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Blick in die Geschichte Nr. 115

vom 30. Juni 2017

Stadtplanung in Karlsruhe 1960-1975 (Teil 2)

Vom Wiederaufbau zum Ausbau der Stadt

von Harald Ringler

Öffentliche Gebäude und Kirchenbauten

Die in Teil 1 (Blick in die Geschichte Nr. 114 vom 17. März 2017) erläuterten neuen Baugebiete zogen die Errichtung von Schulgebäuden und Kirchen nach sich. Dabei entstanden meist gestalterisch solide, aber auch besondere Bauwerke. Die Drais-Schule in Mühlburg entwickelte sich baulich ab 1960. Im selben Zeitraum folgten unter anderem die Hebel-Schule an der Moltkestraße, die Schlossschule in Durlach, die Rennbuckelschule in der Nordweststadt, die Anne-Franck-Schule in Oberreut und die Heinrich-Köhler-Schule in Rintheim. Neben diesen für die Grundversorgung notwendigen Einrichtungen baute die Stadt Gewerbeschulen im Beiertheimer Feld und am Ettlinger Tor den Neubau für die Handelslehranstalten sowie die Europäische Schule in der Waldstadt. In staatlicher Regie erweiterte sich der Uni-Campus mit Mensa, Bibliothek, Institutsgebäuden für Chemie, Physik, Mathematik, Nachrichtentechnik sowie die Bebauung am östlichen Schlossplatz, meist in standardisierter Bauweise. Zahlreiche sakrale Gebäude aus dieser Zeit stehen unter Denkmalschutz wie die Erlöserkirche in der Hermann-Billing-Straße, die Lukaskirche in der Hagenstraße, St. Michael in Beiertheim, die Emmauskirche und St. Hedwig in der Waldstadt sowie die Synagoge in der Nordweststadt.

Hochhausarchitektur in der Richt-Wohnanlage in Durlach Ende der 1960er Jahre

Das Stadtbild prägen einige öffentliche Einrichtungen in besonderer Weise wie das Bundesverfassungsgericht, 1969 fertig gestellt und 2015 in hervorragender Weise erneuert der Öffentlichkeit präsentiert. Für den Neubau des Badischen Staatstheaters bereitete der 1964 abgeschlossene Wettbewerb die Planung vor. Erst 1975 war der Theaterbau fertig gestellt, ein Solitär zwischen dem Stadtzentrum und der Südstadt, weder zur einen noch zur anderen Seite sich öffnend. Am Festplatz ergänzt seit 1966 die Nancyhalle das Ensemble. Der meist als Parkierungsfläche genutzt Platzraum selbst harrt seit langem einer Gestaltung, die der Bedeutung als innerstädtischem Forum entspräche.

Nicht unerhebliche visuelle Bedeutung im Stadtbild kommt einigen Verwaltungsbauten zu wie das ehemalige Badenwerk-Hochhaus von 1965 (jetzt Landratsamt) an der Kriegsstraße. Die damalige Landesversicherungsanstalt (heute Deutsche Rentenversicherung) bezog 1963 ihr Bürohochhaus im Beiertheimer Feld. Wer sich von Süden auf das Karlstor zubewegt, blickt unweigerlich auf die "Aachener-Münchner", seit 1963 hinter dem Weltzienschen Haus aufragend.

