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Blick in die Geschichte Nr. 133

vom 17. Dezember 2021

Carlsruher Blickpunkte

Relikt einer Erinnerungskultur im Wandel

von Ernst Otto Bräunche

Gedenktafel für Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg

Wer durch die westliche Kaiserstraße geht, wird am Haus Nr. 184 eine offenkundig schon ältere Gedenktafel für Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, den späteren zweiten Reichspräsidenten der Weimarer Republik finden. Diese Ehrung wurde einem Mann zuteil, der heute zurecht als einer der Totengräber eben dieser Weimarer Republik gilt. Die Tafel war noch während des Ersten Weltkriegs am 2. Oktober 1918, am 71. Geburtstag von "Deutschlands bedeutendstem Feldherrn", wie das Karlsruher Tagblatt schrieb, in Erinnerung an Hindenburgs Zeit in Karlsruhe angebracht worden: "In diesem Hause wohnte und wirkte seine Exzellenz Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg als Kommandeur der 28. Division von 1900-1903." Das Kommando der 28. Division befand sich im Haus Kaiserstraße 184.

Schon drei Jahre zuvor hatte die Stadt ihm die Ehrenbürgerwürde verliehen. Damit war Karlsruhe nach Magdeburg die zweite Stadt, die dem später noch vielfach so Geehrten diese höchste Auszeichnung zukommen ließ. 1921 folgte noch die Benennung der Hindenburgstraße. Die von Hindenburg mit zu verantwortende Niederlage im Ersten Weltkrieg verhinderte diese neuerliche Ehrung ebenso wenig wie seine maßgebliche Rolle bei der Entstehung und Verbreitung der Dolchstoßlegende, die in völliger Verkehrung der Tatsachen den demokratischen Parteien die Schuld an der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg gab.

Diese in Deutschland vor 1945 weit verbreitete Hindenburgverehrung wurden nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Karlsruhe revidiert. Das Justizministerium Württemberg-Baden ordnete 1946 die Entfernung der Gedenktafel an, da alles zu vermeiden sei, "was die Aufrichtigkeit und Entschiedenheit der Abkehr von dem nationalsozialistischen Regime in Zweifel ziehen kann". Die Hindenburgstraße in der heutigen Nordstadt hatte schon zuvor en Namen des von Rechtsradikalen 1921 ermordeten Mathias Erzberger erhalten, einer der von Hindenburgs Dolchstoßlegende diffamierten demokratischen Politiker. Anders als die nationalsozialistischen Ehrenbürger der Stadt Adolf Hitler, Walter Köhler und Robert Wagner wurde Hindenburg aber nicht aus der Liste der Ehrenbürger gestrichen.

Im September 1954 beantragte nun der in Karlsruhe gebürtige und dort wohnhafte Generalmajor a. D. Helmut Bachelin - erfolglos - die Rücknahme der Umbenennung. Als sich aber im Jahr 1957 die Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Soldatenverbände an das für das Gebäude zuständige baden-württembergische Justizministerium wandte, hatte man nun keine Bedenken mehr. Die Soldatenverbände hatten darauf hingewiesen, dass die "alten Soldaten … schon immer lebhaft bedauert" hätten, "daß sich dieses Erinnerungszeichen an einen verdienten Soldaten und Ehrenbürger der Stadt Karlsruhe nicht mehr an der alten Stelle befinde." Auch der Kameradendienst der 35. Infanterie-Division, von der heute bekannt ist, dass sie maßgeblich an Verbrechen der Wehrmacht beteiligt war, hatte sich an das Justizministerium gewandt. Daraufhin fragten Finanzminister Karl Frank und Oberlandesgerichtspräsident Max Silberstein bei der Stadt Karlsruhe an, ob sie mit der Wiederanbringung an dem Haus in ihrer Hauptstraße einverstanden sei. Beide erhielten von Oberbürgermeister Günther Klotz die Antwort, dass er nichts einzuwenden habe. Die Tafel wurde nach dieser Zustimmung vor dem 1. September 1958 ohne eine offizielle Veranstaltung und ohne Presseresonanz wieder angebracht und hängt heute noch an dem inzwischen nach § 2 des Denkmalschutzgesetz als Kulturdenkmal eingestuften Haus. 2018 annullierte der Karlsruher Gemeinderat in einem symbolischen Akt die Ehrenbürgerschaft vor allem wegen Hindenburgs Rolle in der Endphase der Weimarer Republik.

Dr. Ernst Otto Bräunche, Herausgeber/Redaktion "Blick in die Geschichte"

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