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Blick in die Geschichte Nr. 114

vom 17. März 2017

Stadtplanung in Karlsruhe 1960-1975 (Teil 1)

Vom Wiederaufbau zum Ausbau der Stadt

von Harald Ringler

Der Abschnitt dieser, auch für Karlsruhe wichtigen Zeit der räumlichen Entwicklung, erstreckt sich über die Zeit des anhaltenden deutschen Wirtschaftswunders vom Beginn der 1960er-Jahre bis zur wirtschaftlichen Stagnation in der ersten Hälfte der 1970er Jahre. Auch in Karlsruhe zeigen sich die Folgen dieser 15 Jahre in Relation zur Stadtgröße.

Karlsruhe sah sich in den 1960er Jahren als aufstrebendes Wirtschaftszentrum am Oberrhein

Nach den Jahren der Reparatur der Kriegsschäden, der Linderung des Wohnungsmangels und des Wiederaufbaus der Innenstadt wurde nun der Ausbau zur "Großstadt am Rhein und am Schwarzwald" zum Leitthema, verkörpert durch die Politik des damaligen Oberbürgermeisters Klotz. Er erklärte 1963: "Es erfüllt uns alle mit Stolz, daß das Atom-und Ölzeitalter in Forschung und Produktion in unserer Stadt verankert wurde." Der kommunale Gestaltungswille kommt zum Beispiel in der 1962 veranstalteten Ausstellung im Rathaus "Karlsruhe plant und baut für seine Bürger" zum Ausdruck. Gezeigt wurden unter anderem die Planungsabsichten für Straßenbahntrassen in die Region, die Planung der Schlossplatztiefgarage als ein Projekt der Bundesgartenschau 1967 sowie die Planung der Bergwaldsiedlung und der damalige Planungsstand für die Altstadtsanierung.

Ein Leitplan für die motorisierte Stadt

Die Karlsruher Stadtverwaltung sah sich wegen des neuen Bundesbaugesetzes von 1960 veranlasst, einen Flächennutzungsplan aufzustellen. Das Engagement hielt sich aber in Grenzen, was unter anderem die Behandlung im Gemeinderat im Juni 1961 zeigt. Ohne Vortrag und Diskussion, als Anhängsel des Tagesordnungspunktes "Verkehrsgestaltung in der Stadt Karlsruhe", wurde die Weitergabe einer kleinformatigen Fotografie (23x17 cm) des Plans an das Regierungspräsidium beschlossen. Die Geringschätzung einer mittelfristigen generellen Leitplanung konnte nicht deutlicher demonstriert werden. Eine fundierte und öffentlich diskutierte Leitplanung, wie sie Mitte der 1920er Jahre mit dem Entwurf eines Generalbebauungsplans beispielhaft vorgelegt worden war, passte nicht in diese "Zeit des Machens". Projektorientierte Planung für den Wohnungsbau und der Verkehr erfuhren die administrative und politische Zuwendung. Deshalb waren der "Verkehrslinienplan", eingeleitet mit zwei Vorträgen und die anschließende Diskussion in dieser Sitzung wesentlich wichtiger.

Der vom Gemeinderat im Juni 1961 nach ausführlicher Diskussion beschlossene Verkehrslinienplan

Innenstadtnahe Tangenten im Norden, Westen und Süden, dahin führende Radiale und ein Innenstadtring sollten das künftige Gerüst der Hauptverkehrsstraßen bilden. Zusätzlich wurde die Notwendigkeit einer westlichen Umfahrung Durlachs gesehen. Der vorgesehene Ausbau der alten Kriegsstraße als Teil des Innenrings fand im Gemeinderat nur vereinzelt Kritik. Die Kriegsstraßen-Bauwerke Ettlinger Tor und Karlstor standen 1965 bzw. erst 1972 zur Verfügung. Positiv kann hierzu angemerkt werden, dass damit ab diesem Zeitpunkt die, anfangs nur probeweise, Einführung der Fußgängerzone Kaiserstraße vom Marktplatz bis zum Europaplatz ermöglicht wurde. Der unbestrittene Bau der Südtangente begann im Westen mit dem Anschluss an die 1966 fertig gestellte Rheinbrücke, erreichte1972 die Vogesenbrücke und 1975 das Bulacher Kreuz.

