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Blick in die Geschichte Nr. 139

vom 16. Juni 2023

Carlsruher Blickpunkte: Treu an ihrer Seite

Der Pudel von Großherzogin Luise und sein Grabstein an der Grabkapelle

von Christian Katschmanowski

 

Im Frühjahr 2006 führten die Mitglieder der Historischen Karlsruher Bürgerwehr e. V.  Geländearbeiten im Umfeld der Großherzoglichen Grabkapelle durch und stießen an der Südseite der Kapelle vor dem Schwengelbrunnen auf einen halb in der Erde steckenden, ungewöhnlich geformten, großen Steinbrocken mit der Inschrift: "Treu 1901-1917". Der zwischenzeitlich eingelagerte und gesäuberte Stein wurde 2019 den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg übergeben. Bereits unmittelbar nach dem Fund wurde der Stein als ein Grabstein erkannt. Es stellte sich nur die Frage: Wem war der Stein gewidmet? Recherchen haben ergeben, dass es sich um den Grabstein des Lieblingshundes der badischen Großherzogin Luise (1838-1923) handelt: ein schwarzer Großpudel namens Treu. Der entscheidende Hinweis auf den Hund fand sich in einer 1938 von der Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes herausgegebenen Denkschrift zum 100. Geburtstag der 1923 verstorbenen Großherzogin, in der der Hund in einer Anekdote namentlich erwähnt wird. Der Grabstein erlaubt einen privaten Blick in das Leben der tierlieben Großherzogin und gibt erstmals Auskunft über die Memorialpraxis für verstorbene Hunde am Karlsruher Hof.
 

Grabstein des Pudels

Die Errichtung von Grabmälern für geliebte Haus- und Nutztiere in Garten- und Parkanlagen war keineswegs Ausdruck einer gewissen Exzentrik, sondern seit dem späten 17. Jahrhundert in der Welt der Aristokratie üblich. Insbesondere Hunden, den besten Freunden der Menschen, wurde ein herausgehobenes Gedenken zuteil. Ein bekanntes Beispiel für die Hundebegeisterung des Adels findet sich im Schlossgarten von Sanssouci, wo der preußische König Friedrich II. (1712-1786) neben seiner eigenen Gruft auf der obersten Terrasse des Weinbergs elf seiner Windspiele, hochgewachsene Windhunde, beisetzen und die Grabstellen mit namentlich beschrifteten Steinplatten versehen ließ. Als geborener preußischer Prinzessin waren Großherzogin Luise die Hundegräber ihres bekannten Vorfahren mit Sicherheit vertraut, zumal die Liebe zu Hunden unter den Hohenzollern weit verbreitet war. Neben Friedrich dem Großen sticht auch Kaiser Wilhelm II. (1859-1941), der Neffe Luises, durch eine besonders enge Beziehung zu den Vierbeinern hervor. Als passionierter Jäger pflegte er eine Vorliebe für Dackel, die ihm beim Weidwerk zur Seite standen. Für seinen Lieblingshund, den Dachshund "Erdmann", ließ er nach dessen Tod in Kassel 1901 ebenfalls einen eigenen Grabstein auf der Roseninsel im Bergpark Wilhelmshöhe errichten.

Das Herz der Großherzogin hingegen schlug für Pudel, und damit für eine Hunderasse, die um 1900 zu den Modehunden der Oberschicht zählte. Eine besondere Charaktereigenschaft von Pudeln ist ihre Loyalität zu ihren Herrchen oder Frauchen, sodass der Name "Treu" für Luises Hund sicher nicht zufällig gewählt war. Und tatsächlich war der Hund ihr ständiger Begleiter: sowohl in Karlsruhe als auch auf ihren häufigen Reisen. Im Generallandesarchiv Karlsruhe liegen Fotos von Treu, die ihn zusammen mit der Großherzogin unter anderem in St. Moritz, auf der Insel Mainau, in Baden-Baden und im Schlosspark von Rastatt-Favorite zeigen. Der Tod des Hundes 1917 muss für die hochbetagte Luise daher ein schmerzlicher Verlust gewesen sein.

Unklar bleibt, warum der Grabstein erst gut 100 Jahre nach dem Tod des Hundes bei der Grabkapelle gefunden wurde, und bisher in keiner Publikation zur Grabkapelle Erwähnung fand. Zumindest in den ersten Jahren nach seiner Aufstellung muss der Stein noch gut sichtbar gewesen sein. Auch wenn die Frage vorerst unbeantwortet bleiben muss, ist der Grabstein ein echter Glücksfund für die badische (Tier-)Geschichte. Er dokumentiert die große Verbundenheit Luises zu ihrem Hund und offenbart damit eine bisher unbekannte private Seite der Großherzogin.

Dr. Christian Katschmanowski, Kunsthistoriker, Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Vom Autor ist erschienen: Christian Katschmanowski: "Treu" bis in den Tod: zum wiederentdeckten Grabstein des Lieblingshundes von Großherzogin Luise von Baden; in: Badische Heimat 100 (2020), 4, Seite 517-526

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