausführung sowie bauliche Angaben zu Gebäuden hinaus. Die Bauakten veranschaulichen etwa die Interaktion zwischen den an einem Bauvorhaben beteiligten Akteuren - Bauherr, Architekt, Bauverwaltung. Auch lassen sich die Unterlagen zur Bearbeitung von Fragestellungen zur Besitzgeschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Rechtsgeschichte sowie Verkehrsgeschichte und nicht zuletzt zum Brandschutzwesen gewinnbringend nutzen. Zudem sind es wichtige Quellen für die Denkmalpflege.

Zentraler Inhalt der Bauakten ist das umfangreiche Planmaterial. Von Grundrissen, über Schnitte und Aufrisse hin zu Außenansichten und Situationsplänen findet sich ein breites Portfolio an illustrativen wie auch informationsreichen Darstellungen. Zum Teil sind Details von Fensterfronten, Toren, Schaukästen und dergleichen hervorgehoben. Die Pläne visualisieren, unterstreichen und ergänzen die schriftlichen Ausführungen.

Wohnhaus des Privatiers Hermann Kröncke, Jahnstraße 6-8, Grundriss des Erdgeschosses, 1883
Wohn- und Geschäftshaus auf dem Grundstück des Gasthauses "Stadt Straßburg", Kaiserstraße 113, Fassadenansicht zur Kaiserstraße, 1880
Kälber- und Schweinemarkthalle des Schlacht- und Viehhofs, Durlacher Allee 62-66, Grund- und Aufriss der Südfassade, 1909
Perspektivische Ansicht der Häuserfront Stephanienstraße 94-96, Fassadenansicht, 1902
Durlacher Schwimmbad, Plan der Gesamtanlage, Alte Weingartener Straße 40, 1947

Die Gefährdung des Quellenbestandes

Handelt es sich bei Bauakten um einschlägige Quellen für Forschungen zur Geschichte der Stadt Karlsruhe, so ist ihr Erhaltungszustand vielfach sehr schlecht und ihr Bestand mitunter stark gefährdet. Die kontinuierliche Nutzung durch Bauherren, Architekten, Immobilienmakler oder Wissenschaftler hat ihre Spuren vor allem bei den älteren Akten hinterlassen. So sind mechanische Schäden in Form von Rissen und bestoßenen Rändern zu nennen. Von früheren Instandsetzungsversuchen zeugen Selbstklebestreifen, die sich allerdings negativ auf die Haltbarkeit des Papiers auswirken. Starke Schäden weisen die auf die Größe der Akten zusammengefalteten Pläne auf. Sie sind vielfach an den Faltstellen eingerissen oder bereits auseinandergebrochen. In besonderem Maße ist das Pergaminpapier angegriffen. Im Laufe der Jahrzehnte wurde es sehr brüchig, so dass viele Pläne nur noch in Einzelteilen vorliegen. Die älteren Bauakten haben sich zudem braun verfärbt, was auf den hohen Säuregehalt im Papier hinweist. Dadurch altert das Papier schneller und wird brüchig - ein Zerfallsprozess ist im Gang.

Maßnahmen zur Rettung der historischen Bauakten

Was wird getan, um die Bauakten zu retten? Ein erster Schritt war die Überführung der historischen Bauakten aus dem städtischen Bauordnungsamt in das Stadtarchiv, die Anfang Oktober 2015 abgeschlossen wurde. Dort angekommen werden sie derzeit im Archivsystem Augias erfasst und in säurefreie Archivboxen verpackt. Nach Abschluss der anschließenden Restaurierungs- und Konservierungsmaßnahmen erfolgt die dauerhafte Lagerung der Bauakten in den klimatisierten Magazinen des Stadtarchivs.

