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Blick in die Geschichte Nr. 117

vom 8. Dezember 2017

Unter dreifach gewölbtem Dach

Planung und Bau der ersten Karlsruher Markthalle

von Eric Wychlacz

Frisches Obst, Gemüse, Blumen und allerlei kulinarische Spezialitäten - damit versorgt seit mittlerweile 50 Jahren der Karlsruher Großmarkt am Weinweg die Stadt und das umliegende Einzugsgebiet. Großhändler verkaufen ihre dort feilgebotenen Waren an gewerbliche Wiederverkäufer, die sie in Gaststätten, Einzelhandelsgeschäften oder auf Wochenmärkten im Umkreis weiter verkaufen.

Die 1934 fertig gestellte Markthalle hinter dem Kopfbau des alten Bahnhofs um 1950

Bevor die Stadt den Großmarkt mit seiner verkehrsgünstigen Anbindung in unmittelbarer Nähe zur Autobahn und dem Hagsfelder Bahnhof 1967 erbauen ließ, stand seit 1934 an der Stelle des heutigen Badischen Staatstheaters eine Markthalle. Erste öffentliche Diskussionen über die Notwendigkeit einer überdachten Halle als Schutz vor Witterung, Staub und Schmutz gab es bereits in den 1880er und 1890er Jahren. In diese Zeit fallen auch Anfragen von privaten Investoren aus der Wirtschaft, die an Bau und Betrieb eines Marktgebäudes Interesse zeigten. Da die Stadtverwaltung zu der Zeit noch Informationen darüber einholte, wie andere Städte ihr Marktwesen organisierten und damals schon mit dem Gedanken spielte, den Großmarkt in Eigenregie zu betreiben, lehnte sie sämtliche Gesuche ab.

Zwei Jahrzehnte bis zur Entscheidung über den Standort

Die Frage des Standorts an der Kriegsstraße erörterte man in Karlsruhe bereits in den Jahren 1903/04 als der Bau eines neuen Bahnhofs beschlossen war. Konkreter wurden die Überlegungen freilich erst nach dessen Eröffnung 1913. Im April 1914 wurde angedacht, eine im Auftrag der Ausstellungsgesellschaft für die große Kunst- und Industrieausstellung anlässlich des 200. Stadtjubiläums 1915 vor dem Ettlinger Tor zu errichtende Maschinenhalle nach Abschluss der Jubiläumsfeiern zu Marktzwecken umzufunktionieren. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges und im Verlauf der darauf folgenden Wirtschaftskrise und Inflation verfolgte die Stadtgemeinde die Pläne nicht weiter.

Erst der 1925 getroffene Beschluss, den Marktplatz umzugestalten und Straßenbahngleise auf beiden Seiten der Pyramide nach Süden zu verlegen, nötigten zu neuen Überlegungen. Die schon länger erwogene Verlegung des Wochenmarktes vom Marktplatz an die Kriegsstraße musste nun realisiert werden. Fortan bauten dreimal wöchentlich die Händler für einen halben Tag an der gesamten Front des ehemaligen Bahnhofsempfangsgebäudes und im Westen sogar darüber hinausgehend bis zur Ettlinger Straße ihre Stände auf. Bauliche Änderungen waren nur in sehr geringem Umfang insofern notwendig, als vor allem eine Abschrankung gegen die Straßenbahngleise vorgenommen werden musste. Das Karlsruher Tagblatt schrieb am 2. Juni 1926 nach Eröffnung des Marktes: "Es war, als werde ein großes Volksfest begangen". Verkäufer seien in buntgeschmückten Wagen unter musikalischer Begleitung der Polizeikapelle erschienen. Allerseits herrsche große Freude darüber, dass die Gegend nach Schließung des Bahnhofs endlich aus einem jahrelangen Dornröschenschlaf erwacht sei.

Damit war allerdings nur der erste Schritt getan. Die Karlsruherin Klara Philipp, die für die Zentrumspartei im Deutschen Reichstag saß, bekundete gegenüber der Badischen Presse am Neujahrstag 1928 ihre Betroffenheit bei dem Gedanken an das Fehlen einer Markthalle für die Stadt. Nässe, Wind und Kälte seien nicht nur gesundheitsschädigend, auch der mitgeführte Regenschirm "ist zwar an sich ein höchst nützliches Gerät, aber beim Einkaufen ein arges Hindernis für die Besitzerinnen und für die, mit denen er kollidiert." Sie stimmte damit in den Tenor der Klagenden ein, für die eine Großstadt ohne Markthalle beschämend war.

Planung und Bau der Markthalle an der Kriegsstraße

Mit dem Ankauf des 75.980 qm großen Areals am alten Bahnhof für knapp 2 Millionen RM von der Deutschen Reichsbahn und dem Badischen Landesfiskus Ende Juli 1930 nahmen die Planungen allmählich an Fahrt auf. 1931 standen mehrere Varianten zur Umsetzung des Bauvorhabens im Raum: Ein Bauprojekt sah vor, hinter dem zur Lagerhalle umfunktionierten Empfangsgebäude einige Gleise zu belassen und südlich hiervon die Markthalle mit einer Nutzfläche anzuschließen.

