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Blick in die Geschichte Nr. 134

vom 18. März 2022

Der Rechtsstaat im Mittelpunkt

Die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte des Forums Recht

von Ana Kugli

"Wir leben in einer Ordnung, die nicht auf dem Recht des Stärkeren basiert, sondern auf der Stärke und der Unabhängigkeit des Rechts." Dieses Zitat des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck beschreibt den Kern des Rechtsstaats. Einen Ort, der die Errungenschaften sowie die Herausforderungen des demokratischen Rechtsstaats in den Mittelpunkt stellt, gibt es bislang in Deutschland nicht. Aber er ist im Entstehen: in Form des Forums Recht in Karlsruhe. Dies soll ein Erlebnis- und Diskussionsort werden, an dem Interessierte erfahren, wie der Rechtsstaat entstanden ist, was ihn ausmacht, wie er funktioniert und warum er eine unabdingbare Voraussetzung für all die Freiheiten darstellt, die die Menschen an einer demokratischen Gesellschaft schätzen.

Den ersten Anstoß zu einem Forum Recht setzte ein privater Initiativkreis aus der Mitte der Karlsruher Gesellschaft. Über mehrere Jahre arbeitete dieser ehrenamtlich darauf hin, die Idee eines lebendigen Forums zum Thema Recht und Rechtsstaat Wirklichkeit werden zu lassen.

Blick auf das Bauareal für das Forum Recht beim Bundesgerichtshof

Zwei Initiativen mit einer Vision

Ausgangspunkt der Initiative war die Karlsruher Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt 2010. Ein Projektteam um Kulturbürgermeister Ullrich Eidenmüller, dem auch Elke Susanne Sieber und Daniel Wensauer-Sieber angehörten, entwickelte damals die Bewerbung rund um das Thema Recht. In diesem Zuge entstand die Idee eines "Europäischen Hauses der Gerechtigkeit", das als interaktives Museum konzipiert war. Nachdem Karlsruhe den Zuschlag als Kulturhauptstadt nicht bekam, geriet diese in Vergessenheit.

Szenenwechsel. Gute zehn Jahre später war die Relevanz, über Demokratie zu sprechen, spürbar gestiegen. Die politischen Entwicklungen in Ungarn, Russland, Polen, in der Türkei und später auch in den USA zeigten ebenso wie der wachsende Populismus im eigenen Land, dass das Wissen über den Rechtsstaat und seine Errungenschaften für viele in Deutschland offenbar nicht mehr selbstverständlich war. Es sollte einen Ort geben, der Recht und Rechtsstaatlichkeit interaktiv erlebbar macht, dachten sich Elke Susanne Sieber und Daniel Wensauer-Sieber. Am 16. März 2015 luden sie einen kleinen Kreis ehemaliger Mitstreiter und Unterstützer aus der Kulturhauptstadtbewerbung zu sich ein. Zum ersten Ideenaustausch kamen neben Ullrich Eidenmüller Günther Hirsch, ehemaliger Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH), Rechtsanwalt Christian Kirchberg sowie Karl-Dieter Möller, ehemaliger Leiter der ARD-Rechtsredaktion (sowie später Norbert Gross, Rechtsanwalt beim BGH). Der Kern des Initiativkreises zum Forum Recht hatte sich gefunden. In regelmäßigen Treffen im privaten Umfeld gewann die Idee an Gestalt.

Unabhängig davon arbeitete die ukrainische Studentin Emiliya Mykhaylyuk seit 2014 an der Architekturfakultät des KIT an einer Masterarbeit mit dem Thema "Forum der Menschenrechte auf dem Gelände des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe". Der Leiter des Staatlichen Hochbauamts, Wolfgang Grether, brachte die Idee ein, das Forum auf dem BGH-Areal am Karlstor zu platzieren, den alten Sitzungssaal zu integrieren und ein BGH-Besucherzentrum zu planen. Emiliya Mykhaylyuk bezog diesen Vorschlag in ihre weitere Arbeit ein. Im Frühjahr 2015 präsentierte sie ihr Konzept (nach Vermittlung durch Wolfgang Grether) bei der Präsidentin des BGH, Bettina Limperg, bei Oberbürgermeister Frank Mentrup und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Andreas Voßkuhle.

Als sich der Initiativkreis wenige Wochen später mit Oberbürgermeister Mentrup traf, um über das eigene Vorhaben zu berichten, erwähnte dieser die Masterarbeit Mykhaylyuks. Der Initiativkreis begriff sofort die Chance, die sich auftat. Im Oktober 2015 tauschten sich die beiden Initiativen erstmals im BGH aus und beschlossen, den Weg fortan gemeinsam zu beschreiten. Bis zum Ende des Jahres 2015 entstand ein erstes Konzept, das das nun gemeinsame Projekt in Grundzügen skizzierte.

