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Blick in die Geschichte Nr. 136

vom 16. September 2022

Uneinige Staatsarchivare in Karlsruhe, Stuttgart und Sigmaringen

Das Ringen um Namen und Wappen des Südweststaats

von René Gilbert

Im Frühjahr 1952 kam es zum bis heute einzigen erfolgreichen Zusammenschluss von Bundesländern, nämlich der Fusion von Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zum Bundesland Baden-Württemberg. In diesem Rahmen musste eine Landesverfassung durch die Verfassunggebende Landesversammlung ausgearbeitet werden. Einer der dabei am intensivsten diskutierten Punkte betraf Namen und Wappen des neuen Südweststaats. Nach einem kontroversen Meinungsaustausch einigten sich die Parlamentarier darauf, die Archivare Max Miller (Hauptstaatsarchiv Stuttgart), Hans Dietrich Siebert (Generallandesarchiv Karlsruhe) und Franz Herberhold  (Staatsarchiv Sigmaringen) als Vertreter der Archivverwaltungen in den früheren Ländern Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern damit zu beauftragen, als Sachverständige Gutachten über die Frage des Landesnamens und des Landeswappens zu erstellen. 

Die Positionen des württembergischen und des badischen Staatsarchivs

Am 26. Februar 1952 übersandte Max Miller, in Personalunion ab 1951 Direktor des Hauptstaatsarchivs Stuttgart und Leiter der württembergischen Archivdirektion, Franz Heidelberger, kommissarischer Leiter des Generallandesarchivs Karlsruhe (GLA), ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten über das künftige Wappen des Südweststaats und formulierte deutlich die württembergischen Position: „Das Wappen des Herzogtums Schwaben ist die ideale Lösung der Wappenfrage des neuen Staates. Die schwarzen, rotbezungten und rotbewehrten Löwen in goldenem Schild stellen also ein Wappen dar, wie es glücklicher für den neuen Staat nicht gedacht werden kann.“ Unter Hinweis, dass über das neue Landeswappen erst entschieden werden könne, wenn der Name des neuen Landes festgelegt sei, fiel die Antwort aus Karlsruhe ebenso unmissverständlich aus: „Sämtliche Archivare des Generallandesarchivs haben dieses Wappen abgelehnt.“ Stattdessen plädierte Siebert für ein neues Landeswappen, dass „gemäß seiner Bestimmung genau darstellen [solle], was in Wirklichkeit heute geworden ist und hierfür Symbol [sei], nämlich die Tatsache: die Vereinigung der beiden selbständigen alten Länder Württemberg und Baden zu einem neuen Staatsgebiet, im Rahmen äußerer Grenzen und mit dem landschaftlich längst eingeschlossenen Hohenzollern.“ 

Die beiden deutlich unterschiedenen Entwürfe für das große Landeswappen des neuen Bundeslandes im Südwesten Deutschlands stammen von den Archivaren aus Stuttgart (links) und aus Karlsruhe (rechts).

Am 4. August 1952 einigten sich die Archivare des GLA Karlsruhe auf die Vorschläge zum Namen und Wappen des Südweststaats. Demnach sollte das neue Bundesland „in aller erster Linie als beste und selbstverständlichste Lösung“ Baden-Württemberg heißen, da dieser Landesname „jedem Staatsbürger und dem ganzen Volke des neuen Bundeslandes“ geläufig sei. Außerdem weise Baden-Württemberg „deutlich auf die Vereinigung der beiden bisherigen selbständigen Länder zu einem neuen Bundesland hin, und der Name überbrückt im Volksbewußtsein in bester und befriedigender Weise die aus der Abstimmungszeit bekannt gewordenen Gegensätze.“ Zudem bringe der Name „klar und deutlich das Hoheitsgebiet des neuen Bundeslandes einschließlich der ehemaligen, wenn auch nicht genannten, historischen Staatengebilde zum Ausdruck.“ Für den Fall seiner Ablehnung kam als zweite Möglichkeit die Bezeichnung Oberrheinland als „eine der schönsten, bekanntesten und ältesten Kulturlandschaften Deutschlands“ in Frage. In dritter Präferenz wurde als neutraler Vorschlag Südwestdeutschland genannt, der die geographische Lage des Bundeslandes in den Vordergrund stellt.

Für das Landeswappen schlug die badische Seite vor, „einfache, heraldisch und künstlerisch einwandfreie, aber dennoch in weiten Volkskreisen bekannte, und die Vergangenheit und Gegenwart sinnvoll verbindende Wappensymbole“ zu verwenden. Praktisch bedeutete dies, dass in einem goldenen Schild vorne ein roter, rechter Schrägbalken (Baden), und hinten drei schwarze Hirschstangen (Württemberg) zu sehen sein sollten. Diese Anordnung der Wappenbilder sei „bedingt im Sinne einer besseren und harmonischen Wirkung des Gesamtwappenbildes, da bei einer umgekehrten Zusammenstellung […] der rote Schrägbalken gleichsam aus dem ganzen Wappen heraus[falle] und […] das gesamte Wappenbild in höchst unschöner Weise“ beeinträchtige. Als Schildhalter sollten entweder links ein silberner Greif und rechts ein goldener Hirsch oder zwei goldene Löwen mit roter Zunge und roten Klauen, oder zwei schwarze Löwen mit roter Zunge und roten Klauen verwendet werden. Das GLA sprach sich zudem gegen die Aufnahme einer Krone in das Landeswappen aus. 

