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Blick in die Geschichte Nr. 129

vom 18. Dezember 2020

Ernestine und Wilhelm von Bevilacqua

Die tragische Geschichte einer badisch-italienischen Verbindung in der Zeit des Risorgimento

von Peter Pretsch

Ernestine Weiß wurde am 20. August 1830 in Heidelberg als uneheliche Tochter des Markgrafen Maximilian von Baden (1796-1882), Bruder des Großherzogs Leopold, und der "Rentiere" Dorothea Weiß (1802-1850) geboren. Diese Verbindung war zu dieser Zeit noch nicht unüblich, hatten doch die Vorfahren Maximilians ebenfalls Mätressen, aus denen uneheliche Kinder hervorgegangen waren. Zuweilen suchten die badischen Monarchen diese Verbindungen durch eine "morganatische" Ehe zu legitimieren, und erhoben die Geliebten und deren Kinder nachträglich in den niederen Adelsstand ohne Erb- und Thronanspruch. Im Falle von Dorothea Weiß unterblieb die morganatische Ehe.

Plan der Gruftenhalle des Alten Friedhofs mit der Grablege von Dorothea Weiß (l.) und der geplanten für die Herzogin von Bevilaqua (r.), um 1858

Maximilian fühlte sich dennoch verpflichtet, für die Mutter und seine Tochter zu sorgen, wie dies Akten im Generallandesarchiv belegen. So übernahm er die Miete für deren Wohnung in Karlsruhe und ihren Lebensunterhalt. Dass er auch emotional an seiner kleinen Familie hing, unterstreicht die Tatsache, dass er einer Feldflur auf seinem Hofgut am Rhein den Namen Ernestinenwiese gab, -vielleicht hatte die Tochter als Kind dort gespielt-, und seiner Geliebten nach deren Tod ein Grabmonument mit persönlicher Widmung in Gedichtform in der Gruftenhalle am alten Friedhof an der Kapellenstraße errichten ließ, das heute dort noch vorhanden ist und bisher ein Rätsel aufgab, warum diese unbekannte Frau neben lauter hochgestellten Persönlichkeiten und badischen Ministern bestattet wurde.

Schon vorher, nämlich 1843, hatte Maximilian seiner damals zwölfjährigen Tochter dazu verholfen, in den Adelsstand aufzusteigen. Sein Bruder Großherzog Leopold erhob Ernestine zur Gräfin von Neuenfels. Ernestine genoss offensichtlich auch eine gute Ausbildung, wie Briefe von ihr, die auf Französisch verfasst sind, belegen. Nach dem Tode ihrer Mutter 1850 war Domänendirektor Robert Helbling zu ihrem Vormund bestellt worden, der für sie entsprechend sorgen musste.

Damit endet die archivalische Überlieferung in Karlsruhe und über das weitere Schicksal der Ernestine von Neuenfels erfahren wir nun etwas aus italienischen Quellen, die der Verfasser mit der Hilfe seiner sprachkundigen Schwägerin auswerten konnte:

Über eine Heiratsvermittlung versuchte der Markgraf 1855 für seine Tochter eine gute Partie in Adelskreisen zu finden. Herzog Wilhelm (Guglielmo) von Bevilacqua wurde darauf aufmerksam gemacht und hielt um die Hand Ernestines an, da er aufgrund ihrer Abstammung auf eine hohe Mitgift hoffte.

"Willhelmo Bevilacqua", Tondo mit Portraitrelief 1854, Nationalmuseum San Marino

Ihr Vater ließ sich dadurch aber nicht abschrecken und wollte seiner Tochter eine Standeserhöhung durch die Einheirat in eine der früher einflussreichsten italienischen Adelsfamilien ermöglichen. Wilhelms Schwester Felicita Bevilacqua war allerdings wenig begeistert von der Verbindung ihres Bruders mit einer "principessa tedesca", zumal diese auch noch zweifelhafter und damit nicht standesgemäßer Herkunft zu sein schien.

Felicita und ihre ganze Familie hatten außerdem gegen die österreichische Besatzung ihres Heimatlandes im ersten italienischen Einigungskrieg gekämpft. Nach dem Wiener Kongress war nämlich das Königreich Lombardo-Venetien entstanden, das in Personalunion vom Kaiser von Österreich regiert wurde. 1848 hatte die Bevölkerung gegen diese Herrschaft rebelliert und wagte unter Führung des Königreichs Piemont-Sardinien den Aufstand und den ersten Versuch einer Staatsgründung Italiens. Die Aufständischen wurden jedoch von den Truppen des österreichischen Feldmarschalls Radetzky zurückgeschlagen. Dabei wurde auch die seit dem 14. Jahrhundert bestehende Stammburg der Bevilacquas bei Verona niedergebrannt. Der Vater der Geschwister, Allessandro Bevilacqua kam dabei unter ungeklärten Umständen ums Leben und seine Asche soll von den gegnerischen Truppen in alle Winde zerstreut worden sein. Seine Frau Carolina Santi starb ein Jahr später an einer Infektionskrankheit wohl aufgrund der nun eingetretenen Notlage der Familie. Ihr zweiter Sohn Girolamo war 1848 als Kavallerieleutnant der Armee des Königreichs Piemont-Sardinien im Kampf gegen die österreichischen Truppen bei dem Ort Pastrengo gefallen. Seine Schwester Felicita hatte damals versucht, den verwundeten italienischen Soldaten in einem von ihr gegründeten Krankenhaus zu helfen.

