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Blick in die Geschichte Nr. 118

vom 16. März 2018

Stadtplanung in Karlsruhe 1975 - 2000 (Teil 1)

Stadterneuerung und Stadtumbau

von Harald Ringler

Der sich seit den 1970er Jahren abzeichnende "städtebauliche Paradigmenwechsel" manifestierte sich in den nächsten Jahrzehnten unter anderem durch den langsamen, aber zunehmenden Bedeutungsgewinn für die Stadterneuerung und den Stadtumbau sowie der Einführung der Bürgerbeteiligung. Das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 hatte in Karlsruhe insbesondere durch die stark beachtete Ausstellung "Die stille Zerstörung" zur vermehrten Auseinandersetzung mit dem baulichen Erbe geführt. Die "Baulandproduktion" hatte weiterhin eine hohe Priorität, insbesondere in den eingemeindeten Stadtteilen. Der starken Stadt-Umlandwanderung wollte man mit dem vermehrten Angebot von Eigenheimgrundstücken begegnen. Die Einwohnerzahl nahm zwischen 1975 und der Jahrtausendwende von 281.745 auf 267.959 ab. Auch die Karlsruher Kommunalpolitik war in diesen Jahren einem starken Wandel unterworfen. 1980 verlor die CDU die absolute Mehrheit im Gemeinderat und die GRÜNEN zogen in das Gremium ein.

Gesamtstädtisch bedeutsame Planungen

Die vielfältigen funktionalen Beziehungen innerhalb der Großstadtregionen erfordern bis heute administrative und planerische Formen der Zusammenarbeit. In Baden-Württemberg führte ein erster Schritt 1974 zur Bildung von Stadt-Umlandverbänden, den Nachbarschaftsverbänden mit der Aufgabe eines gemeinsamen Flächennutzungsplans als Vorbereitung von Bebauungsplänen. 1985 lag für Karlsruhe und den 10 benachbarten Gemeinden der erste genehmigte Plan vor.

Die gesamtstädtische Verkehrsplanung beruhte auf einem, 1982 fertig gestellten, aber nicht beschlossenen Generalverkehrsplan. Die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) spielte dabei eine bedeutende Rolle und entwickelte sich zu einem Erfolgsmodell durch den Ausbau des Schienennetzes innerhalb der Stadt und in die Region. So erreichte die Nordbahn 1986 Leopoldshafen. Sechs Jahre später ermöglichten neu entwickelte Zweisystemfahrzeuge das Befahren der Bundesbahngleise. Damit war auch die Verknüpfung mit dem Straßenbahnnetz möglich. Die zunehmenden Beeinträchtigungen der Wohnquartiere durch den Autoverkehr führten zu "verkehrsberuhigten Zonen" und Tempo-30-Straßen.

Nach 25 Jahren Bauzeit wurde 1988 die 14 km lange Südtangente zwischen dem Zündhütle im Osten bis zum Rhein im Westen fertig gestellt. Die Einhausung des Teilstückes zwischen Beiertheim und Bulach und deren Gestaltung als öffentliche Grünfläche kann aus städtebaulicher Sicht als ein Glanzstück dieses Projektes gesehen werden. Für das Projekt einer Nordtangente als nördliche Umfahrung der inneren Stadt begann mit der Ablehnung der damaligen Planung durch den Gemeinderat 1980 bereits dessen Ende. Planungsrecht existiert seit 1994 nur für den Ostteil, von der Autobahn bis zur Theodor-Heuss-Allee. Die Weiterführung nach Westen bis zur B 36 ist inzwischen obsolet geworden. Die bereits gebaute Straßenbahnbrücke in Neureut über die damals aktuelle Trasse ist nun ein "Denkmal" an ein aufgegebenes Straßenprojekt.

Schild der Initiative gegen die Nordtangente

Sanierungsgebiete und Konversionsflächen

Die Ursache der "Stadtflucht" war nicht nur der Traum vom Eigenheim im Grünen. Das Leben in der inneren Stadt schien vor allem jüngeren Familien mit Kindern nicht sehr attraktiv. Vernachlässigte Altbausubstanz, Belastungen durch den Autoverkehr und nicht zuletzt unattraktive öffentliche Räume bestimmten die Lage in den älteren Quartieren. Langsam führten die Missstände zu politischen Initiativen.

Die Durlacher Altstadt wurde 1984 Sanierungsgebiet. Die wichtigsten Ziele des 20 Jahre andauernden Vorhabens waren die Sicherung und Modernisierung der baulichen Substanz sowie die Neuordnung des öffentlichen Raums im Zusammenhang mit verkehrsberuhigenden Maßnahmen.

Das wohl bisher größte und schwierigste Sanierungsvorhaben Karlsruhes ist für die Altstadt, das "Dörfle", zwischen 1971 und 1994 durchgeführt geworden. Über zwei Drittel der Fläche sind nach dem Abbruch der alten Baustruktur als Blockrandbebauung im Zuge der Flächensanierung neu entstanden. Im östlichen Drittel stehen noch zum großen Teil alte, durch die Objektsanierung modernisierte Gebäude. Diese Substanz erhaltende Art hat heute einen größeren Stellenwert als damals. Die damaligen generellen Sanierungsziele wie die Aufwertung des Quartiers als Teil des Citybereichs und die Schaffung eines innerstädtischen Wohnquartiers wurden trotz vieler organisatorischer, finanzieller und planerischer Schwierigkeiten erfüllt.

