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Blick in die Geschichte Nr. 116

vom 15. September 2017

Baden-Württemberg oder Württemberg-Baden?

Franz Gurk und die Namensgebung des neuen Bundeslandes

von René Gilbert

Nur wenige Karlsruherinnen und Karlsruher dürften wissen, dass in der Entstehungsphase des Landes Baden-Württemberg eine kontroverse Debatte um den Namen des neuen Bundeslandes geführt wurde. Noch weniger dürfte bekannt sein, dass das Bundesland, in dem wir heute leben, seinen Namen maßgeblich einem gebürtigen Karlsruher zu verdanken hat. Dieser Mann, Franz Gurk, ist heute - zu Unrecht - fast nur noch Fachleuten ein Begriff. Er spielte in den ersten 25 Jahren der Nachkriegszeit eine wichtige Rolle sowohl für die Entwicklung der Fächerstadt als Stadtkämmerer (1945-1952) und Wirtschaftsdezernent (1953-1963), als auch für das neue südwestdeutsche Bundesland durch seine Ämter als CDU-Landtagsabgeordneter (1952-1972) und Landtagspräsident (1960-1968) von Baden-Württemberg.

Franz Gurk (1989-1984)

Zur Vorgeschichte

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Das Land Baden blieb dabei nicht als Ganzes erhalten, sondern wurde ebenfalls geteilt, wobei die beiden nördliche Landesteile von Baden und Württemberg zu Württemberg-Baden zusammengeschlossen wurden und zur amerikanischen Besatzungszone gehörten. Den südlichen Teil bildete das Land (Süd-)Baden, das wiederum Teil der französischen Besatzungszone war.

Anfang der 1950er-Jahre wurde in der CDU-Nordbaden eine kontroverse Debatte darüber geführt, welche Position man hinsichtlich des nach Artikel 118 des Grundgesetzes zu bildenden Südweststaats einnehmen sollte. Dabei standen sich strikte Altbadener, die nur eine Wiedervereinigung von Nord- und Südbaden anstrebten, und Südweststaatbefürworter, die für eine Vereinigung der beiden badischen Landesteile bei gleichzeitigem Zusammenschluss mit Württemberg und Hohenzollern standen, unversöhnlich gegenüber. Franz Gurk, der sich selbst als moderater Altbadener verstand und im April 1951 zum Vorsitzenden der CDU-Nordbaden gewählt wurde, kam in dieser Situation die Aufgabe zu, als Mittler zwischen den Lagern die Partei vor einem Auseinanderbrechen zu bewahren. Nachdem abzusehen war, dass keine Aussicht darauf bestand, die CDU-Nordbaden auf eine einheitliche Linie zu bringen, gab Gurk schließlich bekannt, dass die Parteimitglieder ihre Entscheidung über den Südweststaat in der Volksabstimmung frei treffen könnten - im Gegensatz zu ihren südbadischen Kollegen.

Plakatwerbung bei der Volksabstimmung über den Südweststaat 1951

Am 9. Dezember 1951 fand gemäß dem von Bundestag und Bundesrat zuvor beschlossenen Zweiten Neugliederungsgesetz eine Volksabstimmung im Südwesten darüber statt, ob Baden, Württemberg und Hohenzollern zu einem Bundesland vereinigt oder ob die alten Länder Baden und Württemberg (mit Hohenzollern) wiederhergestellt werden sollten. Hierfür wurden vier Abstimmungsbezirke gebildet: (Süd-)Baden, (Nord-)Baden, (Nord-)Württemberg und (Süd-)Württemberg-Hohenzollern. Das Zweite Neugliederungsgesetz besagte, dass der Südweststaat zu bilden ist, wenn er im gesamten Abstimmungsgebiet und in mindestens drei der vier Bezirke eine Mehrheit erhält. In drei Bezirken (Nordwürttemberg 93,5%, Nordbaden 57,1% und Südwürttemberg-Hohenzollern 91,4%) votierte eine deutliche Mehrheit für den Südweststaat, wodurch er durch Plebiszit legitimiert war. Betrachtet man jedoch das Abstimmungsverhalten nach den alten Ländern getrennt, dann hatte sich mit der altbadischen Mehrheit im Land Baden von 62,2% in Gesamtbaden eine Mehrheit von 52,2% (in Karlsruhe 68,4%) für die Wiederherstellung Badens ohne Aufgehen in einem Südweststaat ausgesprochen.

