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Blick in die Geschichte Nr. 119

vom 15. Juni 2018

Stadtplanung in Karlsruhe 1975 - 2000 (Teil 2)

Die Aufwertung des öffentlichen Raums

von Harald Ringler

Neu im Blick: der öffentliche Raum

Die langsame Hinwendung zur Stadt als Lebensraum zeigte sich auch in Karlsruhe mit der beginnenden Aufwertung des öffentlichen Raums. 1975 beschäftigten sich Studenten der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe mit dem als Parkierungsfläche genutzten Ludwigsplatz. Diese Initiative bewirkte die Umgestaltung zum wahrscheinlich für Karlsruhe ersten, "urbanen" Platz nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der Gestaltung des Marktplatzes gingen intensive Diskussionen voraus. Letztendlich überwog der Wunsch nach einem "steinernen" Architekturplatz, begründet mit Weinbrenners seinerzeitigen Absichten, zu Ungunsten des Vorschlags mit Baumpflanzungen. 1981 präsentierte sich die Mitte der Stadt mit gepflasterten Ornamenten wie den drei unangebrachten "Fensterrosen" aus oberrheinischen Münstern und Schinkel-Leuchten.

Vorschlag des an der Universität Karlsruhe lehrenden Landschaftsarchitekten Prof. Gunnar Martinsson für die Neugestaltung des Marktplatzes mit Sandsteinbelag und Baumreihen

Durch die Fertigstellung der Fußgängerzone zwischen Europaplatz und Kronenplatz im Jahre 1984 wurde die Innenstadt ein attraktives Ziel für Besucher. Auch an der Durlacher Stadtmitte ging diese Entwicklung nicht vorbei. Bereits 1975 konnte die Pfinztalstraße als Fußgängerzone benutzt werden, blieb aber wie in der Kaiserstraße weiterhin mit der Straßenbahn belastet.

Vielfältiges Baugeschehen mit unterschiedlichen Stilen

Die Altstadtsanierung nahm nach einigen Jahren des Stillstandes ab der Mitte der 1970er Jahre an Fahrt auf. Ein Rundblick am Waldhornplatz vermittelt die Unterschiedlichkeit der Nutzungen und der Architektur: vom architektonisch einfachen sozialen Wohnungsbau über das Wohn-, Park- und Geschäftshaus mit den Reihenhäusern auf der obersten Ebene, den benachbarten Verwaltungsbau mit starken Gliederung der Glasfassade, den Stadthäusern auf schmalen Parzellen bis zum sanierten Eckhaus von 1780. Jenseits der Fritz-Erler-Straße liegt das erste Neubauprojekt im Sanierungsgebiet, der Wohnblock nördlich der Gewerbeschule. Seine Architektur, der grüne Innenhof mit der darunter liegenden Tiefgarage, teilweise Geschäfte im Erdgeschoß und darüber liegende Büros sowie ein Kindergarten stellen ein mustergültiges Beispiel innerstädtischen Bauens dar.

Mit der 1985 fertig gestellten Heinrich-Hübsch-Schule am Eingang zum Dörfle hielt die Postmoderne Einzug in Karlsruhe. Mit ihr sind die Ablehnung des reinen Funktionalismus, Zitate aus der Baugeschichte und manchmal Verspieltheit oder Ironie verbunden. Ein "Vorbote" der Postmoderne in Karlsruhe war auch Rob Krier, der nach einem Vortrag von der Stadt Karlsruhe mit einem städtebaulichen Gutachten zur sogenannten via triumphalis beauftragt wurde. Die Ausstellung über den Renaissance-Architekten Andrea Palladio 1981 im Stadtmuseum ist ein weiterer Beleg für das hiesige Interesse am neuen Stil. Die 1998 bezogene Bundesanwaltschaft an der Brauerstraße setzte den Endpunkt dieser Architekturepisode In Karlsruhe. Die Badische Landesbibliothek, die Landeskreditbank am Schlossplatz, das ehemalige Rechenzentrum in der Markgrafenstraße sowie der neue Flügel der Staatlichen Kunsthalle ergänzen die Reihe der großen Projekte dieser Art.

Auf Initiative des Deutschen Werkbundes entstanden im Dörfle Stadthäuser von unterschiedlichen Architekturbüros

Die Mehrheit der im Betrachtungszeitraum errichteten Gebäude vertritt keinen besonderen Baustil. Lochfassaden, verputzt, in Stein oder Beton, Metallfassaden mit Fensterbändern, Flachdach oder Satteldach mit oder ohne Gaupen beleben das Stadtbild. Bauwerke für besondere Nutzungen treten mit speziellen Baukörpern hervor. Von Beginn der 1980er Jahre an sind es vor allem öffentliche Gebäude wie Europahalle und Dragonerhalle, die Gewerbeschule in Durlach oder das Jugend- und Begegnungszentrum in der Altstadt und nicht zuletzt die Stadthalle am Festplatz. Das Neue Ständehaus mit der Stadtbibliothek verdankt seine Existenz letztendlich der öffentlichen Diskussion über eine dem Ort angemessene Nutzung. Heute ist es unvorstellbar, dass dort sogar der Bau eines privaten Ärztehauses angedacht war. Dieser historisch wichtige Bauplatz - hier standen bis 1961 noch die Ruinen des ersten, 1822 eröffneten Parlamentsgebäudes in Deutschland - hatte für Stadt und Land lange Zeit noch keine Bedeutung.

