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Blick in die Geschichte Nr. 120

vom 21. September 2018

Carlsruher Blickpunkte

Vom Fabriktor zum Eingang einer Grünanlage

von Ferdinand Leikam

Wer in Durlach die Weiherhof-Grünanlage von der Marstallstraße aus betritt, schreitet durch ein imposantes Tor aus Buntsandstein. Die Inschrift "Fabrik für Orgelbau H. Voit & Söhne" macht deutlich, dass das Tor früher als Eingang zur Durlacher Orgelfabrik diente. Die Geschichte dieses Betriebs reicht bis 1764 zurück, als Johann Heinrich Stein in Durlach eine Orgelwerkstatt gründete. 1794 übernahm Johann Volkmar Voit den Betrieb. Unter seinem Sohn Heinrich entwickelte sich die Firma in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer international bekannten Orgelbauanstalt. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet das Unternehmen in eine Schieflage, 1932 stellte es seine Produktion ein. Später wurden die Firmengebäude von anderen Betrieben genutzt, ab 1971 standen sie leer.

Ehemaliges Eingangstor zur Durlacher Orgelfabrik H. Voit & Söhne 1980

Alte Stadtpläne zeigen jedoch, dass das Tor heute nicht an seinem ursprünglichen Platz stehen kann. Zum einen befand sich am heutigen Standort früher keine Einfahrt, sondern ein Gebäude. Zum anderen lag das Gelände der Orgelfabrik weiter nördlich; es ersteckte sich von der heutigen Amthausstraße im Westen bis zur Marstallstraße im Osten, im Nordosten wurde es vom damaligen Amtsgefängnis begrenzt. Tatsächlich stand das Tor früher an der Marstallstraße auf Höhe der heutigen Prinzessenstraße und diente als östlicher Eingang zum Firmengelände. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse an der Amthausstraße wurden größere Anlieferungen und Abtransporte hier abgewickelt.

Ab den 1980er-Jahren wurde das Weiherhof-Areal - die ehemaligen Firmengelände der Brauerei Eglau und der Orgelfabrik sowie das Gelände des Amtsgefängnisses - Gegenstand von Planungen für eine städtebauliche Neuordnung. Nach langen, teils kontrovers geführten Diskussionen kristallisierte sich folgendes Nutzungskonzept heraus: Ein Teil der Gebäude der Orgelfabrik im Nordwesten des Areals sollten erhalten bleiben und kulturell genutzt werden. Auf dem Gelände des Amtsgefängnisses und dem östlichen Teil des Orgelfabrikgeländes war der Bau eines Einkaufszentrums vorgesehen. Südlich davon stand mit der Weiherhofhalle und dem Weiherhofbad die Nutzung durch den Sport im Vordergrund. Ganz im Süden des Areals war ein Grünstreifen zur Naherholung vorgesehen.

Mit dem - in der Durlacher Bevölkerung umstrittenen - Abriss des Amtsgefängnisses 1990 war die Voraussetzung für den Bau des Einkaufszentrums geschaffen. Damit stellte sich die Frage, was mit dem in diesem Bereich befindlichen Tor geschehen sollte. Der Bebauungsplan für das Einkaufszentrum sah zwar dessen Erhaltung vor, allerdings an einem "disponiblen Standort". Obwohl der Durlacher Ortschaftsrat 1994 einstimmig beschloss, dass das Sandsteintor am alten Standort erhalten bleiben sollte, musste es letztlich dem Neubau weichen. 1996 wurde es abgetragen, die beim Abbau sorgsam markierten Einzelteile wurden im städtischen Bauhof an der Ottostraße gelagert.

Ehemaliges Eingangstor zur Durlacher Orgelfabrik an seinem neuen Standort seit 2000 gegenüber dem westlichen Zugang zum Schlossgarten im Jahr 2018

An der Frage, wo das Tor wieder aufgebaut werden sollte, schieden sich die Geister. Immerhin waren sich Stadtplaner, Denkmalschützer und Durlacher Ortschaftsrat darin einig, dass es in der Nähe seines ursprünglichen Platzes wieder errichtet werden, erneut die Funktion eines Durchgangs erfüllen und einen Bezug zum Weiherhof haben sollte. Zur Standortfindung baute man ein Lattengerüst mit den Abmessungen des Tores, das dann testweise an verschiedenen Plätzen aufgestellt wurde, wobei - wie die Badischen Neusten Nachrichten berichteten - zwei Mann das Gerüst vorantrugen und die Beteiligten diesem "prozessionsartig" folgten. Dank dieses Hilfsmittels konnte man sich schließlich auf den heutigen Standort gegenüber dem westlichen Zugang zum Schlossgarten einigen. Im Jahr 2000 wurde das Sandsteintor dort aufgebaut. Seit der Fertigstellung der Weiherhof-Grünanlage im Folgejahr kann das Tor seine Funktion als Durchgang - nur einige Meter südlich seines ursprünglichen Standorts - erneut erfüllen.

Der Autor ist Mitarbeiter von Stadtarchiv & Historische Museen der Stadt Karlsruhe.
(Seit 2020 leitet Ferdinand Leikam die Historischen Museen Karlsruhes - Pfinzgaumuseum und Stadtmuseum.)

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