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Blick in die Geschichte Nr. 135

vom 17. Juni 2022

Boxer gegen Jiu-Jitsusportler

Vom Rummelboxen zum Boxsport

von Ernst Otto Bräunche

Vor dem Ersten Weltkrieg war der Boxsport in Karlsruhe allenfalls am Rande ein Thema, obwohl im Jahr 1912, in dem der Deutsche Boxverband in Hamburg gegründet wurde und das als Geburtsjahr des deutschen Amateurboxens gilt, die ersten deutschen Meisterschaften ausgetragen wurden. Es gab zwar einige wenige Zeitungsberichte über den noch jungen Boxsport, der aus England kommend aber erst in der Weimarer Republik Fuß fasste. Auch in den entstehenden Kinos der Stadt wurden englische Boxkämpfe gezeigt, so 1896 in der Kaiser-Wilhelm-Passage. Seit 1919 nahmen die Berichte und Anzeigen dann allmählich zu. Boxer traten bei der Karlsruher Messe (Rummelboxen) auf, im Juli 1920 kamen namhafte Boxer zu einem Ringer- und Boxerwettstreit ins Colosseum in der Waldstraße. Es kam aber auch zu einem Kampf Boxer gegen Jiu-Jitsusportler, den der Jiu-Jitsu-Kämpfer und Sportlehrer Carl Fürst gegen den Boxer Kautzky gewann.

Auch als am 5. Dezember 1920 in Berlin der Deutsche Reichsverband für Amateur-Boxen (DRfAB) entstand, führte dies noch nicht zu einer Vereinsgründung, obwohl zu dieser Zeit schon in einigen Karlsruher Vereinen geboxt wurde. Am 12. August 1920 fand zum Beispiel eine Ring- und Boxkampfveranstaltung im Stadion des Karlsruher Fußballvereins (KFV) vor über 3.000 Zuschauern statt, den der in Karlsruhe schon bekannte Sportlehrer Carl Fürst nicht nur organisiert hat. Er trat auch als Boxer an und siegte gegen Harry Johnson in der sechsten Runde durch K.o. Fürst war 1907 in Karlsruhe auch schon als Ringkämpfer aufgetreten und auch wegen seiner Tätigkeit als Wettkamprichter kein Unbekannter. Der Sportlehrer trat auch in anderen badischen Städten auf und scheint durch Vorträge und Auftritte in verschiedenen Kampfsportarten seinen Lebensunterhalt bestritten zu haben.

Vereinsboxen

Auf Vereinsebene übernahm der 1. Athletik Sportclub Germania-Sportfreunde eine Vorreiterrolle, der anlässlich seines 33. Stiftungsfestes am 19. September 1920 im Veranstaltungssaal der Gaststätte Drei Linden in Mühlburg das bereits seit einiger Zeit vereinsintern betriebene Boxen in der Öffentlichkeit präsentierte. Der Verein organisierte auch die Badisch-Pfälzische Boxmeisterschaft 1921. Darüber hinaus bot der Athleten-Club Einigkeit Mühlburg bei seiner Herbstfeier 1922 Boxen an. Seit 1922 gab es auch eine bis 1925 nachzuweisende Boxkampfschule in der Gaststätte Karlsburg in der Akademiestraße 30, auch ein Indiz für das allmählich ansteigende Interesse am Boxsport.

Erster Boxsportverein Karlsruhe

Neun Boxer der Germania-Sportfreunde gründeten am 9. September 1922 im Restaurant Grünwald den Ersten Karlsruhe Boxsportverein, 16 Jahre nach dem SC Colonia 06, dem ältesten noch aktiven deutschen Boxclub. Erfolge stellten sich bald ein, den ersten Kreismeisterschaften 1923 folgten 1924 zwei Badisch-Pfälzische Meisterschaften. Dennoch stellte die sozialdemokratische Zeitung Der Volksfreund am 18. März 1924 fest, dass es der Boxsport in Karlsruhe nach wie vor schwer habe und der Boxsportverein trotz intensiver Werbung zu seiner Frühjahrsveranstaltung nur zwischen 100 und 200 Interessenten in die Festhalle habe locken können. Die Wettkämpfe zwischen Karlsruher und Pforzheimer Boxern endeten bis auf einen mit einem Sieg der Pforzheimer. Dass sich der badische Kultusminister Willy Hellpach 1924 gegen die Aufnahme des Boxsports in den Sportunterricht ausgesprochen hatte, war dessen weiterer Akzeptanz sicher auch nicht zuträglich.

Stadtmeisterschaften 1925

Im April 1925 veranstaltete der Erste Boxsportverein erfolgreich eine erste Stadtmeisterschaft im Saal des Friedrichshofs, an der alle Interessierten teilnehmen konnten, im November folgte ein Städtekampf gegen Pforzheim. Bei diesem trat Oskar Klebsattel, Gaumeister im Mittelgewicht 1923 und einer der Boxpioniere in Karlsruhe, noch für den Boxsportverein an. Als Klebsattel 1926 zum FC Phönix wechselte, scheint es beim Boxsportverein zu einer internen Krise gekommen zu sein, die aber bald überwunden war. Schon im Jahr 1926 folgte ein erneuter Aufschwung, als der Erste Karlsruher Boxsportverein im Winter 1926/27 die Badisch-Pfälzische Mannschaftsmeisterschaft errang. Unter dem Protektorat des Boxsportvereins schlossen sich alle süddeutschen Vereine zu einer Interessengemeinschaft zusammen.