Die innere Stadt gewinnt Aufmerksamkeit

Die gesellschaftspolitischen Umwälzungen Ende des Jahrzehnts rückten auch die Stadt als Lebensraum in den Mittelpunkt. 1970 trat der neue Oberbürgermeister Otto Dullenkopf sein Amt an. Hatte sein Vorgänger Günther Klotz sich Stadtplanungsamt, Gartenbauamt und Bauordnungsamt direkt unterstellt, so entstand nun ein klassisches Baudezernat, in dem alle relevanten Dienststellen für Planen und Bauen einschließlich der Liegenschaftsverwaltung vereint waren. Trotz der neuen Planungsaufgaben für die sieben bis 1975 eingemeindeten Stadtteile mit einer zusätzlichen Fläche von rund 5.800 ha und 32.200 Einwohnern (1976) gewann die Innenstadt für die Stadtplanung an Bedeutung. Einige Planungen und Projekte zeigen dies. Die Gestaltung der Kaiserstraße als Fußgängerzone ab 1972 und die darauf folgenden Gestaltungsgutachten für die Kaiserstraße und dem Marktplatz sind Hinweise dafür. Der Zielkonflikt zwischen dem dichten oberirdischen Straßenbahnverkehr und den flanierenden Menschen in der Hauptgeschäftsstraße löste die im selben Jahr vorgelegte Studie für eine U-Strab aus. Erst nach der Umsetzung der Kombi-Lösung Anfang der 2020er Jahre wird die Karlsruher Innenstadt die notwendige Attraktivität erhalten. Auch finden sich in der 1972 von der Stadtverwaltung vorgelegten Broschüre "Karlsruhe plant und baut für seine Bürger" schon die ersten Überlegungen für die Verkehrsentlastung der Durlacher Allee durch einen Ausbau der östlichen Kriegsstraße.

Der Zustand des Sanierungsgebietes Altstadt im Jahre 1968

Die größte Herausforderung dieser Zeit wurde die Sanierung des "Dörfle". Ab 1955 blieb der Straßendurchbruch im Zuge der heutigen Fritz-Erler-Straße eine Konstante der Sanierungspläne, die 1959 förmlich beschlossen wurde. Die Abbruchmaßnahmen für zwei Drittel der Fläche begannen in den 1960er Jahren und hinterließen noch viele Jahre eine große Brache inmitten der Altstadt. Der im Sinne der damaligen Vorstellungen von Urbanität durch Dichte vorgelegte Entwurf von 1968 und die darauf folgende öffentliche Kritik führten dann zum international ausgeschriebenen Altstadtwettbewerb von 1970. Die letztendlich ausgewählte, überarbeitete und 1972 vorgelegte Planung verfolgte das seit den 1920er Jahren verpönte Prinzip der Blockrandbebauung, die dann nach 1975 langsam umgesetzt wurde. Mit diesem, über ein Viertel Jahrhundert dauerndem Großprojekt und den später folgenden Konversionen übernahm Karlsruhe eine Pionierrolle für die innere Stadtentwicklung in Deutschland.

Fazit: Eine städtebauliche Zeitenwende

Das rasche bauliche Wachstum der 1950er Jahre setzte sich in den Großstädten der Bundesrepublik fort. In der ersten Hälfte der 1960er Jahre war auch in Karlsruhe der Wiederaufbau der teilweise zerstörten Stadt nahezu abgeschlossen. Der massive Ausbau der Verkehrsinfrastruktur nahm seinen Anfang. Mit der Bundesgartenschau 1967 erreichte Karlsruhe eine überörtliche Aufmerksamkeit, was neben den damaligen Bevölkerungsprognosen zu weiteren planerischen Höhenflügen führte. In der zweiten Hälfte begann in der Stadtplanung die Abkehr von der eher technokratischen Auffassung, wie sich die Stadt entwickeln soll. Bis heute ist die Einstellung zu unserer Umwelt und der Praxis der Stadtplanung zutiefst geprägt durch den damals einsetzenden gesellschaftspolitischen Wandel in diesen Jahren. Markante Zeichen waren die Studentenrevolten, die sozialliberale Koalition auf Bundesebene ab 1969 sowie die Ölkrise 1973. Die "Grenzen des Wachstums" (Meadows 1973) kamen hier erstmals in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. Stadterweiterung als Inanspruchnahme von naturnahen Freiflächen blieb zwar weiterhin ein wichtiges Mittel für den Wohnungsbau, wurde aber vor allem wegen der fortschreitenden Zersiedlung des städtischen Umlandes zunehmend kritischer begleitet. Die Innenentwicklung gewann nur langsam und gegen Widerstände an Bedeutung, ebenso das Ziel, erhaltenswerten Baubestand zu schützen. Ab Mitte der 1970er Jahre setzte sich Stadtplanung als Disziplin für die nächsten Jahrzehnte an die Spitze der Entwicklung städtischer Räume.

Dr.-Ing. Harald Ringler - Stadtplaner AKBW - SRL - Stadtdirektor i.R., Karlsruhe

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