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Blick in die Geschichte Nr. 115

vom 30. Juni 2017

Ein Blick weit zurück

Die Region Karlsruhe in der Steinzeit

von Michael Gimber

Alt- und Mittelsteinzeit

Aus der Region Karlsruhe haben wir bisher nur wenige Funde aus der älteren Altsteinzeit (Altpaläolithikum, ab etwa 700.000 v. Chr.), der mittleren Altsteinzeit (Mittelpaläolithikum, ab etwa 250.000 v. Chr.) und der jüngeren Altsteinzeit (Jungpaläolithikum, ab etwa 35.000 v. Chr.). In Dieser Zeit waren die Menschen als Jäger und Sammler nicht sesshaft, sondern hielten sich nur vorübergehend an einem Platz auf. Die nicht weit entfernte elsässische Fundstelle Achenheim zeigt aber, dass Menschen im Alt- und im Mittelpaläolithikum die Region bewohnten. Der Fund eines kleinen Faustkeils unmittelbar östlich von Bruchsal kann belegen, dass sich der Neandertaler hier vor etwa 80-60.000 Jahren aufhielt. Menschen vom Typ Homo sapiens lagerten an verschiedenen Stellen in der Umgebung von Kleinsteinbach und von Königsbach. Hier wurden Steinwerkzeuge entdeckt, die etwa 35-30.000 Jahre alt sind. Verschiedene Fundstellen aus der mittleren Steinzeit (Mesolithikum, ab etwa 10.000 v. Chr.), der Zeit der letzten Jäger und Sammler in Mitteleuropa unmittelbar nach dem Ende der Eiszeit, aus dem Bereich Philippsburg und Ettlingen, bezeugen die Anwesenheit von Jägern und Sammlern vor 12.000 bis 9.000 Jahren. Auch wenn die Zahl der Fundstellen nicht sehr hoch ist, kann doch angenommen werden, dass die Umgebung von Karlsruhe seit 400.000 Jahren immer wieder von Menschen aufgesucht wurde.

Jungsteinzeit

Um 5.500 v. Chr. breiteten sich, begünstigt durch ein wärmeres Klima, die frühen jungsteinzeitlichen Kulturgruppen aus und es ist anzunehmen, dass die letzten mittelsteinzeitlichen Jäger und Sammler einige Jahrhunderte neben den ersten jungsteinzeitlichen (neolithischen) Ackerbauern lebten. Die ältesten Belege für Ackerbau und Viehzucht stammen aus einem kleinen Teilgebiet des Vorderen Orients, das gemeinhin als "Fruchtbarer Halbmond" bezeichnet wird. Die neue bäuerliche Kultur, die auch mit einem Bevölkerungswachstum einherging, breitete sich über die Ägäis nach Südosteuropa und von dort über die Karpaten bis nach Mitteleuropa aus. Als Folge der neuen Wirtschaftsform errichtete man feste Siedlungen mit großen Langhäusern. Diese waren etwa 30 bis 40 Meter lang und 5 bis 8 Meter breit mit lehmverputzten Wänden aus Flechtwerk und bildeten, in Reihe angeordnet, die Ansiedlungen. Funde belegen den Anbau von aus dem vorderen Orient stammenden Getreidesorten Emmer, Einkorn sowie Gerste und Erbsen wie Linsen. Als Haus- und Nutztiere hielten die Bewohner Rinder und Schweine sowie Schafe und Ziegen. Man begann, Geräte aus geschliffenem Felsgestein und Gefäße aus Ton herzustellen. Die Tongefäße wurden im gesamten Verbreitungsgebiet einheitlich mit kurvolinearen Bandmustern verziert, die namensgebend für diese weitverbreitete Kulturgruppe (linearbandkeramische Kultur, etwa 5.500 bis 4.800 v. Chr.) wurde.

Rekonstruktion einer bandkeramischen Ansiedlung

Aufgrund der fruchtbaren Lössböden war unter anderem der Kraichgau ein bevorzugtes Siedlungsgebiet und gilt deshalb als erste Kulturlandschaft der Region. In Durlach deuten Lesefunde im Bereich der Lußstraße (Gewann Lußsteige) auf eine bandkeramische Siedlung hin. Mit seinen beispiellosen und schwierig zu interpretierenden Befunden erlangte die Fundstelle von Herxheim (Pfalz) westlich von Karlsruhe überregionale Bedeutung.