Faustkampfclub Heros

Seit 1925 existierte auch ein zweiter reiner Boxverein mit Namen Heros in Karlsruhe, der am 25. September 1925 einen Städtekampf gegen Schramberg veranstaltete. 1926 gelang die Verpflichtung des holländischen Internationalen Leo Peter als Trainer. Im folgenden Jahr kamen die frisch gekürten Europameister Jakob Domgörgen, Franz Dübbers und Hein Müller (alle SC Colonia 06) zu Wettkämpfen nach Karlsruhe und auch die Verpflichtung einer französischen Auswahl am 29. Oktober des Jahres sorgte für Aufsehen und trug zur weiteren Verbreitung der Boxidee in Karlsruhe bei. Heros verstärkte sich für diesen Wettkampf mit Boxern aus Ludwigshafen und Pforzheim. Obwohl der Kampf verloren ging, war die Veranstaltung ein voller Erfolg für Heros, der sich damit endgültig neben dem Boxsportverein etablierte.

Boxabteilung des FC Phönix

Als im April 1926 der FC Phönix eine Boxabteilung gründete, stellten sich unter Oskar Klebsattels Leitung rasch der Erfolg ein. Als Trainer unterstützten ihn die beiden "Pioniere des Karlsruher Boxsports H. Kohler und C. Weiß", die zuvor jahrelang das Training des Boxsportvereins geleitet hatten. Die Mannschaften der zwei Karlsruher Boxsportvereine und der Boxabteilung des FC Phönix trugen im September 1928 unter Federführung des FC Phönix nach längerer Unterbrechung wieder eine Karlsruher Stadtmeisterschaft aus, die aber darunter litt, dass der Faustkampfclub Heros nach einem vermeintlichen Fehlurteil nicht mehr weiterkämpfte.

Boxabteilung Sportvereinigung Germania 1887

Im September 1930 entschloss sich auch die Karlsruher Sportvereinigung Germania 1887, wie der Athletik-Sportclub-Germania seit 1925 hieß, eine Boxabteilung einzurichten. Der kurz zuvor erfolgte Zusammenschluss des 1920 gegründeten Reichsverbands für Amateurboxer und des Deutschen Athletiksportverbands von 1891 (DASV) beförderte diese Gründung ebenso wie der Entschluss der Boxer des Vereins Gelbstern zur Germania zu wechseln. Der junge  Boxklub Gelbstern 1927 gehörte zum DASV und hatte noch im März 1930 dessen Meisterschaften für Baden-Pfalz in der Brauerei Kammerer organisiert. Dem als bester Boxer Karlsruhes bezeichneten, aus Durlach-Aue stammenden und zunächst beim 1. Kraftsportverein Durlach boxenden Philipp Kahrmann, Badisch-Pfälzischer Meister von 1926, gelang im Juli ein Sieg gegen den Meister Hans Bernlöhr (Polizei-Sportverein Stuttgart), womit er in die deutsche Spitzenriege aufstieg. 1932 führte der DASV den nun für Germania boxenden Kahrmann im Mittelgewicht unter den besten deutschen Boxern.

Philipp Kahrmann vom Karlsruher Boxclub Gelbstern, Foto aus dem Karlsruher Tagblatt vom 8. Juli 1930

In der Brauerei Kammerer fand der erste Wettkampf der Germania am 27. September 1930 gegen den Boxsportverein statt. Im nächsten Jahr galten allerdings schon die beiden Boxabteilungen der Germania und des FC Phönix als die stärksten Karlsruher Vereine. Noch im Jahr 1931 richtete Germania dem Beispiel großer Boxsportvereine folgend einen Freiluftring auf ihrem Gelände im Wildpark ein, in den sie gleich zwei der führenden deutschen Boxsportvereine einlud, am 19. Juli 1931 die Sportvereinigung Stuttgart, sowie den VFR Mannheim.

An den im Friedrichshof ausgetragenen Meisterschaften für Baden, Pfalz und Saar im folgenden Jahr nahmen aber aus Karlsruhe nur die veranstaltenden Vereine Erster Boxsportverein und der FC Phönix teil, die allerdings bei den Titeln leer ausgingen. Ende 1932 gelang dem Boxsportverein ein Erfolg gegen die stärker eingeschätzten Boxer des Polizeisportvereins Stuttgart. Am Ende der Weimarer Republik hatte sich der Boxsport in Karlsruhe etabliert, ohne dass er schon den hohen Stellenwert wie etwa in Stuttgart oder Mannheim hatte. Die Vereine Erster Boxsportverein, Germania, Heros und FC Phönix dominierten das Boxgeschehen in der Stadt. Ein Jahr nach der nationalsozialistischen Machtübernahme fehlt im Adressbuch 1934 allerdings der Faustkampfklub Heros. Die Vermutung liegt nahe, dass er zu den von den Nationalsozialisten verbotenen Vereinen gehörte, ohne dass dies in den Quellen einen Niederschlag gefunden hätte.

Dr. Ernst Otto Bräunche, Herausgeber/Redaktion "Blick in die Geschichte"

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