Gurks Stellungnahme im Verfassungsausschuss …

Am 9. März 1952 wurde Franz Gurk zum Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung des noch namenlosen Südweststaats gewählt, in der er bis Jahresende auch das Amt des Vorsitzenden der CDU-Fraktion ausübte. Außerdem wurde er Mitglied des am 2. April gebildeten Verfassungsausschusses, der das am 15. Mai beschlossene Überleitungsgesetz ausarbeitete. In diesem Gesetz, das im Land die Ausübung der Staatsgewalt regelte, wurde in Artikel 1 "Baden-Württemberg" als vorläufiger Name des neuen Südweststaats festgelegt. Dies hatte in erster Linie den pragmatischen Grund, dass während der Beratungen über das Gesetz das Land Württemberg-Baden noch existierte (bis 25. April), und zur klaren Unterscheidung von diesem die Anordnung der Namensteile vertauscht wurde.

Der endgültige Name des neuen Bundeslandes sollte in der auszuarbeitenden Verfassung bestimmt werden. Bereits in der zweiten Sitzung des Verfassungsausschusses vom 4. April setze sich Gurk dafür ein, den als provisorisch gedachten Namen in einen dauerhaften umzuwandeln: "Im übrigen möchte ich bitten, es bei dem in den Entwürfen vorgeschlagenen Namen Baden-Württemberg zu belassen, und zwar aus folgendem Grund, […] weil dadurch auch eine Unterscheidung eintritt gegenüber dem bisherigen Bundesland Württemberg-Baden, die von Vorteil für späteres Zitieren in der Gesetzgebung und ähnlichem ist. Ich würde auch glauben, daß das etwa ein Akt des Entgegenkommens gegenüber der badischen Bevölkerung wäre, wenn man nach dem Alphabet verfährt. […] Ich hoffe, daß im Rahmen der Diskussionsmöglichkeiten die Chance besteht, daß das Land endgültig Baden-Württemberg heißt."

… und in der Verfassunggebenden Landesversammlung

Lange Zeit sah es so aus, als würde Gurk sich mit seinem Namensvorschlag problemlos durchsetzen können. Am 22. Oktober 1953 stimmte die Verfassunggebende Landesversammlung auch in der Zweiten Beratung über die Verfassung mit klarer Mehrheit für den Namen Baden-Württemberg, wobei als Alternativen unter anderen Schwaben, Alemannien, Rheinschwaben und Württemberg-Baden zur Debatte gestanden hatten. In der entscheidenden Dritten Beratung über die Verfassung vom 4. November 1953 konzentrierte sich die Diskussion im Plenum dann aber doch noch einmal auf die Namensvorschläge Schwaben, Württemberg-Baden und eben Baden-Württemberg.

In dieser Situation, als nur noch die Entscheidung zwischen diesen dreien anstand, versuchte Gurk kurz vor der verbindlichen Abstimmung erneut etwaige Bedenken wegen des Doppelnamens und der Namenanordnung zu zerstreuen: "Es geht mit einem Doppelnamen, es wird gehen, und es ist auch vorher mit "Württemberg-Baden" gegangen. Ich bitte also, vom Standpunkt des Doppelnamens aus keine Sorge zu haben. Der Name 'Baden-Württemberg' ist durchaus gängig und wird sich einbürgern." Auf die daraufhin gestellte Frage des schwäbischen Sozialdemokraten Albert Pflüger, warum es "Baden-Württemberg" heißen müsse, entgegnete Gurk: "Wenn man Kavalier ist, Herr Kollege Pflüger, und eine so nette Dame wie Baden heiratet, muß man dieser Dame auch etwas entgegenkommen." Mit Verweis auf den mehrheitlichen Willen sowohl der Bevölkerung im Bundesland als auch der sie vertretenden Abgeordneten schloss Gurk seine Ausführungen mit folgendem Appell: "Es [Baden-Württemberg] ist dies der Name, der meines Erachtens am ehesten das ermöglicht, was Sie doch wohl wollen, dass nämlich alle Teile dieses Landes zusammenwachsen und sich irgendwie in diesem Staate heimisch fühlen können. In diesem Sinne also appelliere ich an das Haus, es bei der bisherigen Entscheidung zu belassen."

Nachdem zuvor bereits der Name Schwaben mehrheitlich abgelehnt worden war, stimmten in der anschließend vorgenommenen Abstimmung 85 Abgeordnete für den Namen Baden-Württemberg, während 21 Abgeordnete für den Namen Württemberg-Baden votierten. Somit war die Entscheidung über den Namen des Südweststaats in einem eindeutigen Ergebnis gefallen. War Franz Gurk beim Versuch der Wiedervereinigung Badens und dessen Erhalt als eigenständiges Land noch gescheitert, konnte er ab diesem Zeitpunkt mit Recht sagen, dass der Name Baden-Württemberg im allgemeinen und die Anordnung der Namensbestandteile im besonderen maßgeblich sein Verdienst gewesen war.

Dr. René Gilbert, Historiker, Karlsruhe

Vom Autor erscheint 2019 eine Monographie über Franz Gurk in der Veröffentlichungsreihe "Karlsruher Köpfe" des Stadtarchivs Karlsruhe.

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