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Blick in die Geschichte Nr. 132

vom 17. September 2021

Spurensuche

Jüdische Künstler und Künstlerinnen in Karlsruhe

von Ursula Merkel

Ellen Auerbach, Richard Fuchs, Liselotte Grschebina, Hilde Hubbuch, Hanns Ludwig Katz, Fritz Landauer, Gustav Wolf: Diese Namen stehen stellvertretend für die große Zahl der Kunstschaffenden jüdischer Herkunft, die am Kulturleben in Karlsruhe vor 1933 maßgeblich beteiligt waren, viele von ihnen sogar als Pioniere auf ihrem Gebiet. Doch heute sind die meisten weitgehend vergessen, denn mit Beginn des nationalsozialistischen Terrorregimes wurden sie systematisch ausgegrenzt, diskriminiert, in die Emigration gezwungen oder verschleppt und ermordet. Unter dem Titel "Verborgene Spuren. Jüdische Künstler*innen und Architekt*innen in Karlsruhe 1900-1950" erinnerte nun die Städtische Galerie Karlsruhe mit einer umfangreichen Ausstellung an den jüdischen Beitrag zu Kunst und Architektur in der Fächerstadt.

Vielfältige Verbindungen mit Karlsruhe

Im Mittelpunkt standen 24 Künstler und Künstlerinnen, Fotografinnen und Architekten, die ursprünglich aus Karlsruhe stammten, hier ihre Ausbildung absolvierten oder entscheidende Schaffensjahre verbrachten. Die meisten von ihnen kamen aufgrund des breitgefächerten Studienangebots nach Karlsruhe und besuchten die Kunstgewerbeschule, die Kunstakademie, die Malerinnenschule oder die angesehene Architekturfakultät der Technischen Hochschule. Die Exponate - Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Skulpturen, Fotografien, Architekturpläne und historische Dokumente - konnten trotz aller Verluste anschaulich vermitteln, wie facettenreich die Beziehungen jüdischer Kunstschaffender zur Stadt gewesen waren. Auch untereinander bestanden vielfältige Kontakte, vor allem durch die gemeinsame Ausbildung. Besonders enge Verbindungen mit Karlsruhe hatten Gustav Wolf und Hanns Ludwig Katz, die beide als Maler und Grafiker tätig waren.

Gustav Wolf, Selbstportrait, um 1933, Städtische Galerie Karlsruhe

Gustav Wolf - Schöpfer visionärer Welten

1887 als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Östringen geboren, erhielt Gustav Wolf bereits während seiner Schulzeit am Bruchsaler Gymnasium Privatunterricht bei der Karlsruher Malerin Emilie Stephan. Auf Ratschlag von Hans Thoma, an den sich die Eltern aufgrund der früh zutage tretenden künstlerischen Begabung ihres Sohnes gewandt hatten, begann Wolf 1904 mit dem Studium der Architektur an der Karlsruher Kunstgewerbeschule. Parallel dazu erhielt er privaten Unterricht bei seinem Mentor Thoma, der ihm sowohl praktische Kenntnisse im Malen und Zeichnen als auch philosophische und kunsttheoretische Einsichten vermittelte. Auf ausgedehnten Studienreisen unter anderem nach Italien, Amsterdam und Paris bildete sich Wolf eigenständig weiter. Bald entstanden die ersten Öl- und Pastellbilder, in denen der junge, unter depressiven Zuständen leidende Künstler seinen bedrängenden visionären Vorstellungen Ausdruck verlieh. Sie zeigen eigenwillig-verschlüsselte, surreal anmutende Traumwelten, die dem Symbolismus nahestehen. Der Hang zum Fantastischen und Visionären blieb in Wolfs Schaffen zeitlebens gegenwärtig, vor allem in den zahlreichen Holzschnittfolgen, die heute zu seinen bekanntesten Werken zählen.

Innerhalb der Ausstellung lag der Schwerpunkt jedoch mehr auf jenen Arbeiten, die bislang noch nie oder nur selten zu sehen waren. Sie wurden als Leihgaben von der Gustav-Wolf-Kunstgalerie in Östringen zur Verfügung gestellt. Dazu gehörten nicht nur Zeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg, die das Grauen auf den Schlachtfeldern eindringlich festhalten, sondern auch zahlreiche Werke, die der Künstler nach seiner Emigration 1938 in die USA schuf. Die Exilerfahrung bedeutete für ihn eine einschneidende Zäsur, eine erzwungene Neuorientierung in einer fremden Welt, in der er nie heimisch werden sollte. In der Radiermappe "Vision of Manhattan" kommen der Verlust von Identität und das Gefühl von Entwurzelung ganz unmittelbar zum Ausdruck. Wenig bekannt sind auch Wolfs Karikaturen von Hitler und seinem engsten Kreis sowie die zahlreichen Zeichnungen, in denen er sich mit den NS-Verbrechen und dem Völkermord an den Juden auseinandersetzte. Sie entstanden teils in der Art dokumentarisch illustrierender Reportagen und in Anlehnung an fotografische Vorbilder, teils in allgemeingültigen Formulierungen und in Metaphern, aber immer in einer Weise, die einen direkten Zugang erlaubt.