Eine weitere Überlegung legte den Schwerpunkt des Großmarktes, also der Lager- und Verkaufsflächen, auf das Empfangsgebäude. Getrennt durch eine Marktstraße hätte sich dahinter der Kleinmarkt angeschlossen, weiter südlich dann Park- und Bauplätze für Wohnhäuser. Der Stadtratsbeschluss vom 3. Juni 1931 orientierte sich schließlich eng an letzterem Vorschlag. Allerdings änderte ein weiterer Stadtratsbeschluss Anfang Januar 1933 die Baumaßnahme abermals ab. Hiernach diente das Erdgeschoss des Empfangsgebäudes zu Lagerzwecken. Der daran anschließende Großmarkt umschloss den Kleinmarkt, der damals noch zusammen mit dem Großmarkt an einem Standort lag, von drei Seiten. Weitere Lagerräume befanden sich auf der Westseite entlang der Blankenhornstraße.

Die Finanzierung des Neubaus der Markthalle stand unter keinem guten Stern: Von den Kosten in Höhe von 350.000 Reichsmark, sollte der Großteil, nämlich 315.000 RM, über ein Darlehen des Reichsarbeitsbeschaffungsprogramms bestritten werden. Allerdings verweigerte die Gesellschaft zur Förderung öffentlicher Arbeiten in Berlin anfangs die Genehmigung der Kredite. Denn ihre Aufgabe war lediglich die Unterstützung von Tiefbauarbeiten. Der Argumentation der Stadt, es handele sich nicht um einen Hochbau im klassischen Sinne, sondern vielmehr um eine Einrichtung des technisch-wirtschaftlichen Betriebs, schenkte die Behörde keinen rechten Glauben. Hingegen überzeugte die Begründung, die Erstellung der Schutzhalle in Holzkonstruktion fördere das darniederliegende Zimmer- und Forstgewerbe, eher.

Als der Stadtrat kurzfristig entschied, die Außenwände massiv in Backsteinmauerwerk zu errichten, um den Eindruck der Behelfsmäßigkeit zu vermeiden, verletzte er die ausgehandelten Bedingungen. Gegen Kritik wiegelte die Stadt ab, der Grundgedanke der Ausführung in Holzkonstruktion bliebe beibehalten, die Tragkonstruktion ändere sich nicht. Außerdem sei der Holzverbrauch gegenüber dem Vorentwurf lediglich um acht Prozent gesunken. Nach zähen Diskussion sah der Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung davon ab, die Darlehensbewilligung zurückzuziehen - allerdings "nur deshalb, um die Stadt Karlsruhe und das dortige Gewerbe vor empfindlichem Schaden zu bewahren."

Nach Anlauf der Arbeiten stellte der Diplom-Ingenieur Fritz Ewert in der nationalsozialistischen Zeitung "Der Führer" in einem Beitrag zur Markthalle die Vor- und Nachteile des Entwurfs des städtischen Hochbauamtes (HBA) einem eigenen Entwurf in Holzfachwerk gegenüber. Dieser hob die betonte Dreiteilung des Halleninneren auf und sollte einen einheitlicheren innenarchitektonischen Gesamteindruck bei Verbreiterung des Mittelschiffes vermitteln. Hiermit sollte "das dringende Bedürfnis der nationalen Verbände und Formationen, SA, Arbeitsdienst, Hitlerjugend, Stahlhelm" sowie von Sportvereinen nach einer Unterbringung bei sportlichen Veranstaltungen im Winter gestillt werden. Gegen diesen Vorschlag brachte das HBA Einwendungen vor, obwohl es den monumentaleren Charakter würdigte: Ohne Erweiterungsmöglichkeiten und unter technisch ungünstigen Voraussetzungen mit Mehrkosten von 14.000 bis 16.000 RM riet die Behörde davon ab, die Bauarbeiten, die bereits in vollem Gange waren, zu stoppen. Am dringendsten standen der Doppelnutzung als Markt- und Sporthalle Hygienegründe entgegen. Denn die Gerüche der verkauften Lebensmittel wie Fische, Käse usw. fanden dort Verbreitung, "wo sich die Lungen junger Menschen weiten sollen". Diesen Ausführungen schloss sich der Bauausschuss der Stadt Karlsruhe an und lehnte Begehrlichkeiten des Sonderkommissars des Obersten SA-Führers für Baden zur Nutzung der Halle zu Sportzwecken für die SA und der Stahlhelm-Ortsgruppe ab. Das Richtfest am 5. Dezember 1933 gerierte sich als Propagandaveranstaltung der noch recht neuen Karlsruher NS-Führung. Im September und Oktober 1934 richteten die Nationalsozialisten die zweite Grenzlandmesse in der Markthalle aus.

Blick auf einen Stand des Kleinmarkts in der Karlsruher Markthalle etwa 1955

Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Halle weiterhin bis 1967 als Groß- und bis 1970 als Kleinmarkt. Ihr Ende besiegelten zum einen die zunehmend beengten Räumverhältnisse, der fehlende Gleisanschluss und die vom Lieferverkehr verursachten Verkehrsbehinderungen auf der Kriegsstraße. Ganz wesentlich trug zum anderen dazu bei, dass für das neu zu errichtende Badische Staatstheater der zentral gelegene Platz beim Ettlinger Tor bestimmt wurde.

Eric Wychlacz M. A., Stadtarchiv Karlsruhe

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