1989 startete die Sanierung für die Südstadt. Bis 2005 waren einige erfolgreiche private Maßnahmen zu registrieren wie das Baumeister-Carrée als eine Umwandlung (Konversion) von einer Spedition zum innerstädtischen Wohnquartier.

Ein umstrittenes Projekt für eine Tiefgarage unter dem Gutenbergplatz führte bei der Stadtverwaltung zu weiteren planerischen Überlegungen für das umliegende Quartier. 1997 begann der bis 2006 laufende Sanierungsprozess, erstmals von einem externen Büro für Kommunikation moderiert. Ziel war es auch, die dort lebenden unterschiedlichen Gruppen aktiv in das Projekt einzubeziehen.

Die Konversion von Flächen des Gewerbes, der Industrie, des Militärs sowie der Bahn eröffneten im Betrachtungszeitraum völlig neue Chancen für die Stadtentwicklung. Auf dem ehemaligen Stadtwerke-Gelände, wo 1846 das erste Gaswerk Karlsruhes stand, folgte die Umnutzung in die Nottingham-Anlage als öffentliche Grünanlage mit dem heutigen Theaterhaus, Konservatorium sowie Bauten für Verwaltung und Wohnen.

Das ehemalige Brauereigelände der Firma Binding in der Südweststadt zwischen Karlstraße und Beiertheimer Allee beherbergt seit Anfang der 1980er Jahre die gelungene innerstädtische Wohnanlage "Alter Brauhof".

Die Straßenschlucht der alten Brauerstraße von Norden aus gesehen 1981

Die Verlagerung der Industriewerke Karlsruhe-Augsburg (IWKA) ins Umland war Anlass für vielfältige Planspiele auf dieser ca. 14 ha großen Industriebrache in der Südweststadt. Mit der Erweiterung der Straßenschlucht der Brauerstraße war auch eine Straßenbahntrasse möglich geworden. Der Neubau der Bundesanwaltschaft, der Arbeitsagentur, privater Unternehmen und eines Kinocenters definieren die neue westliche Straßenflucht. Der Hallenbau stellt mit dem Zentrum für Kunst und Medien (ZKM), der staatlichen Hochschule für Gestaltung (HfG) und der Städtischen Galerie ein regionales bzw. internationales Kulturzentrum dar. Mit der Idee für das ZKM und die HfG verbunden war anfangs das 4,6 ha große, ehemalige Bahngelände südlich des Hauptbahnhofs. Denn diese Einrichtungen sollten hier angesiedelt werden, was an den hohen Kosten des Architekturentwurfs des niederländischen Büros OMA scheiterte. Auch in Durlach zeichneten sich in diesen Jahren städtebaulich bedeutsame Entwicklungen auf ehemaligen Industriearealen ab

Für die flächenmäßig größte Konversion einer Bahnfläche in Karlsruhe wurden damals die ersten Weichen gestellt. Der 1991 durchgeführte Städtebauliche Ideenwettbewerb Karlsruhe-Südost-Gottesaue war als planerische Vorbereitung für eine, später verworfene Bundesgartenschau 2001 gedacht gewesen. 1997 schloss das Ausbesserungswerk der Bahn in der östlichen Südstadt seinen Betrieb. Dadurch konnte endlich die Neutrassierung der östlichen Kriegsstraße, heute Ludwig-Erhard-Allee, begonnen werden. Unter der Bezeichnung Citypark entstand südlich davon ein Stadtquartier für ca. 2.500 Wohnungen und eine Parkanlage. Nicht unweit dieses inzwischen fertig gestellten neuen Stadtbausteins begann ab 1997 die Realisierung des Ostaueparks, heute Otto-Dullenkopf-Park. Die Verbindung zwischen den Grünräumen durch zwei Brücken über die Straßen steht leider noch aus. Der Freiraum, die spätere Umnutzung des benachbarten alten Schlacht- und Viehhofs zu einem Kultur- und Gewerbepark sowie der Ausbau der Musikhochschule um das, bis 1989 wieder aufgebaute Schloss Gottesaue führten zu einer völligen Umwertung eines davor genutzten Gewerbe- und Industriebezirks in der Oststadt.

Weitaus größere Flächen als die der Bahn boten nach dem Abzug der französischen und amerikanischen Streitkräfte weitere Potenziale für die Stadtentwicklung. Ab 1991 stand die ehemalige Grenadierkaserne an der Moltkestraße für ein Landesbehördenzentrum zur Verfügung. 1995 verließ das amerikanische Militär Karlsruhe. Noch im selben Jahr nutzte die Stadt Karlsruhe mit dem Kauf des größten Teils der Amerikanersiedlung (Paul-Revere-Village) und des Areals der ehemaligen Forstner-Kaserne einschließlich der Kfz-Einrichtungen (Smiley-Barracks) durch die stadteigene Gesellschaft Volkswohnung diese große Chance. Aufstockungen, Anbauten und die Neubebauung der freigemachten Smiley-Barracks mit unterschiedlichen Haustypen bestimmten in den darauf folgenden Jahren den Wechsel zur zivilen Nutzung. Heute leben dort über 6.500 Menschen im Einzugsbereich einer Straßenbahnlinie und zahlreicher zentraler Einrichtungen.

Dr. Harald Ringler, Leiter des Stadtplanungsamts i. R.

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