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Blick in die Geschichte Nr. 120

vom 21. September 2018

Aller Anfang ist schwer

Die Karlsruher Stadtverwaltung im 18. Jahrhundert

von Ernst Otto Bräunche

Das Jahr 1718 war ein besonderes in der jungen Geschichte der Residenz des Markgrafen Karl Wilhelm von Baden-Durlach. Drei Jahre nach der Stadtgründung zog der Markgraf in sein soeben fertiggestelltes Schloss. Mit ihm kamen die Staatsdiener, Bedienstete und Militärangehörige aus der vormaligen Residenz Durlach nach Karlsruhe, die - noch nicht gepflasterten - Straßen wurden zunächst nach den Mitgliedern des Hausordens der Treue benannt und - die Stadt bekam eine erste eigene Verwaltung.

Das Modell des Karlsruher Marktplatzes um 1730, das im Stadtmuseum zu sehen ist, zeigt rechts das erste Karlsruher Rathaus von 1728

Aufgaben des ersten Rats der Stadt

Der bereits am 24. März des Jahres von 55 Bürgern gewählte und von Markgraf Karl Wilhelm bestätigte Bürgermeister Johannes Sembach sowie sechs im September gewählte Stadträte tagten erstmals am 24. November des Jahres. Da die "Dringlichkeit der Geschäfte ... nicht sehr groß gewesen zu sein" scheint, ließ sich der Rat also Zeit mit seiner ersten Sitzung. Dessen Aufgaben und Kompetenzen waren zunächst noch nicht schriftlich fixiert.

Erst in den auf Bitten der Stadt gewährten Stadtprivilegien vom 12. Februar 1722 wurden diese umrissen: "Wir gestatten ferner denen Innwohnern zu Carlsruhe hiemit wohlbedächtiglich und wollen dazu beförderlich seyn, daß sie gute ehrbare Policey in ihrem Stattweesen selbst aus ihrem Mittel, doch mit Unserer Landesfürstlichen Ratification, Bürgermeister, Baumeister, Gericht, Rath und aus demselben alle überige zu Erhaltung eines löblichen Wesens nöthige Ämbter ohne Partheylichkeit erwehlen und unter Direction und Aufsicht Unseres jedesmaligen Beambten durch dieselbe allen ihnen selbst und ihren Mitbürgern vorkommende Kauf, Tausch, Testamenten und andere Handlungen, Erbtheylungen, Versorgung derer bürgerlichen Waysen mit tüchtigen Vormundschaften verrichten, zumahlen auch allerhand vorfallende bürgerliche Strittigkeiten erörteren und überhaubt gut Zucht und Ehrbarkeit mit Bestrafung aller vorgehenden Frevel und Muthwilligkeit nach Anleitung und Masgab Unsrer Fürstlichen Landrecht und Ordnungen in prima instantia handhaben und beybehalten mögen."

Zu diesem Zeitpunkt hatten Bürgermeister und Stadträte die nun urkundlich verbrieften Verwaltungsaufgaben schon mehr als drei Jahre übernommen. Dazu gehörte zunächst einmal die Führung der Stadtrechnung, für die bis 1722 im Nebenamt der Oberamtsaktuar Friedrich Christian Lichtenberger zuständig war. Das älteste Dokument der Karlsruher Stadtverwaltung ist ein Rechnungsbeleg vom 1. November 1718. Dort werden die Einnahmen der Jahrmärkte vom 19. Juli und vom 31. Oktober in Höhe von 90 Gulden und 20 Kreuzern aufgeführt. Im Text steht irrtümlich die Jahreszahl 1719.

Rechnungsbeleg vom 1. November 1718, erstes Dokument der Stadtverwaltung

Die Ämter der Stadtverwaltung

Obwohl mit Lichtenberger ein Verwaltungsfachmann gefunden war, wurde die schlechte Rechnungsführung in den Anfangsjahren wiederholt von den markgräflichen Behörden gerügt. Sembach wurde im März 1720 gar eine Strafe von 20 Reichstalern angedroht, wenn sich die Rechnungsführung nicht bessere. Zudem war der Stadtrat für die niedere Gerichtsbarkeit zuständig, wozu die Schlichtung bürgerlicher Streitfälle und die Ahndung geringfügiger Vergehen bis zu einer Strafe von zehn Gulden gehörten. Darunter fielen kleinere Eigentumsdelikte wie Gartendiebstahl oder Verstöße gegen die Vorschriften bei Brot- und Fleischverkauf. Damit verbunden war die Besetzung verschiedener Ämter durch Ratsmitglieder. Nachzuweisen sind folgende Ämter: Almosenpfleger, Baumeister, Billettenschreiber, Brotwieger, Eicher, Feuerbeschauer, Fleischschätzer, Gassenmeister, Kaufhausinspektor, Kirchenrüger, Marktmeister, Quartiermeister, Stadtwachtmeister, Umgelder, Waisenrichter und Weinsiegler.

