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Blick in die Geschichte Nr. 121

vom 14. Dezember 2018

Biographie Karl Delisle

Die Versorgung der Einwohner boomender Städte mit bezahlbarem Wohnraum bewegte schon am Ende des 19. Jahrhunderts die Kommunalpolitik. In Karlsruhe war es der Eisenbahningenieur Karl Delisle, der tatkräftig und erfolgreich gegen die Wohnungsnot vorging. Er war nämlich überzeugt, man könne "weder mit Paragraphen noch mit Advokaten der Mietsteigerung und dem Wohnungsmangel entgegentreten, sondern nur durch die Erstellung von gesunden, guten und preiswerten Wohnungen." Dabei war dieses soziale Engagement weder durch seine Ausbildung noch durch seine berufliche Karriere, die nicht bruchfrei verlief, vorgegeben.

Karl Delisle (1827 - 1909)

Geboren wurde Delisle am 12. Februar 1827 als Sohn eines Kaufmanns in Konstanz, wo er das Abitur ablegte. Danach studierte er ab 1842 am Polytechnikum in Karlsruhe und bestand 1847 das Ingenieurexamen. Nach der Niederschlagung der Revolution von 1848/49 emigrierte der Anhänger liberaler und freiheitlicher Ideen 1849 in die USA. Nach fünf Jahren Tätigkeit als Kartograph und Eisenbahningenieur kehrte er zurück, arbeitete bis 1859 in Ungarn wie in der Schweiz bei der Bahn, danach trat in den badischen Staatsdienst. 1866 wurde er in Karlsruhe Leiter der Eisenbahnhauptwerkstätte. Hier erlebte er die Not seiner Arbeiter bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum. Deshalb gründete er 1871 eine Baugesellschaft "zur Bekämpfung der Häuserspekulation und der ungerechtfertigten Mietsteigerungen", die in der gerade entstehenden, nahen Südstadt eine Reihe Wohnhäuser errichtet. Möglicherweise führten diese Aktivitäten zu der ungerechtfertigten Beschuldigung, er beeinflusse seine Arbeiter in demokratischem Sinn. Da er in der Folge nicht wie erwartet zum Vorstand der neuen Hauptwerkstätte ernannt wurde, wechselte er 1876 in die Industrie. In der Zeit der wirtschaftlichen Depression blieb ihm dabei aber in Konstanz, Deutz und auch bei Gritzner in Durlach der Erfolg versagt. So kehrte er 1883 in den Dienst der badischen Bahn zurück und wurde in Karlsruhe noch im gleichen Jahr zum Vorstand der Hauptverwaltung des Hauptmagazins befördert. Zwölf Jahre später bat er um Versetzung in den Ruhestand.

Delisles reges Interesse an öffentlichen Angelegenheiten führte ihn Anfang der 1890er Jahre in die Politik. Er wurde Mitglied der neuen linksliberalen Freisinnigen Partei, für die er 1893 in das Stadtparlament und 1895-1899 für den Wahlkreis Rastatt in den Landtag gewählt wurde. In beiden Gremien setzte er sich zusammen mit Oberbürgermeister Karl Schnetzle für den Bau des Rheinhafens ein und stimmte als einziges Mitglied seiner Fraktion für einen umstrittenen Staatszuschuss. Als Befürworter der Feuerbestattung trieb er den Bau des Krematoriums auf dem Hauptfriedhof voran. Dauer- und vorbildhafte Verdienste erwarb sich Delisle aber als Gründer und erster Vorsitzender des Mieter- und Bauvereins, der sich 1897 zum Ziel setzte "Mittel und Wege zu finden, der wucherischen Ausbeutung der Hausbesitzer entgegenzuwirken." Die Bilanz seiner Zeit als Vorstand bis 1907 ist beeindruckend: Es entstanden 47 Wohnhäuser mit 345 Wohnungen.

Am 29. Januar 1909 ist Karl Delisle in Durlach gestorben. Seit 1900 lebte er dort, hat sich als Vorstand der Ortskrankenkasse Verdienste erworben und ließ sich 1905 am Turmberg von dem Architekten Robert Curjel ein heute denkmalgeschütztes Haus errichten. Der Mieter- und Bauverein führt seit einer Stiftung durch Delisles Tochter nach seinem Tod bis heute erfolgreich die Karl-Delisle-Stiftung. 1937 ehrte die Stadt den Vorkämpfer eines sozialen und genossenschaftlichen Wohnungsbaus mit der Benennung der Karl-Delisle-Straße.

Dr. Manfred Koch, Herausgeber/Redaktion "Blick in die Geschichte"

 

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