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Blick in die Geschichte Nr. 126

vom 27. März 2020

Ein Ort mit herrlicher Aussicht

Das Alleehaus an der Pappelallee Karlsruhe-Durlach

von Peter Güß

Wir lesen in dem "Statististischen Gemälde der Residenzstadt Carlsruhe" von 1815: "In der Mitte der von Karlsruhe nach Durlach führenden Allee ladet den Spaziergänger ein geschmackvolles Wirthschaftsgebäude, das Alleehaus, zur Ruhe und zu Erfrischungen bey einer herrlichen Aussicht ein […] Man überblickt die ganze Linie der die zwey Städte verbindenden Pappeln-Allee, belebt von Wanderern aller Volksklassen. Das Auge schweift durch blühende Felder [...] und im Hintergrund erhebt sich majestätisch der Thurmberg." Von all dem ist nur der Blick auf den Turmberg geblieben. Der Ort ist heute der Parkplatz von Mann Mobilia.

Ansicht und Grundriss des von Christoph Arnold geplanten Alleehauses

1810 - mitten in der napoleonischen Zeit - ließ der Durlacher Christian Wagner an der "Carlsruher Straß" ein Wirtshaus erbauen, das er "Zur guten Heerberg" nannte, das aber bald allgemein als "Alleehaus" bekannt wurde. Architekt war Christoph Arnold, ein dem Klassizismus verpflichteter Mann aus dem Umfeld von Weinbrenner. Das Mittelgebäude verrät den Einfluss von Palladio, dem oberitalienischen Baumeister der Renaissance. Zum Haupteingang führt ein Portikus mit vier Säulen. Dahinter liegt ein Vorsaal mit einer Galerie darüber, vor der ein großes halbrundes Fenster auffällt, ein römisches Thermenfenster. Die bescheidenen Seitenflügel enthalten eine Gaststube, Billardzimmer, kleine Extrazimmer und Wohnräume. Nach hinten erstreckt sich in der Mitte der Tanzsaal, über 16 Meter lang, mit ausgemalter Decke. An seinem Ende tragen vier Säulen eine Galerie für die Musiker. Im Kellergeschoss befinden sich Remisen und Stallplatz für 30 Pferde.

Am Pfingstmontag 1811 fand die Einweihung statt. Sonn- und feiertags sowie dienstags gab es regelmäßig Musik und Tanz. Eine große Rolle spielten auch Lotterien und Preiskegeln. Zu gewinnen war zum Beispiel ein achtjähriges schwarzes Pferd, eine goldene Uhrenkette und eine Auswahl von Meerschaumpfeifen.

Das "Alleehaus" an der Pappelallee um 1820

Einer, der das Haus vom täglichen Vorbeireiten zu seinem Arbeitsplatz kannte, war der Freiherr von Wechmar, Chef des neuerdings in Durlach etablierten Kreisdirektoriums. Der Freiherr weigerte sich, in dem heruntergekommenen Durlacher Schloss zu wohnen, und hatte lieber in Karlsruhe ein Haus gekauft. Auch sah er in Durlach kaum Möglichkeiten, sich abends im Kreise gebildeter Männer zu erholen. Das mondäne Etablissement an der Chaussee entsprach offenbar seinem Geschmack, jedenfalls erwarb er das Alleehaus 1818 und ließ es in den nächsten 20 Jahren von Pächtern betreiben. Diese beklagten sich immer wieder über den unangenehmen Geruch und Geschmack des Wassers aus den Pumpbrunnen am Haus, bis einer schließlich bei sich und seiner Familie beobachtete, dass das Wasser abführend wirkte. Ein medizinisches Gutachten ergab 1831, dass das Wasser reichlich kohlensaures Eisen enthalte, sich mithin zum Trinken wie zum Baden qualifiziere, zumal die Quelle im Unterschied zu der beim Amalienbad klares, helles Wasser fördere. Der Medizinalrat empfahl, pro Morgen bis zu zwölf Gläser davon zu trinken.

Herr von Wechmar ließ zwar einen Trinkbrunnen installieren, war zu weiteren unternehmerischen Aktivitäten aber nicht aufgelegt. Auch sein Sohn, ein Dragonerleutnant, dem er das Alleehaus schenkte, hatte offenbar andere Interessen und verkaufte das Anwesen 1839 an den Mannheimer Geschäftsmann Johann Adam Blind. Der ging sofort mit großem Elan daran, alle Möglichkeiten auszunutzen.

Er ließ ein Quellenhaus und ein Badhaus errichten, eröffnete neben der Restauration einen richtigen Badebetrieb und richtete mit einem "Gesellschaftswagen" einen unentgeltlichen Shuttleservice zum Durlacher Tor ein. Dazu kamen bald darauf eine gedeckte Kegelbahn mit Lusthaus und ein "Schopfen" mit Gartenhaus. Zugleich wurde die Hauptfront dem Zeitgeschmack angepasst: die Säulen wurden in die Wand integriert, und der klassizistische Dreiecksgiebel verschwand. Das Ganze sollte nun nicht mehr Alleehaus heißen, sondern "Silberburg" oder wahlweise "Hotel au Chateau d'Argent".

Trotz allem erwies sich die "Silberburg" keineswegs als Goldgrube. Die Zeiten waren wohl zu ungünstig für eine solche Luxuseinrichtung. Erinnert sei an die Missernten jener Jahre, die Krise von Landwirtschaft und Handwerk, die schließlich in die 1848er Revolution mündete. 1843, das heißt nach nur vier Jahren, verkaufte der enttäuschte Johann Adam Blind das Realwirtschaftsrecht (die Schildgerechtigkeit) samt einer Menge Gaststätteninventar an den Durlacher Schmiedemeister Andreas Schenkel, der damit seine bisherige Bierschenke zu einer veritablen Gastwirtschaft aufmöbeln konnte.

Noch einmal wurde unter neuen Besitzern ein Neuanfang versucht, ganz im Stil der neuen Zeit: 1851 begann im ehemaligen Bad- und Quellhaus die Fabrikation von "Zündhölzchen". Ein separates steinernes Trockenhaus wurde errichtet, und schließlich zog die moderne Technik ein in Gestalt einer Dampfmaschine.

Doch nach zehn Jahren kam das Aus: die nächsten Käufer vermieteten die Gebäude nur noch als Billigwohnraum. Die stadtferne Lage und der daraus resultierende Mangel an polizeilicher Kontrolle führten binnen Kurzem zu einem Zustand, den der Gemeinderat von Durlach 1868 so beschrieb: "Dirnen, verkommene Fabrikarbeiter, Taugenichtse, [...] Existenzen, welche mit Gesetz und Sitte in fortwährender Collision leben, wohnen zu Dutzenden dort in Miete." Im selben Jahr noch erwarb die Stadt Durlach das Anwesen und verfügte sofort den Abriss - nur 58 Jahre nach den hoffnungsvollen Anfängen der ach so idyllischen Gaststätte "Zur Guten Heerberg" alias "Alleehaus" alias "Silberburg".

Dr. Peter Güß, Historiker, StDir. i.R.

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