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Blick in die Geschichte Nr. 142

vom 15. März 2024

Akteure der Baupolitik

Baubürgermeister in Karlsruhe bis 1970

von Harald Ringler

 

In den großstädtischen Verwaltungen Baden-Württembergs ist das kommunale Planen und Bauen dem Baudezernat zugeordnet, einem erst seit den 1920er Jahren eingeführten Verwaltungssektor. Die Baukultur einer Stadt hängt mittel- und langfristig von den Initiativen und Aktivitäten aus diesem Geschäftsbereich und dessen Leitung ab. Der folgende Rückblick nennt die Verantwortlichen für das kommunale Planen und Bauen in Karlsruhe bis 1970, in dem mit Ende der Amtszeit von Oberbürgermeister Günther Klotz eine bedeutende Phase des Wiederaufbaus zu Ende ging.

Die baulichen Angelegenheiten der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe wurden bis Ende der 1860er Jahre hauptsächlich vom Staat geregelt. Mit dem 1868 beschlossenen Badischen Ortsstraßengesetz begann die Entwicklung vom staatlichen Ordnungsrecht zur kommunalen Planungshoheit. Mit der Einführung der Badischen Städteordnung von 1874 vollzog sich der Wandel von der Bürgergemeinde zur Einwohnergemeinde. Das Wachstum der Städte mit den erhöhten Anforderungen an die technische Infrastruktur sowie an die soziale und gesundheitliche Versorgung der Menschen erforderte eine leistungsfähige Verwaltung und deren professionelle Führung. Die Gemeindeordnungen, die Landesgesetze für die Organisation auf kommunaler Ebene, sahen daher für die größeren Gemeinden und die Städte hauptamtliche (Ober)Bürgermeister vor. Ihnen konnten Beigeordnete als Bürgermeister zur Vertretung und Erledigung von Aufgaben zur Seite gestellt werden. Mit der Badischen Städteordnung von 1884 die Bürgermeister "Stellvertreter und Amtsgehilfen des Oberbürgermeisters". Eigene Geschäftsbereiche für Dezernenten waren noch kein Thema. Die fachlichen Zuständigkeiten blieben wohl bei den Amtsvorständen, während die Bürgermeister sich um die politische Abstimmung mit dem Stadtrat, dem wichtigsten kommunalen Organ, kümmerten, Repräsentationsaufgaben wahrnahmen und die Verwaltungsgeschäfte leiteten. Schon damals gab es eine Initiative, wie zuletzt vor der Besetzung der Baudezernatsleitung 2018, damals noch "Männer von technischer Bildung und gereiften Urteil über technische Fragen in die leitenden Stellen der Stadtverwaltung zu berufen." Eine Versammlung von fünf Karlsruher technischen Vereinen hatte sich 1906 dafür ausgesprochen. In der mehrseitigen Stellungnahme des Stadtrats wurde dem widersprochen. Eines der wesentlichen Argumente war die Besetzung der Amtsvorstände der technischen Ämter mit Fachleuten ("Stadtbauräte") wie eines Architekten für das Hochbauamt (Wilhelm Strieder 1885 bis 1911, Friedrich Beichel 1911 bis 1938), eines Bauingenieurs für das Tiefbauamt (Hermann Schück 1876 bis 1910, Emil Blum-Neff 1910 -1926) sowie Elektro- und Maschinenbauingenieure für die Versorgungsbeitriebe und für das Straßenbahnamt. Die ab 1905 selbstständige Gartendirektion unterstand bis 1917 dem gelernten Kunstgärtner und Straßenmeister Friedrich Ries, gefolgt von Friedrich Scherer (1917 bis 1941). Die Aufgaben der Stadtplanung wurden vom Tiefbauamt wahrgenommen. Es gab also in der Stadtverwaltung keine, einem Bürgermeister direkt unterstellte Bauverwaltung, so dass politischen Gremien Stadtrat und Bürgerausschuss bei Beratungen direkt auf die technischen Amtsvorstände zurückgriffen.

Bau des Rheinstrandbades, Bürgermeister Hermann Schneider, vermutlich Mitte stehend, Juni 1929

In der Zeit der Weimarer Republik veränderte sich die Stellung der Beigeordneten. Nach der Badischen Gemeindeordnung von 1921 setzt der (Ober)Bürgermeister im Einvernehmen mit dem Gemeinderat die Geschäftskreise der übrigen Bürgermeister und der besoldeten Gemeinderäte fest. Damit konnte erstmals auch eine Bauverwaltung als eigenständiger Geschäftsbereich eingeführt werden. In Karlsruhe leitete Bürgermeister Hermann Schneider die Abteilung 4 mit zahlreichen Zuständigkeiten wie Stadterweiterung, Wohnungs- und Siedlungswesen, städtischer Hochbau einschließlich Gebäudeverwaltung, das gesamte Tiefbauwesen, Abfallbeseitigung, Straßenbahnbau, Badeanstalten sowie Feuerschutz.