Gegen Ende der bandkeramischen Kultur dürfte ein Zusammentreffen vielfältiger Ursachen einerseits zu einem Besiedlungsrückgang und zum anderen zu einem gravierenden Wandel der Wirtschafts-, Siedlungs- und vermutlich auch Gesellschaftsstrukturen geführt haben. Es bilden sich, benannt nach den jeweiligen Ausgrabungsorten, als mittelneolithischer Kulturenkomplex in zeitlicher Abfolge die Kulturgruppen Hinkelstein, Großgartach und Rössen heraus (etwa 4.800 bis 4.300 v. Chr.). Die Böden waren durch intensiven Ackerbau und Überweidung der vorangegangenen Zeit ausgelaugt. So war die mittelneolithische Bevölkerung gezwungen, auf weniger fruchtbare Böden auszuweichen und auch vorher gemiedene Kuppen und Höhenlagen aufzusuchen. Ausgesprochene Höhensiedlungen sind jedoch erst ab der Rössener Kultur nachweisbar, wie für unseren Raum beispielsweise auf dem Hopfenberg bei Berghausen (Pfinztal).

Der letzte große Abschnitt der Jungsteinzeit wird als Jungneolithikum (ca. 4.300 bis 3.000 v.Chr.) bezeichnet. Das Klima ist in dieser Periode anfangs kühl und trocken, wird aber im Lauf der Zeit deutlich feuchter. Die Siedlungsweise verändert sich in unserem Raum grundlegend. Offene Siedlungen ohne Umwehrung verschwinden anscheinend weitgehend. An ihre Stelle treten befestigte Höhensiedlungen auf isoliert liegenden Kuppen. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Michaelsberg bei Untergrombach, auf dem bereits 1889 erste Ausgrabungen stattfanden. Dabei wurden in zahlreichen Gruben unzählige Scherben von Keramikgefäßen gefunden, wie man sie bis dahin nicht kannte. Einem in der Archäologie üblichen Verfahren folgend, benannte man die neu erkannte Kulturgruppe nach dem Fundort als "Michelsberger Kultur". Die Gefäße blieben weitgehend unverziert. Typisch für die Kulturgruppe ist ein Gefäß, das in der Form eines Tulpenbechers gearbeitet ist. Durch weitere Forschungen wurde erkannt, dass sie in einem Gebiet zwischen Pariser Becken und Nordböhmen sowie dem Nordrand der deutschen Mittelgebirge und dem Bodensee verbreitet ist.

"Tulpenbecher" der Michelsberger Kultur

Ende der Jungsteinzeit

Gegen 3.000 v. Chr. verschwindet die Michelsberger Kultur offenbar aus dem nordbadischen Raum. Bisher lässt sich nicht erkennen, was an ihre Stelle tritt. Ob das Land wirklich siedlungsleer wurde oder ob nachfolgende Kulturen eine Siedlungsweise pflegten, die keine archäologisch nachweisbaren Spuren hinterließ, ist derzeit nicht zu entscheiden. Für mehrere Jahrhunderte fehlen jegliche Hinweise auf menschliches Leben.

Etwa ab 2.600 v. Chr. lässt sich in der Region die Kulturgruppe der Schnurkeramik und, zeitlich nur wenig später, die Kulturgruppe der Glockenbecher nachweisen, beide benannt nach der ihr jeweils eigenen charakteristischen Keramik. Beide Kulturgruppen lassen sich nur aus ihren Bestattungen bzw. Grabfunden erschließen. Die dazu anzunehmenden Siedlungen waren offensichtlich in einer Bauart errichtet, die im Boden nur wenig Spuren hinterließen. Die Gräber der Kulturgruppe der Schnurkeramik werden unter aufgeschütteten Grabhügeln angelegt, die in der Region außerordentlich selten sind. Eine Grabhügelgruppe ist z. B. in Helmsheim (Stadt Bruchsal) bekannt. Auch die Gräber der Kulturgruppe der Glockenbecher sind äußerst selten. Außer einem Grab bei Neudorf (Graben-Neudorf) gibt es bisher in der Region nur zwei weitere Fundstellen. Die in beiden Kulturgruppen gelegentlich auftretenden Kupfergegenstände weisen auf weitreichende Wirtschaftsbeziehungen hin. Gleichzeitig zeigen sie, dass um das Jahr 2.200 v. Chr. das Ende der Jungsteinzeit erreicht ist. Es ist mit einer Kontinuität der Bevölkerung in der folgenden frühen Bronzezeit zu rechnen.

Dr. Michael Gimber, Stadtarchiv und Historische Museen, Karlsruhe

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