Nach dieser Tragödie und dem Ruin der Familie, versuchte ihr Bruder Wilhelm wohl wieder Anschluss an die Mächtigen zu gewinnen und sich den herrschenden Verhältnissen anzupassen. Dazu versuchte er seinen Adelsstand aufzuwerten und erwarb zunächst 1851 den Adelstitel Herzog vom Großherzogtum Toskana, das damals ebenfalls ein Vasallenstaat von Österreichs war. Im Stammbaum der weit verzweigten Familie war dieser Titel allerdings schon vorhanden gewesen und konnte in der Erbfolge angetreten werden. Wilhelm wurde aber nun offensichtlich dazu gezwungen, seinem Titel entsprechend für eine angemessene Repräsentation zu sorgen. Dazu erwarb er einen großen Palast am Canale Grande in Venedig, dessen Kauf und Renovierung er mit einem österreichischen Darlehen finanzieren musste. Venedig stand nach der Niederschlagung der 1848 ausgerufenen Republik von San Marco, die auch mit Bombardierungen von Heißluftballons aus der Luft verbunden gewesen war, ebenfalls wieder unter der Herrschaft der Habsburger und die beschädigten Gebäude sollten mit der Hilfe des italienischen Adels wiederaufgebaut werden. Schon vor 1848 hatten die Habsburger nämlich dort fünf Millionen österreichische Lire in den Bau und die Instandsetzung von Brücken und Straßen investiert.

Mit den geschilderten Investitionen war verbunden, dass die Familie Bevilacqua nun hoffnungslos verschuldet war, hatte sie doch auch ihre zerstörte Stammburg bei Verona, die heute ein Hotel beherbergt, wiederaufzubauen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Herzog Wilhelm nun nach einer guten Partie Ausschau hielt, wozu ihm auch sein neuer Titel verhelfen und die ihn aus seiner finanziellen Misere befreien sollte. Und Markgraf Maximilian war tatsächlich bereit dazu. Er setzte einen Ehevertrag auf, der die Zusicherung einer Mitgift mit der fürstlichen Summe von 1,5 Millionen österreichischen Lire enthielt, aus der der Bräutigam seine Schulden bezahlen konnte aber auch eine angemessene Apanage für seine Ehefrau und sich selbst erhielt. Außerdem hatte Maximilian seine Tochter nun auch förmlich adoptiert und dies notariell in Karlsruhe beglaubigen lassen.

Außerdem sollte sich das künftige Ehepaar für mehrere Monate in Karlsruhe aufhalten dürfen, und zwar in dem Palais Herrenstr. 1, Ecke Zirkel, das der Markgraf zur Verfügung stellte (nach 1860 Sitz des Handelsministerium, zerstört im Zweiten Weltkrieg, heute Standort der L-Bank).

In einer weiteren Klausel war festgehalten worden, dass die "Wertgegenstände" aus dem Besitz der Familie Bevilacqua, nämlich die Juwelen, die die Braut zur Hochzeit tragen sollte, nach deren Tod an die Familie des Bräutigams zurückgegeben werden mussten. Tatsächlich gab Maximilian die Juwelen erst 1880 an die Bevilacquas zurück. Mit dem Vertrag war jedenfalls auch die Schwester Wilhelms überzeugt worden und die Hochzeit konnte vorbereitet werden.

Offizier der Festungsgarde von San Marino um 1870, im Hintergrund der Burgfelsen, Aquarell aus einem Sammelalbum, New York Public Library

Herzog Wilhelm hatte über seinen Freund Oberst Oreste Brizi aus Arezzo auch Beziehungen zu der kleinen selbständigen Republik San Marino. Er bewog Brizi dazu, ihm für die Hochzeit die Uniform eines Ehrengenerals der Giardia di Rocca des Kleinstaates zu besorgen und machte dafür wohl wieder allerhand Versprechungen, so dass ihm und seiner Braut sogar die Staatsbürgerschaft von San Marino angeboten wurde. Brizi stand in San Marino in hohem Ansehen, da er dort Militärberater war und außerdem einige historische Abhandlungen über den Kleinstaat geschrieben hatte. Er war auch bereit dazu, mit einer kleinen Delegation aus San Marino an der Hochzeit teilzunehmen. Am 16. April 1856 verfasste er ein Huldigungsschreiben des Kleinstaates an das Brautpaar, den neuen Festungsgeneral Herzog Wilhelm von Bevilacqua und seine künftige Gemahlin Ernestine von Neuenfels, Tochter Maximilians von Baden und der "Baronessa di Weiß", wie es hieß, und begrüßte beide als neue Staatsbürger von San Marino.