Im Sommer 1947 erreichte ihn das Angebot, nach Karlsruhe zurückzukehren und an der wieder eröffneten Kunstakademie erneut - wie schon Anfang der 1920er-Jahre - eine Professur für Grafik zu übernehmen. Dies war ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich, im Dezember desselben Jahres verstarb er im Alter von sechzig Jahren.

Gustav Wolf, Myself, 1941/42 (aus der Radiermappe „Vision of Manhattan“), Gustav-Wolf-Kunstgalerie Östringen

Hanns Ludwig Katz - Expressionist und Maler der Neuen Sachlichkeit

Hanns Ludwig Katz, 1892 in Karlsruhe geboren, war bis zu seiner Übersiedlung nach Frankfurt am Main 1920 eng mit seiner Heimatstadt verbunden. Die Eltern - der Vater war Herausgeber der "Süddeutschen Reichskorrespondenz" und Chefredakteur der "Karlsruher Zeitung", die Mutter Balletttänzerin - förderten früh die musischen Interessen ihres Sohnes. Nach dem Abitur 1912 schrieb sich Katz für zwei Studiengänge in Karlsruhe ein: An der Technischen Hochschule studierte er Architektur und Kunstgeschichte, an der Kunstakademie war er Schüler in der Zeichenklasse von Hans Müller-Dachau, allerdings nur für ein Semester. Seine kunsthistorische Ausbildung setzte er anschließend in Heidelberg, Berlin und München fort, kehrte aber immer wieder nach Karlsruhe zurück, wo er seit 1914 ein Atelier in der Bismarckstraße gemietet hatte.

Aus seiner ersten expressionistischen Phase während der Kriegsjahre und kurz danach haben sich nur wenige Arbeiten erhalten, darunter das in signalhaften Farben gemalte "Männliche Bildnis", das als Plakatmotiv für die Ausstellung ausgewählt wurde. Es steht beispielhaft für den Umgang mit Werken jüdischer Künstler in der NS-Zeit. Seit 1921 befand es sich im Besitz der Karlsruher Kunsthalle. 1937 wurde es beschlagnahmt und in der Münchner Ausstellung "Entartete Kunst" unter der Überschrift "Offenbarung der jüdischen Rassenseele" neben Gemälden von Marc Chagall, Ludwig Meidner und anderen gezeigt. Auf bislang unbekannten Wegen gelangte es später in den Kunsthandel und wurde von Henri Nannen, Verleger, Kunstmäzen und Gründer der Kunsthalle Emden, in den 1980er-Jahren erworben.

Hanns L. Katz, Totentanz von 1919, Das Standgericht/Exekution, 1921, Staatl. Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe

Katz sympathisierte mit der Gruppe um den Schriftsteller und Pazifisten Gustav Landauer, einem der führenden Köpfe der Münchner Räterepublik, der wie der Künstler selbst aus einer Karlsruher jüdischen Familie stammte. Das Porträt Landauers, das Katz kurz nach dessen Ermordung malte, weist deutliche stilistische Übereinstimmungen mit dem "Männlichen Bildnis" auf. So liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Dargestellten ebenfalls um einen der Münchner Wortführer handeln könnte. Möglicherweise ging es dem Künstler aber weniger um die Erinnerung an eine bestimmte Person als vielmehr um ein Symbol des politischen Neubeginns, um eine spannungsreich inszenierte "Ikone der Revolutionszeit". Auch eine "Totentanz von 1919" betitelte Folge von Lithografien, die Katz im Winterhalbjahr 1920/21 in der Druckwerkstatt der Badischen Landeskunstschule Karlsruhe herstellte, legt beredtes Zeugnis ab von der Anteilnahme und inneren Verbundenheit des Künstlers mit den Opfern der blutig niedergeschlagenen Revolution.

Dr. Ursula Merkel, Städtische Galerie Karlsruhe

Ausführlich zum Thema dieses Beitrags informiert reich bebildert der Ausstellungskatalog: Verborgene Spuren. Jüdische Künstler*innen in Karlsruhe 1900-1950. Städtische Galerie Karlsruhe 6. Mai bis 8. August 2021, Petersberg 2021.

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