Der hohe Säuregehalt im Papier erfordert eine Entsäuerung der Bauakten. Bei dem hierzu eingesetzten Massenverfahren wird der pH-Wert des Papiers in einen leicht basischen Bereich (pH 7,5-9,5) angehoben und ein sogenannter alkalischer Puffer in das Papier eingebracht. Die Behandlung verlangsamt den Alterungsprozess des Papiers, der durch den hohen Säuregehalt beschleunigt wurde. Um weiteren Nutzungsschäden vorzubeugen, werden die Bauakten digitalisiert. Das alte, brüchige Papier und die Oberrandheftung erschweren diesen Arbeitsgang. Liegen die Digitalisate vor, erfolgt die Einsichtnahme künftig am Bildschirm. Dies erlaubt unkomplizierte, ortsunabhängige Recherchen. Auch lassen sich Reproduktionen rascher anfertigen.

Eine besondere Herausforderung stellt die Restaurierung der beschädigten Pläne dar. Die Archivare nehmen sie aus den Bauakten heraus und fädeln Platzhalter ein. Restauratoren setzen die mitunter in Einzelteile zerbrochenen Pläne wieder zusammen und stabilisieren stark angegriffene Stücke mit Japanpapier. Nach der Restaurierung werden die Pläne digitalisiert. Aus Gründen der Bestandserhaltung kommen die Pläne nach der Restaurierung nicht zurück in die Akten. Stattdessen werden sie in Kartenschränken planliegend aufbewahrt.

Mit der Übernahme einer Restaurierungspatenschaft kann jeder Interessierte die Rettung des kulturellen Erbes der Stadt Karlsruhe unterstützen. Eine Patin/ein Pate wählt dabei eine oder mehrere Bauakten und/oder Pläne aus, und spendet für deren Instandsetzung. Die Wahl kann auf das eigene Haus, den Firmensitz oder ein anderes beliebiges Gebäude fallen. Zur ersten Orientierung finden sich Informationen und eine Liste restaurierungsbedürftiger Bauakten und Pläne im Internet (s.u.). Gerne kann man bei Interesse auch Vorschläge und Wünsche zu bestimmten Gebäuden äußern oder Fragen zu einer Patenschaft an das Stadtarchiv Karlsruhe richten.

Projektinformationen und Präsentationen

Das Stadtarchiv ist bestrebt, kontinuierlich über das Projekt und dessen Fortgang zu berichten. Ebenso ist es ein Anliegen, die Bauakten als wichtige Quellen für die Stadtgeschichte zu präsentieren und ihren historischen Wert zu veranschaulichen. Dazu dient der Internetauftritt, wo die Bauakten vorgestellt sowie Einblicke in das Projekt und die verschiedenen Arbeitsschritte gegeben werden. Aktuelles zum Projekt wird regelmäßig auf Facebook gepostet.

Ab September 2016 werden historische Bauakten in zwei Ausstellungen zu sehen sein. Als Teil der Sonderausstellung "Waren. Haus. Geschichte: Die Knopf-Dynastie und Karlsruhe" im Karlsruher Stadtmuseum ist die Baugeschichte des ehemaligen Kaufhauses der Familie in der Kaiserstraße - heute Karstadt - im Spiegel der Bauakten nachzuzeichnen. Weitere Einblicke in die inhaltliche und thematische Vielfalt, aber auch zu den Erhaltungsmaßnahmen wird es in den Räumen des Vereins Architekturschaufenster e.V. in der Waldstraße 8 geben.

Mit Bauakten liegen aussagekräftige Quellen zu vielen stadthistorischen Fragestellungen vor, die ausgezeichnete Nutzungsmöglichkeiten bieten. Das Stadtarchiv Karlsruhe als Bewahrer des Gedächtnisses der Stadt sichert mit dem Projekt "Rettung historischer Bauakten" auch mit Unterstützung von Paten und Patinnen den einzigartigen Quellenfundus zur Stadt- und Baugeschichte. Wichtige Teile des kulturellen Erbes der Stadt werden gerettet, für künftige Generationen bewahrt und für die Nutzung zugänglich gemacht.

Dr. Patrick Sturm, Stadtarchiv Karlsruhe

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