Da in der Regel für ein Amt jeweils zwei Stellen besetzt wurden, übernahmen die Ratsmitglieder häufig mehrere Ämter. Als der Ratsverwandte Johann Michael Stargard 1754 starb, mussten zum Beispiel ein Almosenpfleger, ein Feuerbeschauer und ein Brotwieger neu gewählt werden. Außerdem hatte der Rat die Pfleger für Waisen und die Gassenmeister zu bestellen, die im Brandfalle die Löscharbeiten in ihren jeweiligen Bezirken leiteten. Er teilte auch die Bedienungsmannschaften der Feuerspritzen ein, für deren Beschaffung er zu sorgen hatte.

Auch die niederen städtischen Dienste durfte der Rat selbst regeln. Er bestellte Bettelvögte, Feldschützen, Nachtwächter, Organisten, Orgeltreter, Stadtknechte, Stadtmessner, Stadttamboure, Totengräber und Viehhirten. Die Vorschläge des Rats wurden stets vom Oberamt bestätigt. In aller Regel übernahmen Karlsruher Hintersassen diese Dienste. Diese durften sich neben den Vollbürgern und den Schutzbürgern ebenfalls in Karlsruhe niederlassen, als Gemeindemitglieder waren sie ebenfalls dem Stadtrat unterstellt. Ihr Status galt nicht auf Lebenszeit, sondern musste regelmäßig gegen die Zahlung einer Gebühr vom Stadtrat erneuert werden. Wohl schon recht früh durfte der Rat über die Annahme von Hintersassen beraten. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts gehörten diese Gesuche zum fast alltäglichen Geschäftsbereich des Stadtrats, wobei die meisten Gesuche - 110 von 119 - befürwortet wurden. Ebenso befasste sich der Stadtrat mit Bittgesuchen Karlsruher Hintersassen um Unterstützung. Häufig handelte es sich um den Erlass von schuldig gewordenen Abgaben, die nach Prüfung der sozialen Lage der Bittsteller meistens bewilligt wurden.

Ein Schwerpunkt der Ratstätigkeit war auch die Genehmigung und Beglaubigung von Vertragsabschlüssen. Hausverkäufe und Obligationen wurden nach der Genehmigung durch den Rat im Kontraktenprotokoll eingetragen. Dies war der eigentliche rechtskräftige Akt, zu dem die Beteiligten zur Unterschrift anwesend sein mussten.

An Einnahmen bekam die Stadt ein Viertel des Ohmgeldes, einer Umsatzsteuer für Bier und Wein, ein Viertel der Strafgelder, fünf Kreuzer für jeden verkauften Zentner Salz, das Standgeld von den Märkten und die Hälfte der Schutzgelder für Hintersassen und Juden. Für besondere Ausgaben wurden Umlagen erhoben, so etwa zur Anlage des städtischen Friedhofes hinter der späteren Konkordienkirche, heute Markplatz, im Jahr 1718.

Vom Wirtshaus zum Rathaus

Die Ratssitzungen fanden in der Anfangszeit in den Wirtshausräumen des Gasthauses Waldhorn statt, das Bürgermeister Johannes Sembach gehörte. Bis zur Fertigstellung eines eigenen Rathauses im Jahr 1728 mietete man auch einen Raum im Hause des Stadtschreibers Friedrich Christian Lichtenberger im Vorderen Zirkel 1 für 18 Gulden jährlich an. Das erste Karlsruher Rathaus stand an der westlichen Ecke des Marktplatzes/Kaiserstraße, wo sich heute ein Café befindet.

Die alltäglichen Geschäfte des Stadtrats waren im 18. Jahrhundert wenig spektakulär. Neue Ratsverwandte wählte der Rat je nach Bedarf selbst dazu, die erforderliche Bestätigung durch das Oberamt traf in der Regel wenige Tage später ein. Die Neuwahl des Bürgermeisters erfolgte ebenfalls durch den Rat in Anwesenheit eines fürstlichen Beamten. Für diese Geschäfte des Stadtrats reichten offensichtlich zunächst sechs Ratsverwandte aus. Zum Vergleich: In der vormaligen Residenz Durlach gab es zu dieser Zeit je zwölf Gerichts- und Ratsherren. Das änderte sich aber rasch, denn noch vor 1725 gab es auch in Karlsruhe zwölf Ratsmitglieder.

Der Zuständigkeitsbereich des Stadtrats wurde noch im 18. Jahrhundert durch die Einrichtung der Polizeideputation wesentlich eingeschränkt. Die neue 1787 begründete Landesbehörde war nun für das Armenwesen, die Lebensmittelkontrolle, die Aufsicht über Gewichte und Maße, Bettler und Fremde und über die Wirtshäuser zuständig. Eine Stadtverwaltung, wie wir Sie heute kennen, entstand dann erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Dr. Ernst Otto Bräunche, Leiter Stadtarchiv & Historische Museen, Stadt Karlsruhe

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