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Blick in die Geschichte Nr. 121

vom 14. Dezember 2018

Von der Galantherie Schule zum Mädchengymnasium (Teil 1)

Die Anfänge der Institutionalisierung weiblicher Bildung

von Ariane Rahm

Im Jahr 2018 feierten Fichte- und Lessing-Gymnasium die sich zum 125. Mal jährende Gründung des ersten deutschen Mädchengymnasiums in Karlsruhe. Die Stadt war in vielerlei Weise Schrittmacher für die Entwicklung vor allem des weiterführenden Mädchenschulwesens im 19. Jahrhundert. Seine Entwicklung sowie überhaupt die Schaffung eines umfassenden öffentlichen Schulwesens waren dabei eng verbunden mit dem Aufstieg des Bildungs- und Beamtenbürgertums und seiner Idee von Bildung als Kriterium für die soziale Stellung.

Elementar- und Volksschulen

Schon kurz nach der Stadtgründung wurde in Karlsruhe eine Elementarschule eingerichtet. Seit 1757 galt in der Markgrafschaft Baden-Durlach die allgemeine Schulpflicht (im Großherzogtum Baden seit 1803), die Mädchen den Schulbesuch vom 7.-13. Lebensjahr (Jungen bis zum 14.) vorschrieb. 1731 trennte man in der Schule bei der Konkordienkirche die Mädchen durch eine Wand im Zimmer ab und schuf damit quasi die erste Mädchenschule in Karlsruhe. 1830 wurde sie, untergebracht in einem Neubau in der Lindenstraße (heute Kriegsstraße) am Ettlinger Tor, zur I. evangelischen Stadtmädchenschule, einer Volksschule mit erweitertem Lehrplan. Im Gegensatz dazu fand der Unterricht in der seit 1853 in der Markgrafenstraße 28 beheimateten II. evangelischen Stadtschule (später Lidellschule) mit einfachem Lehrplan statt, Mädchen und Jungen waren - wie in den unteren sozialen Schichten üblich - lediglich in den oberen Klassen getrennt. Da die katholische Stadtschule nur Jungen aufnahm, bestand bis 1873 die als Privatschule für Mädchen organisierte Klosterschule in der Waldhornstraße.

Weiterführenden Unterricht nach der Volksschule gab es für ärmere Mädchen nur in sogenannten Vollendungsschulen, in Form der bis 1874 obligatorischen Sonntagsschule sowie der Industrieschule (Spinn- und Strickschule), die vor allem ein Mittel der Armenpolitik war. Es ging weniger darum, Verdienstmöglichkeiten zu schaffen, als die Arbeitsmoral zu fördern. Im 1785 eröffneten Karlsruher Spinnhaus (später Gewerbehaus) in Klein-Karlsruhe richtete 1839 der unter dem Protektorat der Großherzogin Sophie stehende Frauenverein der städtischen Armenkommission die später so genannte Sophienschule ein, die den Mädchen auch einen Lohn für die angefertigten und vom Verein verkauften Waren zahlte. Um 1910 bestand die Sophienschule aus elf Abteilungen in vier Schulhäusern.

Privatschulen

Dieser auf Nützlichkeit hin orientierten Schulbildung stand für bürgerliche Mädchen eine auf die Entwicklung der Persönlichkeit gerichtete und vermeintlich spezifisch weibliche Erziehung gegenüber. Diese sollte ihnen eine verfeinerte Lebensart nahebringen und das ästhetische Gefühl heranbilden. Bildung und Erziehung waren nur ein Übergangsstadium zum eigentlichen Lebensberuf als Hausfrau und Mutter. Aufgrund des anfänglichen Desinteresses des Staates an einer verbesserten Mädchenbildung gab es daher - auch des residenzstädtischen Charakters Karlsruhes wegen - viele Privatschulgründungen. Die erste überhaupt war die 1773 eingerichtete "Galantherie Schule", gedacht eigentlich für Familien der fürstlichen Dienerschaft, doch vor allem besucht von Töchtern bürgerlicher Staatsbediensteter. Die annoncierten Unterrichtsinhalte - Französisch, weibliche Geschicklichkeiten, Geographie, Historie und anständige Sitten - zeigen noch die starke Orientierung des Bürgertums an adligen Vorbildern.

Schülerinnen einer 2. Klasse des Viktoria-Pensionats im Jahr 1901

Wachsendes bürgerliches Selbstbewusstsein und die Konkurrenz der stetig sich verbessernden öffentlichen Schulen prägten zunehmend den Lehrplan der privaten Institute. Doch auch später gab es noch ein Bedürfnis nach vornehmen Mädchenschulen, wie die Gründung des neben dem Institut Friedländer renommiertesten und über Baden hinaus bekannten Viktoria-Pensionats zeigt. Die Schule ging zurück auf die 1880 von der auf dem Gebiet der Mädchenbildung äußerst rührigen Großherzogin Luise in der Waldstraße 56 eingerichteten Viktoriaschule. 1885 wurde das angegliederte Pensionat als eigenständige Anstalt abgetrennt und in der Kaiserstraße 241, ab 1907 bis zu seiner Schließung 1920 in einem eigens errichteten Gebäude am Durlacher Tor (später Sitz der städtischen Kinderklinik) untergebracht. Die Viktoriaschule selbst, ab 1888 in der Amalienstraße 35 beheimatet, hatte schon 1911 geschlossen.