Meilensteine auf dem Weg

Inzwischen wurde der Initiativkreis durch das persönliche Engagement aller in Karlsruhe ansässigen juristischen Bundesinstitutionen bereichert. Vom März 2016 an zählten auch das BVerfG in Person der Verfassungsrichterin Susanne Baer, der BGH, vertreten durch Präsidentin Limperg, die Bundesanwaltschaft in Person des stellvertretenden Behördenleiters, Bundesanwalt a. D. Rolf Hannich, und Wolfgang Grether zum Initiativkreis. Bald stießen auch Detlev Fischer vom Verein Rechtshistorisches Museum hinzu. Fortan traf sich der ehrenamtliche Initiativkreis regelmäßig im Hause Sieber. Im Austausch mit Hans Walter Hütter, dem Präsidenten der Stiftung "Haus der Geschichte" in Bonn, und Eckart Köhne, Direktor des Landesmuseums Karlsruhe, entwickelte der Initiativkreis im Juli 2016 eine Struktur für machbare Themen und die Herangehensweise.

Im Juli 2016 fühlten Frank Mentrup, Gerhard Strack, Elke Sieber und Daniel Wensauer-Sieber vom Initiativkreis beim Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags vor, ob ein Projekt wie das angedachte auf Unterstützung des Bundestags hoffen durfte. Tatsächlich bewilligte der Ausschuss bereits im November 200.000 Euro für das Jahr 2017. Ein grandioser Erfolg, der zügig weitere Arbeitsschritte erforderte. Eine erste Machbarkeitsstudie sollte entstehen, um die skizzierten Ideen zu überprüfen und ein konsistentes Konzept zu entwickeln. Parallel dazu war es dem Initiativkreis wichtig, die Öffentlichkeit für das Projekt zu gewinnen.

Am 20. Februar 2017 erhielt die Geschäftsstelle offiziell den Namen "Forum Recht". Anfang April konnte der Initiativkreis den finalen Förderantrag für die Machbarkeitsstudie beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) stellen, die im Rahmen eines Wettbewerbs vergeben wurde. Die Entscheidung fiel für die ausführliche Inhaltsskizze der rechtshistorischen Aspekte auf das Institut für Zeitgeschichte (IfZ), München. Die Konzeption zur Gestaltung und Realisierung sollten die beiden renommierten Büros bogner/knoll, Wien, und TRIAD, Berlin, übernehmen. Architekt Wolfgang Grether trug zudem die Baustudie bei.

Die Machbarkeitsstudie konkretisierte die Vorstellung des Forums Recht: Entstehen sollte sowohl ein Neubau in Karlsruhe als auch ein virtueller Diskussionsraum, der ins ganze Bundesgebiet hineinwirkt. Ausstellungen, Diskussionen, simulierte Gerichtsverhandlungen und Gamifikation-Angebote sollten die Besucherinnen und Besucher begeistern und Module entwickelt und erprobt werden, die auch in anderen Städten angeboten werden können.

Grundsätzlich zeigte sich, dass auf dem Areal des Bundesgerichtshofs ein repräsentatives Gebäude mit separatem Haupteingang am Karlstor möglich war. Integriert werden sollte das ehemalige Sitzungssaalgebäude mit seinem historischen Verhandlungssaal, der unter Denkmalschutz steht. An diesem authentischen Ort des Rechts, wo viele wichtige Prozesse - etwa gegen die RAF - geführt worden waren, könnten Gerichtsverhandlungen simuliert oder nachgespielt werden.

Der Verhandlungssaal im 1960 fertiggestellten Westbau des Bundesgerichtshofs an der Herrenstraße

Aus der Idee wird eine Bundesstiftung

Mit der einstimmigen Verabschiedung der Resolution zum Forum Recht im Karlsruher Gemeinderat am 23. Januar 2018 war von Seiten der Stadt der Weg für das Projekt geebnet. Im Februar 2018 verabschiedeten CDU, CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag, in dem das Forum Recht explizit Erwähnung fand. "Ziel ist, den Bürgerinnen und Bürgern den Rechtsstaat im Sinne einer gewachsenen Rechtskultur als unverzichtbaren Teil unseres Zusammenlebens näherzubringen", lautete die entsprechende Passage des Koalitionsvertrages. Zwei Symposien im September und Dezember 2018 boten Raum, inhaltliche Fragen des Forums Recht zu vertiefen.

Der Initiativkreis gründete im Mai 2019 einen Förderverein mit deutschlandweiter Ausrichtung. Seit der Eröffnung des inklusiven "Café Grundrechte" im Mai 2019 am Karlsruher Schlossplatz hat der Förderverein zudem einen Ort, an dem er die Öffentlichkeit kontinuierlich über die Fortschritte seiner Arbeit informieren kann.

Derweil hatte im März 2019 der Deutsche Bundestag das Stiftungsgesetz verabschiedet, das am 17. Mai 2019 in Kraft trat. Alle Fraktionen außer der AfD unterstützten das Forum Recht. Die Stiftung hat die Aufgabe, das inhaltliche und bauliche Konzept sowie dessen Umsetzung voranzubringen. Dem Initiativkreis war damit Außergewöhnliches gelungen: Eine Idee aus der Mitte der Bevölkerung war zu einer Bundesstiftung gewachsen.

Dr. Ana Kugli, Historikerin, wortkultur Bretten

Weitere Informationen unter: https://forum-recht-foerderverein.de/presse-und-medien/dokumentationen/

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