Die Gefährdung des Quellenbestandes
Handelt es sich bei Bauakten um einschlägige Quellen für Forschungen zur Geschichte der Stadt Karlsruhe, so ist ihr Erhaltungszustand vielfach sehr schlecht und ihr Bestand mitunter stark gefährdet. Die kontinuierliche Nutzung durch Bauherren, Architekten, Immobilienmakler oder Wissenschaftler hat ihre Spuren vor allem bei den älteren Akten hinterlassen. So sind mechanische Schäden in Form von Rissen und bestoßenen Rändern zu nennen. Von früheren Instandsetzungsversuchen zeugen Selbstklebestreifen, die sich allerdings negativ auf die Haltbarkeit des Papiers auswirken. Starke Schäden weisen die auf die Größe der Akten zusammengefalteten Pläne auf. Sie sind vielfach an den Faltstellen eingerissen oder bereits auseinandergebrochen. In besonderem Maße ist das Pergaminpapier angegriffen. Im Laufe der Jahrzehnte wurde es sehr brüchig, so dass viele Pläne nur noch in Einzelteilen vorliegen. Die älteren Bauakten haben sich zudem braun verfärbt, was auf den hohen Säuregehalt im Papier hinweist. Dadurch altert das Papier schneller und wird brüchig - ein Zerfallsprozess ist im Gang.
Maßnahmen zur Rettung der historischen Bauakten
Was wird getan, um die Bauakten zu retten? Ein erster Schritt war die Überführung der historischen Bauakten aus dem städtischen Bauordnungsamt in das Stadtarchiv, die Anfang Oktober 2015 abgeschlossen wurde. Dort angekommen werden sie derzeit im Archivsystem Augias erfasst und in säurefreie Archivboxen verpackt. Nach Abschluss der anschließenden Restaurierungs- und Konservierungsmaßnahmen erfolgt die dauerhafte Lagerung der Bauakten in den klimatisierten Magazinen des Stadtarchivs.
Der hohe Säuregehalt im Papier erfordert eine Entsäuerung der Bauakten. Bei dem hierzu eingesetzten Massenverfahren wird der pH-Wert des Papiers in einen leicht basischen Bereich (pH 7,5-9,5) angehoben und ein sogenannter alkalischer Puffer in das Papier eingebracht. Die Behandlung verlangsamt den Alterungsprozess des Papiers, der durch den hohen Säuregehalt beschleunigt wurde. Um weiteren Nutzungsschäden vorzubeugen, werden die Bauakten digitalisiert. Das alte, brüchige Papier und die Oberrandheftung erschweren diesen Arbeitsgang. Liegen die Digitalisate vor, erfolgt die Einsichtnahme künftig am Bildschirm. Dies erlaubt unkomplizierte, ortsunabhängige Recherchen. Auch lassen sich Reproduktionen rascher anfertigen.
Eine besondere Herausforderung stellt die Restaurierung der beschädigten Pläne dar. Die Archivare nehmen sie aus den Bauakten heraus und fädeln Platzhalter ein. Restauratoren setzen die mitunter in Einzelteile zerbrochenen Pläne wieder zusammen und stabilisieren stark angegriffene Stücke mit Japanpapier. Nach der Restaurierung werden die Pläne digitalisiert. Aus Gründen der Bestandserhaltung kommen die Pläne nach der Restaurierung nicht zurück in die Akten. Stattdessen werden sie in Kartenschränken planliegend aufbewahrt.
Mit der Übernahme einer Restaurierungspatenschaft kann jeder Interessierte die Rettung des kulturellen Erbes der Stadt Karlsruhe unterstützen. Eine Patin/ein Pate wählt dabei eine oder mehrere Bauakten und/oder Pläne aus, und spendet für deren Instandsetzung. Die Wahl kann auf das eigene Haus, den Firmensitz oder ein anderes beliebiges Gebäude fallen. Zur ersten Orientierung finden sich Informationen und eine Liste restaurierungsbedürftiger Bauakten und Pläne im Internet (s.u.). Gerne kann man bei Interesse auch Vorschläge und Wünsche zu bestimmten Gebäuden äußern oder Fragen zu einer Patenschaft an das Stadtarchiv Karlsruhe richten.
Projektinformationen und Präsentationen
Das Stadtarchiv ist bestrebt, kontinuierlich über das Projekt und dessen Fortgang zu berichten. Ebenso ist es ein Anliegen, die Bauakten als wichtige Quellen für die Stadtgeschichte zu präsentieren und ihren historischen Wert zu veranschaulichen. Dazu dient der Internetauftritt, wo die Bauakten vorgestellt sowie Einblicke in das Projekt und die verschiedenen Arbeitsschritte gegeben werden. Aktuelles zum Projekt wird regelmäßig auf Facebook gepostet.
Ab September 2016 werden historische Bauakten in zwei Ausstellungen zu sehen sein. Als Teil der Sonderausstellung "Waren. Haus. Geschichte: Die Knopf-Dynastie und Karlsruhe" im Karlsruher Stadtmuseum ist die Baugeschichte des ehemaligen Kaufhauses der Familie in der Kaiserstraße - heute Karstadt - im Spiegel der Bauakten nachzuzeichnen. Weitere Einblicke in die inhaltliche und thematische Vielfalt, aber auch zu den Erhaltungsmaßnahmen wird es in den Räumen des Vereins Architekturschaufenster e.V. in der Waldstraße 8 geben.
Mit Bauakten liegen aussagekräftige Quellen zu vielen stadthistorischen Fragestellungen vor, die ausgezeichnete Nutzungsmöglichkeiten bieten. Das Stadtarchiv Karlsruhe als Bewahrer des Gedächtnisses der Stadt sichert mit dem Projekt "Rettung historischer Bauakten" auch mit Unterstützung von Paten und Patinnen den einzigartigen Quellenfundus zur Stadt- und Baugeschichte. Wichtige Teile des kulturellen Erbes der Stadt werden gerettet, für künftige Generationen bewahrt und für die Nutzung zugänglich gemacht.
Dr. Patrick Sturm, Stadtarchiv Karlsruhe