Die Höhere Töchterschule

Exklusive Töchterinstitute waren zunehmend unmodern geworden dank der Expansion des öffentlichen höheren Mädchenschulwesens. Seinen Anfang nahm es in den im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts von bürgerlichen, privaten Vereinen in vielen Städten eingerichteten, als Alternative zu den teureren Privatinstituten gedachten Höheren Töchterschulen. So auch in Karlsruhe, wo 1827 in der Ritterstraße 9 (später 5) die "Schule für Töchter gebildeter Stände in der Residenzstadt Karlsruhe" entstand. Schon früh war aber hier der Stadtrat bereit, diese private Initiative zu unterstützen und so ging, als das erhobene Schulgeld für die Unterhaltung nicht mehr reichte, die Anstalt 1838 als "Höhere Töchterschule" in die volle Trägerschaft der Stadt über und bestand 40 Jahre lang - ab 1870 in einem Neubau in der Kreuzstraße 15 - als erweiterte Volksschule.

Die Aktivitäten des Badischen Frauenvereins

Die in Privatinstituten oder in der Höheren Töchterschule erworbenen Kenntnisse taugten mit ihrer Ausrichtung auf die familiäre Privatsphäre als Vorbereitung für eine Berufstätigkeit nichts, obgleich auch Frauen vor allem des mittleren Bürgertums zunehmend auf Selbstversorgung angewiesen waren. Doch mussten dafür geeignete Betätigungsfelder und Verdienstmöglichkeiten erst geschaffen werden. Vor allem der 1859 gegründete Badische Frauenverein (BFV) nahm hier im Vergleich mit ähnlichen Vereinen in anderen deutschen Staaten eine herausragende Rolle ein. Neben seinen zahlreichen wohlfahrtlichen Aktivitäten förderte er in Form von kostenlosen Kursen für ärmere Mädchen und schulgeldpflichtigen Einrichtungen für eine gehobenere Klientel weibliche Bildung und Erwerbstätigkeit, wobei hier vornehmlich bestimmte traditionell als weiblich geltende Tätigkeiten im Mittelpunkt standen, die nun aber durch Ausbildungen professionalisiert wurden.

Nähunterricht an der Frauenarbeitsschule des Badischen Frauenvereins im Jahr 1911

So baute der Verein etwa ein breites Spektrum von Ausbildungseinrichtungen in textilen und kunstgewerblichen Fächern auf und sorgte etwa durch die 1878 gegründete Frauenarbeitsschule in der Gartenstraße 47 für die methodische Ausbildung von Handarbeitslehrerinnen. Für künstlerisch begabte Frauen unterhielt der BFV eine Kunststickereischule sowie eine - allerdings kurzlebige - Zeichenschule. Und da Kunstakademie und Kunstgewerbeschule keine Frauen aufnahmen, bestand von 1885-1923 die private Malerinnenschule in der Westendstraße, die als Ziele die Bekämpfung des Dilettantismus von weiblichen Künstlern und die Förderung ihrer Erwerbsfähigkeit im Programm hatte. Ein weiteres zentrales Arbeitsfeld des BFV bildete der Haushaltsunterricht. So entstand 1873 die Luisenschule in der Leopoldstraße 61, die erste deutsche Haushaltungsschule als Fortbildungsschule zur Vertiefung der Volksschulkenntnisse sowie zur Vorbereitung auf die eigene Haushaltsführung oder einen gewerblichen Beruf.

Die Gewerbeschule machte allerdings nur wenige Abteilungen Frauen zugänglich und bot unter anderem Buchführungskurse an, so wie auch seit 1865 der BFV. Die Expansion des Berufssektors Handel und Verkehr und das höhere Sozialprestige der Büroarbeit ließen auch bei Frauen die Nachfrage nach Ausbildung im kaufmännischen Bereich steigen, so dass der BFV 1901 seine 1893 eingerichteten Handelskurse in eine Handelsschule umwandelte.

Zwar blieb der Badische Frauenverein in seinem dezidiert bürgerlichen Selbstverständnis den Rollenvorstellungen des 19. Jahrhunderts verhaftet, dennoch unterstützte er durch seine Ausbildungsangebote die Selbständigmachung von Frauen und schuf ein für den Ausbau der weiterführenden Mädchenschulbildung in Karlsruhe förderliches Klima.

Ariane Rahm, Stadtarchiv Karlsruhe

Die Autorin hat die bis Februar 2019 im Stadtarchiv zu sehende Ausstellung über die Mädchenschulbildung in Karlsruhe erarbeitet.

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