Gegen den badischen Namensvorschlag stand das Gutachten von Max Miller aus Stuttgart, das „für die endgültige Bezeichnung des Landes“ den Namen Schwaben vorsah. Hierfür brachte es insbesondere sprachliche und sachliche Gründe vor. So sah er sprachliche Bedenken unter anderem wegen des „gekünstelt[en]“ Namens, der durch den Bindestrich „nur irgendeine Verbindung, etwa eine Addition aus[drückt], aber keine neue Einheit.“ Außerdem seien Bindestrichnamen „zu lang und deshalb zu schwerfällig.“ Aus sachlichen Gründen bemängelte er das fehlende „Neue“ und die nicht sichtbare „staatsrechtliche Einheit“, die durch die Bezeichnung Baden-Württemberg zum Ausdruck komme.

Zudem störte sich Miller bei einer möglichen Entscheidung für Baden-Württemberg vor allem an grammatikalischen Problemen, besonders schwerwiegend seien „die Schwierigkeiten, die sich ergeben, wenn Bindestrichnamen adjektivisch gebraucht werden und flektiert werden müssen.“. In Bezug auf adjektivischen Gebrauch und Flexion stellte er die Fragen: „Soll es heißen baden-württembergisch oder badisch-württembergisch? Bin ich ein Baden-Württemberger oder ein Badener-Württemberger?“ Miller kam daher zu der Ansicht, dass „an kurzen, gutem sprachlichem Empfinden entsprechenden, historisch und staatspolitisch befriedigenden Namen […] in der vielstimmigen Diskussion kein besserer genannt worden [sei] als der Name Schwaben.“ 

Für das Große Landeswappen sollten zum besagten Schild „als Schildhalter zwei schwarze, rotbezungte und rotbewehrte Löwen und eine Krone mit den Wappen von Württemberg, Baden, Hohenzollern sowie Franken und Pfalz oder Schwäbisch-Österreich (Breisgau und Oberschwaben)“ kommen. Dagegen hatte Miller Bedenken bei einem kombinierten Wappen mit gespaltenem Schild, da dieses „weniger die Idee der neuen Einheit, als das noch unausgeglichene Zusammenfügen für sich bestehender Landesteil zu symbolisieren“ scheine. Auch die von badischer Seite vorgeschlagenen Schildhalter Greif (silbern) und Hirsch (golden) wurden wegen ihrer unterschiedlichen Farben, insbesondere aber weil „die Schildhalter sich aus Gründen der künstlerischen Gestaltung voneinander abkehren müssen, [was] ein nicht ermunterndes Symbol für die erstrebte Einheit des Landes“ wäre, als unbefriedigend empfunden.

Die Entscheidung

Trotz aller Bemühungen Millers stimmte die Verfassunggebende Landesversammlung am 22. Oktober 1953 in zweiter Lesung mit 69 zu 26 Stimmen für Baden-Württemberg und gegen Schwaben als Landesnamen. Am 4. November 1953 konnte sich der überparteiliche Antrag, den Namen Schwaben anstelle von Baden-Württemberg in die Landesverfassung aufzunehmen, mit 39 gegen 70 Stimmen nicht durchsetzen. Bei der anschließenden Abstimmung über den Eventualantrag, im Fall der Ablehnung von Schwaben Baden-Württemberg durch Württemberg-Baden zu ersetzen, votierten schließlich 85 Abgeordnete für den bisherigen provisorischen Landesnamen und 21 Abgeordnete für Württemberg-Baden. Damit konnte das GLA Karlsruhe bzw. Baden eineinhalb Jahre nach der Landesgründung in der Frage des Landesnamens einen klaren Erfolg für sich verbuchen.

Am 28. April 1954 verabschiedete der baden-württembergische Landtag das „Gesetz über das Wappen des Landes Baden-Württemberg“. Das Wappen zeigt im goldenen Schild drei schreitende, rotbezungte schwarze Löwen. Im Großen Landeswappen befindet sich auf dem Schild eine Krone mit Plaketten der historischen Wappen von Franken, Hohenzollern, Baden, Württemberg, Pfalz, Franken und Vorderösterreich (v. l. n. r.). Bezüglich des Wappens und der Krone konnte sich somit die württembergische Seite durchsetzen. Da jedoch der Schild von einem goldenen Hirsch und einem goldenen Greif, die rot bewehrt sind, gehalten wird, fand auch ein Wunsch Badens Berücksichtigung.

Dr. René Gilbert, Historiker, Karlsruhe

Eine ausführliche Fassung dieses Beitrags erscheint in der Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 81 (2022).

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