Der Blick in die Zähringerstraße zeigt das Nebeneinander von saniertem Altbestand und Neubau

Die Umnutzung leerstehender Industriebauten nahm zu, 1983 beginnend auf dem Singer-Gelände für das Gründerzentrum Technologiefabrik über den IWKA-Hallenbau als Kulturzentrum bis hin zum ehemaligen Sinner-Lagerhaus in Grünwinkel für die erste Unterbringung der Hochschule für Gestaltung und des Landesdenkmalamtes.

Neue Kirchenräume entstanden für St. Thaddeus in Neureut und St. Margaretha in Wolfartsweier. Die Christuskathedrale des Missionswerkes - gut sichtbar von der Südtangente - sowie die Neuapostolische Kirche in der Karlstraße stellen sich als Großbauten dar. Stadtbildprägend sind die 1988 wieder errichteten Türme der Christuskirche.

Aus den 1990er Jahren stammen zahlreiche größere Verwaltungsgebäude. Genannt seien hier das Victoriahaus am Mühlburger Tor, das Verlagshaus am Mendelssohnplatz und die Badenwerk-Zentrale (heute EnBW) an der Durlacher Allee.

Neben dem damals intensiven Eigenheimbau in den äußeren Stadtteilen entstanden erfreulicherweise auch einige beachtenswerte Wohnungsbauprojekte in der Altstadt und auf dem alten Brauhof. Die "Ökologische Siedlung Geroldsäcker" nahm bereits 1994 später formulierte Anforderungen für die "Nachhaltigkeit" vorweg.

Entwurf und Realisierung der "Ökosiedlung Geroldsäcker" als nördlicher Abschluss der Wohnanlage Geroldsäcker

Baukultur damals

Baukultur umfasst die Gesamtheit der Veränderungen der Umwelt durch den Menschen, also das Bauen von Landschaft, Gebäuden, Verkehrsanlagen, aber auch die dahin führenden planerischen Wege und die demokratische Teilnahme. Legt man im Rückblick auf Karlsruhe zwischen Mitte der 1970er Jahre und 2000 die heute formulierten Anforderungen an qualitätsvolle Baukultur einschließlich der Verfahrenskultur an, so zeigt sich eine positive Entwicklung. Die Zunahme von Wettbewerben ist eines von vielen Indizien. Die Bürgerbeteiligung blieb in Karlsruhe nicht auf dem Niveau einer Pflichtaufgabe. Dabei entstanden Stadtteilkonzepte, die mit umfangreichen öffentlichen Ausstellungen und Diskussionen wie für Beiertheim, Bulach, Neureut, Grötzingen, Wettersbach begleitet wurden. Die mehrere Jahre laufenden Sanierungsverfahren erforderten eine kontinuierliche Begleitung der Öffentlichkeit. Die Moderation zwischen Bewohnern, Betrieben und der Stadtverwaltung übernahmen - der Neutralität wegen - immer mehr externe Fachleute. Sanierungsbüros und Bürger-Workshops ergänzten die Kommunikationsarbeit.

Auch die kommunalen Entscheidungsverfahren Bürgerbegehren und Bürgerentscheid kamen mehrfach zur Anwendung. 1988 verfehlte das Abstimmungsergebnis gegen die Teilbebauung des Kronenplatzes das notwendige Quorum. 1989 lehnte der Gemeinderat zwar das Bürgerbegehren gegen den Hardtwald-Durchstich Nordtangente als nicht zulässig ab. Nach der darauf folgenden Gemeinderatswahl erfüllte sich aber wegen der erfolgten veränderten Mehrheitsverhältnisse das Ziel des Protestes. 1996 stimmten ca. 63.000 Stimmberechtigte - gegenüber 30.000 - gegen das Projekt Stadtbahntunnel. Ein Grund dafür war die Beibehaltung von Straßenbahnlinien in der Kaiserstraße. Nicht erfolgreich gestaltete sich das Begehren "Hände weg vom Festplatz" gegen die Hotelbebauung an der Ettlinger Straße.

Der Blick zurück macht bewusst, dass die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland seit den 1970er Jahren ihre tiefen Spuren auch in der gebauten Stadt hinterlassen haben.

Dr. Harald Ringler, Leiter des Stadtplanungsamts i. R.

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