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Blick in die Geschichte Nr. 132

vom 17. September 2021

Biographie Erna Döbele

Erna Döbele (1915-2001)

Ob Erna Döbele an den Zufall geglaubt hat, ist nicht überliefert. Aber als sie Gedichte von Johann Peter Hebel las und dabei bemerkte, dass sie am selben Tag wie der von ihr verehrte Hebel Geburtstag hat, "da war es soweit", schreibt Mundartkenner Markus M. Jung aus dem Kleinen Wiesental: Erna Döbele publizierte ihre Mundartgedichte "E Stube voller Sunneschii". Sie waren ein voller Erfolg.

Aber: Was hat die Dichterin Döbele mit Karlsruhe zu tun, außer eben via Hebel, der etwa 150 Jahre vor ihr geboren wurde? Schließlich gibt es in der Fächerstadt keine Straße, nicht einmal eine Sackgasse, die nach ihr benannt ist. Auf dem Schirm hat man sie nicht.

Erna Döbele wurde am 10. Mai 1915 als Erna Josefa Horadam, Tochter der Luise Horadam und deren Ehemann Heinrich, in Karlsruhe zuhause in der Sofienstraße geboren. Der Vater, Steinschleifer, starb früh, die Mutter am fünften Geburtstag Ernas 1920. Wo und wie Erna, deren Mutter zuletzt in der Lessingstraße lebte, Kindheit und Schulzeit verbrachte, ist nicht dokumentiert. Mit 18, so weiß Jung, der viele Gespräche mit der stets lebensbejahenden, musikalischen und positiv denkenden Erna im Rahmen der Recherche zu einem Theaterstück führte, sei sie zum ersten Mal "von Karlsruhe zu ihrem Liebsten nach Murg" an den Hochrhein gefahren. Bereits vor der Hochzeit 1936 verlor sich ihre Spur in der Fächerstadt.

Sie findet sich wieder, in Säckingen, am 8. Mai 1945: Erna Döbele, Luftschutzsachbearbeiterin und daher im Besitz eines Telefons, erfuhr von der bevorstehenden Erschießung von 96 polnischen Gefangenen in einer Kiesgrube in der Nähe von Rheinfelden. Kreisleiter Johann Bender, zu dem sie geführt wurde, nachdem sie im Säckinger Rathaus-Innenhof gegen die Erschießung lautstark protestiert hatte, war von ihren mehr als eindringlichen Worten und ihrem resoluten Auftreten beeindruckt. Sie appellierte an Benders Gewissen - durchaus in Hebels Sinn für aufrechtes Dasein und Gottesfurcht - und die Ehrfurcht vor dem Leben. Erfolgreich. Die Polen wurden freigelassen, Erna Döbele allerdings verhaftet. Doch ein Pole verhalf ihr zur Flucht und der Murger Bürgermeister Grass schützte sie bis zum nahen Kriegsende vor der drohenden Haft. Ihr Eingreifen wurde 1991 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und wenig später auch mit dem Kavalierkreuz des Verdienstordens der Republik Polen gewürdigt.

Von diesem 8. Mai erzählte Erna Döbele wohl noch ihr Leben lang, berichteten ihre drei Kinder. Sie starb im Juli 2001 in Murg. Dem Journalisten Martin Schley gab sie für S4 Radio Breisgau 1992 ein Interview, in dem sie schilderte, was sich 1945 abspielte. Und Markus M. Jung schrieb das Theaterstück "Erna Döbele", das 2009 in Herrischried (im oberen Murgtal) uraufgeführt wurde. Bis in ihre Geburtsstadt ist ihr Ruf allerdings (noch) nicht wirklich gedrungen.

Harald Schwiers, Schriftsteller, Journalist

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