Die Hochzeit fand dann tatsächlich am 26. April 1856 "in hiesiger katholischer Gemeinde" statt, wie das Karlsruher Tagblatt in einer kurzen Notiz berichtete. Im Ehevertrag war noch festgehalten worden, dass die Ehefrau evangelisch bleiben durfte, während die künftigen Kinder katholisch erzogen werden sollten. Kaum war die Trauung in St. Stephan in Karlsruhe vollzogen, reiste die Hochzeitsgesellschaft schon wieder ab, denn die Hochzeitsfeier sollte noch am gleichen Tag abends in Basel stattfinden, und zwar in dem mondänen Hotel zu den drei Königen, das heute noch besteht und schon Kaisern und Königen als Quartier gedient hatte. Dort spielte wohl auch die kleine Militärkapelle aus San Marino auf. Diese Aufteilung der Feierlichkeiten in den doch weit entfernten Städten an einem Tag war wohl nur möglich gewesen, weil im Jahr zuvor die Rheintalstrecke der Eisenbahn aus Karlsruhe bis Basel fertiggestellt worden war.

Canale Grande mit Palazzo Pesaro (links), 1851-1898 Besitz der Familie Bevilacqua, Gemälde um 1730, Foto: Alte Pinakothek München

In Venedig lebte das Paar nun in seinem neuen Palazzo und versuchte, gesellschaftlich in den dortigen italienischen Adelskreisen Fuß zu fassen. Das gelang offensichtlich nicht, da man den Herzog und seine deutsche Gemahlin als Emporkömmlinge von österreichischen Gnaden ansah und sie gesellschaftlich schnitt. In San Marino war man dem Paar dagegen gewogener, obwohl der Herzog die Rechnung für seine Generalsuniform und die Hochzeitsmusik dort niemals beglich. Für den dortigen Sitz der Regierung hatte er aber ein Rundbild mit seinem Portrait anfertigen lassen, das heute im Nationalmuseum von San Marino verwahrt wird, und einen Entwurf für den Ritterorden geliefert, der seit 1859 in San Marino verliehen wird. Dass das Paar deswegen San Marino auch öfters besuchte, ist naheliegend.

Bereits ein Jahr nach der Hochzeit erkrankte Herzog Wilhelm schwer und starb am 12. Juni 1857 im Alter von 32 Jahren in seiner Stammburg Bevilacqua. Seine Gattin Ernestine und die Schwester Felicita wurden in Venedig benachrichtigt, der Vater holte Ernestine am 28. Juni 1857 in Venedig ab, um sie nach Karlsruhe zu bringen. Sie selbst war an Unterleibsschmerzen erkrankt und nahm wahrscheinlich nicht mehr an der Beerdigung ihres Gatten in San Marino teil. Ende 1857 schrieb sie an ihre Schwägerin auf Französisch: "Ich weiß, dass er mich nie geliebt hat. Ich will ihm aber vergeben und will versuchen, ihn in Erinnerung zu behalten, als ob er mich geliebt hätte".

Am 29. Dezember gebar Ernestine mit Kaiserschnitt einen Sohn, der zwar noch auf den Namen ""Wilhelm Maximilian Ernst" getauft wurde, aber wenige Stunden später verstarb. Auch Ernestine überlebte die Geburt und die Operation nicht. Sie starb am 7. Januar 1858 in Karlsruhe und wurde auf dem alten Friedhof in der Gruftenhalle beerdigt. Ihr Grabstein ist leider bis zur Unkenntlichkeit verwittert, so dass er heute nicht mehr lokalisierbar ist. In Karlsruhe ist die badische Herzogin von Neuenfels-Bevilacqua damit völlig aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden, sieht man einmal von dem Flurnamen "Ernestinenwiese" in Maxau ab. In Italien erging es ihrem Ehegatten nicht viel besser. Wenigstens existiert im Gegensatz zu seiner Gemahlin ein Portrait von ihm.

Die Schwester und Schwägerin Felicita Bevilacqua wird aber heute noch als Widerstandskämpferin gegen die Fremdherrschaft Österreichs in Italien gefeiert. Noch 1857 hatte sie Guiseppe la Masa, einen Weggefährten und General Garibaldis, geheiratet. Beide bewohnten auch nach der Unabhängigkeit Italiens den Palast am Canale Grande, den Herzog Wilhelm ursprünglich erworben hatte. 1898 stiftete Felicita den Palast der Stadt Venedig, die hier eine Galerie für moderne Kunst einrichtete. Seitdem sind sie und ihr Gatte mit Büsten und Inschriften als Stifter an der Fassade verewigt.

Dr. Peter Pretsch, Leiter des Stadtmuseums Karlsruhe i. R.

Literatur: Fritz Hirsch, 100 Jahre Bauen und Schauen, Bd. 2, Karlsruhe 1932, S. 304-308; Vittorio Cavazzocca Mazzanti: Il Duca Guglielmo Bevilacqua e il pittore Pietro Tonnini, Verona 1936; Felicita Bevilacqua la Masa - Una donna, un'institutione, una città (Fondacione Bevilacqua La Masa), Venezia 2005.

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