Planungen für Grünflächen

Die Grünflächengestaltung gewann in Karlsruhe mit den Vorbereitungen für die Bundesgartenschau 1967 an Einfluss. 1963 wurde wieder ein Gartenbauamt eingerichtet. Neben den Aufwertungen von Schlossgarten und Stadtgarten zum attraktiven Gartenschaugelände entstanden konzeptionelle Überlegungen zur Durchgrünung zusammen mit Fußwegeverbindungen. Die Aufwertung des Fußgängers in der Stadt als Verkehrsteilnehmer zeigte sich zum Beispiel durch den möglichst verkehrsfreien "grünen Weg" vom Bahnhof bis zum Friedrichsplatz und vom Schlossplatz bis in den Hardtwald, nun ermöglicht durch das Großereignis 1967. Es begann die Realisierung von Langzeitprojekte wie der planungsrechtlich vorbereitete Südstadt-Grünzug, ergänzt mit der Unterführung der Ettlingerstraße. Der Albwanderweg mit den Abschnitten des Albgrüns und den dahin führenden Wegen ist eine der großen Leistungen der Landschaftsplanung.

Stadterweiterung für den Wohnungsbau

Der Ausbau des Wohnungsangebotes hatte angesichts des fortbestehenden Wohnungsmangels und der bevorstehenden Umsiedlungen im Zuge der Altstadtsanierung weiterhin hohe Priorität. Zwar konnte der Neubau 1960-1969 mit 25.400 Wohnungen nicht ganz die Bauleistung der 1950er Jahre erreichen, blieb aber weit über der des nachfolgenden Jahrzehnts mit nur noch 15.000. Die Nachfrage fand ihre Deckung durch die Errichtung neuer Siedlungen aber auch durch ein deutlich verringertes Einwohnerwachstum. War die Stadt 1961-1970 noch um knapp 14.000 Einwohner gewachsen, so verlor sie im alten Stadtgebiet 1971-1980 knapp 22.000 und hatte damit nur noch knapp 237.00 Einwohner gegenüber knapp 245.000 im Jahr 1961. Eine 1962 in Auftrag gegebene Bevölkerungsprognose für 1980 hatte zwar geschätzte Zahlen zwischen 267.000 und 350.000 Einwohnern innerhalb des damaligen Stadtgebietes angenommen, lag damit aber deutlich bis weit oberhalb der tatsächlichen Entwicklung. Die Stadt-Umland-Wanderungen zeigten auch in Karlsruhe ihre Wirkung. Nur dank der Eingemeindungen 1972-1975 wies die Stadt 1980 noch ein Plus in der Bevölkerungsstatistik aus und sie gewann zugleich Potential für künftige Wohnbebauung.

Die in den 1950er-Jahren begonnenen Wohngebiete in der heutigen Nordweststadt, in Rintheim und in der Waldstadt wuchsen weiter. War da der zeilenförmige Geschosswohnungsbau vorherrschend, so wurden im Laufe der 1960er-Jahre oft unterschiedliche Gebäudeformen wie Hochhaus, Scheibe und Reihenhaus kombiniert. Die Bergwaldsiedlung eröffnete den planerischen Reigen der neuen Baugebiete, gedacht als Stadtteil für vorwiegend leitende Angestellte des expandierenden Wirtschaftsraumes. Das sich im städtischen Eigentum befindliche Hanggebiet war für 1.500 bis 2.500 Einwohner angedacht. Nach der kommunalpolitischen Debatte und gutachterlichen Stellungnahme über drei geplante Hochhäuser begann 1965 die Bebauung.

