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Blick in die Geschichte Nr. 113

vom 16. Dezember 2016

"Den Reiz des Schönen erheben"

Friedrich Weinbrenner und die Farben

von Gottfried Leiber

Die Frage, welchen Farbton die klassizistischen Bauten Weinbrenners in Karlsruhe in ihrem Originalzustand hatten, ist nicht neu. Bereits im vorigen Jahrhundert waren Architekten damit beschäftigt, herauszufinden, wie man die Farbwahl richtig treffen könne, dass sie den Vorstellungen Weinbrenners entspräche oder doch wenigstens vertretbar nahe käme. Im Ergebnis zeigten sich recht unterschiedliche Auffassungen, die zuweilen gar in heftigen Streit ausarteten.

Was wurde seinerzeit von den Architekten vorgetragen? Fritz Hirsch beharrte auf einem lichten Grauton und bezog sich dabei auf eine Anordnung des Großherzogs von 1814, den Anstrich des neuen Kanzleigebäudes am Schlossplatz als Muster für alle übrigen Häuser am Platz zu sehen Die Fassade des besagten Neubaus war in gelblicher Wasserfarbe, die Architekturteile - Wände, Gurte und Attika - waren mit Ölfarbe gesandelt gestrichen. Daraus schloss Hirsch, die Steinfarbe könne nur rot oder grau gewesen sein. Die besagte Fassade sei nämlich zweifarbig, grau und rot, grau und gelb oder dunkelgrau und hellgrau bemalt gewesen. Arthur Valdenaire schrieb, die Bauten Weinbrenners in der Karl-FriedrichStraße seien "ursprünglich mit einem hellen, warmen Graugelb, später graphitgrau" gestrichen gewesen, und Arnold Tschira schließlich sprach von "gleichmäßig licht ockerfarbigen Fassaden, von einem lichten Sandsteinton".

Farbgebung laut schriftlichen Quellen

Indessen erscheint es ratsam, die Quelle zu befragen. Wir finden sie in Weinbrenners Architektonischem Lehrbuch, im III. Teil, 5. Heft, aus dem Jahr 1819. Zu nennen ist da zunächst seine grundlegende Auffassung, Farben trügen nichts Wesentliches zur Schönheit bei, ,,denn die Schönheit einer Sache besteht nur in ihrer Form". Gleichwohl räumt Weinbrenner ein, Farben seien grundsätzlich geeignet "den Reiz des Schönen zu erheben". Sie könnten allerdings auch für unangenehme Empfindungen beim Betrachter verantwortlich sein, sollten keinesfalls "in der Betrachtung der Schönheit stören".

An einer einzigen Stelle geht Weinbrenner jedoch in seinem Lehrbuch näher auf die Art der Farbtöne beim Fassadenanstrich ein: "Außen sollten Häuser nie weiß angestrichen werden, weil die nachbarlichen Gebäude durch das Blendende dieser Farbe sehr belästigt werden. Gebrochene Farben, als grau, graurot, graugelb etc. sind deshalb zuträglicher". Zum Vergleich: In der Zeit Karl Friedrich Schinkels war in Berlin der weiße Anstrich von Häusern wegen "Augenschädigung durch Blendung" sogar gesundheitspolizeilich verboten und unter Strafe gestellt. Auch Schinkel bevorzugte in Übrigen nachweislich zur Dämpfung der Farbintensität die Beimischung von Grau. Aus dem zitierten Leitsatz Weinbrenners jedenfalls können wir schließen, dass Grau der Grundton für die zulässigen Mischfarben sein sollte.

Weinbrenner dachte sich eine opulente Farbskala. Die Farben und ihr Mischverhältnis können wir anhand von erhaltenen zeitgenössischen Rechnungen über die Beschaffung von Baumaterialien nachvollziehen. So war etwa Basismaterial für Grau das Frankfurter Schwarz oder das Caput mortuum. Am Rande sei für alle, die graue Farbe für ausdruckslos, ja grässlich finden, ein Satz des Malers Paul Cezanne zitiert: "Solange man nicht eine Grau gemalt hat, ist man kein Maler"!

Die Frage schließt sich an: Ist man in früheren Zeiten den Anweisungen Weinbrenners tatsächlich gefolgt? In einem Fall zum Beispiel ist die Vorgabe Weinbrenners bekannt. Fritz Hirsch berichtet über die Außenbemalung der Kirche St. Stephan um das Jahr 1814. Der Turm und die beiden Sakristeien wurden "zwey mal mit gelbgraulichter Wasserfarb angestrichen". Auf Anweisung Weinbrenners wählte man zuletzt "ein etwas lichteres Grau". Deren Zusammensetzung war zu annähernd gleichen Gewichtsteilen Frankfurter Schwarz und Ocker sowie zusätzlich Kalk.

Farbgebung auf Planzeichnungen

Als Material für Farbstudien steht erfreulicherweise auch eine größere Zahl historischer Pläne von Bauwerken Weinbrenners zur Verfügung. Vorab müssen wir allerdings viele Stücke aussortieren, die über das Blatt hinweg in einheitlichem Farbton laviert sind, denn eine brauchbare Auskunft lassen allenfalls Darstellungen erwarten, in denen Gebäudeansichten eigens farblich behandelt, somit besonders hervorgehoben wurden. Dabei geben freilich oftmals die Farben im Druck nur eine ungenügende Auskunft. Für eine verlässliche Beurteilung ist daher die Einsichtnahme der Originalblätter unverzichtbar.

Erstmals hat sich 1976 der Kunsthistoriker Klaus Lankheit mit zwei Plänen im Original beschäftigt und bekräftigte, dass hier jeweils die authentische Farbvorlage für den später ausgeführten Fassadenanstrich zu sehen sei. Es handelt sich hierbei um Gebäudeansichten, die von Weinbrenner signiert sind und zum Bestand des Philadelphia-Inventars gehören. Selbst für den Fall, dass er diese Originale nicht selbst gefertigt hat, wäre immerhin durch seinen Namen belegt, dass er mit dem wohl von einem seiner Schüler stammenden Vorschlag zur Farbgebung einverstanden war. Die eine Ansicht zeigt das Haus des Hoffaktors Jacob Kusel am Marktplatz (1812), laviert in Grau, Braun und Rosa, die andere das Lusthaus im Garten des Markgräflichen Palais (1800) mit Feder über Bleistift laviert in verschiedenem Gelb und Braun, in Blauschwarz, Grün und Zartrosa. Noch weitere kolorierte Zeichnungen aus dem Architekturarchiv in Philadelphia kämen für Farbstudien in Frage; der ganze Bestand umfasst mehr als 280 Blatt.

Im Gegensatz zu der festgeschriebenen Regel Weinbrenners für das Bemalen von Fassaden, kein Weiß und nur gebrochene Farben zu wählen, bevorzugte man in dieser Zeit für den Zimmerschmuck überwiegend satte Farben. Lankheit stellte hierfür beispielhaft zwei Dekorationsmuster (1828) für Zimmer im Lusthaus der Markgräfin Christiane Louise, der Ehefrau des 1817 verstorbenen Markgrafen Friedrich, vor. Das eine zeigte eine Wand in warmem Rot mit einem abschließenden goldgelben Zierband, das andere schlug ein tief leuchtendes Blau vor.

Dr. Gottfried Leiber, Stadtoberbaudirektor a.D.

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