Die unkomplizierte Inanspruchnahme von landeseigenen Waldflächen für die Waldstadt zeigte den Weg für Siedlungserweiterungen. Im Falle von Oberreut war dies für die Stadt als Eigentümer von Waldflächen ähnlich wie für den Bergwald noch einfacher. Gebaut wurde ab 1963 ohne Bebauungsplan, der erst 1967 Rechtskraft erlangte. Es folgte Ende der 1960er-Jahre der Abschnitt "Mittelreut". Bis 1970, dem Jahr der Vollendung dieser Etappe, wuchs die Einwohnerzahl auf über 5.700. Ab 1971 arbeitete das Stadtplanungs¬amt an einer neuen Planung für die Feldlage, ebenfalls mit dem Ziel einer höheren Verdichtung.

Neben den genannten Siedlungen entstand die weitere Bebauung des östlichen Beiertheimer Feldes, Heidenstücker-Nord, die Europa-Schule-Siedlung, das nördliche Knielingen (Sudetenstraße) sowie die Fortsetzung der Durlacher Hangbebauung. Der Mieter- und Bauverein setzte die Erweiterung der bereits 1937 begonnenen Rheinstrandsiedlung in Daxlanden neben den Aktivitäten im nördlichen Seldeneck'schen Feld bis in die 1990er Jahre in großem Ausmaß fort. Zwei Baugebiete, die Baumgarten-Siedlung in Rüppurr und das Wohnquartier im Eichbäumle in der Waldstadt, verdienen auch heute noch eine überregionale Aufmerksamkeit als Muster für qualitätvollen und flächensparenden Siedlungsbau in der Stadt (Siehe dazu: Blick in die Geschichte. Karlsruher stadthistorische Beiträge 1993-1995, Karlsruhe 1998, S. 27). Die Baumgarten-Siedlung hat mit der gleichzeitig entstandenen Bergwaldsiedlung einige Gemeinsamkeiten wie jeweils nur einen Eigentümer der Flächen, die Siedlungsgröße, Ringerschließung, Wohnwege und die Kombination von Eigenheim und Geschoßwohnungsbau. Dennoch übertrifft die "neue GAGFAH" - die ab 1956 erbaute "alte" liegt westlich der Herrenalberstraße - die Bergwaldsiedlung in vielen Belangen eines Qualität vollen Städtebaus, insbesondere mit der flächenreduzierten Erschließung und Konzentration der Parkierung in gestalteten Bereichen sowie mit der konsequenten Verdichtung. Das relativ kleine Quartier Im Eichbäumle in der Waldstadt-Feldlage ist ein Ergebnis mit ähnlicher Zielsetzung wie die Baumgarten-Siedlung. Die Rheinstadt als ein neues Wohnquartier in der Burgau, heute Landschaftsschutzgebiet, blieb auf dem Reißbrett. (Siehe dazu: Blick in die Geschichte. Karlsruher stadthistorische Beiträge 1993-1995, Karlsruhe 1998, S. 12-14). So reizvoll dieser "Baustein auf dem Weg zum Rhein" erscheinen mag, so wenig würde er uns heute städtebaulich und architektonisch überzeugen.

Der innerstädtische Wohnungsbau dieser Zeit entstand größtenteils als Hochhausarchitektur. Die "Richt-Wohnanlage" nördlich des Durlacher Güterbahnhofs bestimmt die westliche Durlacher Stadtsilhouette. Das dritte Hochhaus der Volkswohnung am Entenfang erreichte nicht mehr die Gestaltqualität des ersten Hauses. Eine ähnliche Gestaltung zeigt das Hochhaus des Mieter- und Bauvereins an der Durlacher Allee. An der südlichen Kaiserallee entstanden Ende 1960 zwei Hochhausscheiben und ein Laubenganggebäude sowie ein Bürohaus als eine innerstädtische Konversion auf der Fläche der ehemaligen Brauerei Printz, erstaunlicher Weise ohne Bebauungsplan.

(Teil 2 folgt in der nächsten Ausgabe des "Blick in die Geschichte")

Dr.-Ing. Harald Ringler - Stadtplaner AKBW - SRL - Stadtdirektor i.R., Karlsruhe

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