Der Zentrumspolitiker Schneider war studierter Bauingenieur mit dem Schwerpunkt Wasserbau und Wasserkraft. Wie seine Bürgermeisterkollegen musste er 1933 auf Druck der nationalsozialistischen Machthaber sein Amt niederlegen. Mit seiner Person verbinden sich zahlreiche von ihm initiierte oder geförderte Projekte der großräumigen Stadtentwicklung, des Städte- und Wohnungsbaus. Die Zeit zwischen 1919 und 1933 stellt für die kommunale Baupolitik Karlsruhes eine herausragende Phase dar. In 14 Jahren erarbeitete die Stadtverwaltung und ihre Gesellschaften Planungen und Projekte, angefangen vom Entwurf eines die Stadtgrenzen überschreitenden Generalbebauungs-plans über den Freizeit- und Erholungspark Rappenwört bis zu Siedlungen wie Dammerstock und die Stadtrandsiedlung in Grünwinkel. Der Ettlinger-Tor-Bereich erhielt seine erste rechtsverbindliche Planung, der Parkring (heute Adenauerring) entstand und mit ihm einige Sportanlagen. Eine unerlässliche Voraussetzung war das Zusammenwirken zwischen Oberbürgermeister und Baubürgermeister sowie engagierten Mitarbeitern als Ideenbringer, Planer und Realisierer.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten leitete Dr. jur. Hermann Fribolin, NSDAP-Mitglied ab Mai 1933, als Bürgermeister die Abteilung II mit Stadtplanungs- und Siedlungsamt, Hochbauamt und Tiefbauamt. Nach seiner Versetzung nach Warschau 1941 übernahm seine Aufgaben die Abteilung von Oberbürgermeister Oskar Hüssy. Das Amt für städtebauliche Sonderaufgaben und allgemeine Baupflege war bereits bei der Neuordnung 1936 seiner Abteilung I zugeordnet gewesen. Unter der Leitung von Karl Pflästerer entstanden hier u. a. die Gauhauptstadt-Planungen.

Vor der Aussprache über das Verkehrsgutachten zur Entlastung der Karlsruher Innenstadt im großen Sitzungssaal v.l.n.r.: Prof. Dr. Max Erich Feuchtinger (Gutachter), Oberbaudirektor Walther Merz, Ministerialdirigent Dr. Horst Linde, Oberbürgermeister Günther Klotz

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Christdemokrat Fridolin Heurich, gelernter Maurer und Gewerkschafter, für das Bau- und Wohnungswesen bis 1953 in der Zeit der Beseitigung der Kriegsschäden, der Beginn des Wiederaufbaus und auch der Diskussionen über die künftige Gestaltung der Innenstadt verantwortlich. Im Alter von 75 Jahren schied er aus dem Amt, das nun der bisherige Wirtschaftsdezernent und studierte Bauingenieur Hermann Ball (FDP) übernahm. 1952 wurde Günther Klotz (SPD), ein Bauingenieur mit langer beruflicher Erfahrung, neuer Oberbürgermeister. Er zeigte in den folgenden Jahren bis zu seinem Abschied 1970 sein besonderes Engagement in der baulichen Stadtentwicklung. Ob er dem Baudezernenten einen eigenen Gestaltungswillen zugestand, scheint fraglich. Denn 1955 schuf Klotz für einen seiner engsten Berater, den Leiter des Hochbauamts Walther Merz, eine zusätzliche Funktion als Leiter eines neugeschaffenen Planungs- und Hochbaureferats (Referat IIIa), das sowohl dem Baudezernenten als auch dem Oberbürgermeister unterstand. Es umfasste das Stadtplanungsamt, Hochbauamt und Bauordnungsamt. Damit hatte er einen direkten Zugriff auf die Planung. Diese Organisationsform widersprach einer deduktiv angelegten Geschäfts- und Verantwortungsverteilung. Ein persönliches Vertrauensverhältnis als Begründung dürfte hier nicht ausreichen. Ob damit ein direkter Führungsanspruch auf Planen und Bauen vorhanden war, kann heute nicht mehr beantwortet werden.

Trotz der Zusage seitens der SPD, dass die FDP nach der Zurruhesetzung von Hermann Ball 1961 weiterhin den Baudezernenten stellen könne, übernahm der Jurist Ernst Schiele von der SPD (gest. 1964) die Position, aber mit einem, für ein Baudezernat schmalen Aufgabenzuschnitt. Denn nun wurde ein Planungs- und Rechtsreferat unter anderem mit Stadtplanung, Bauordnung, Tiefbau sowie Vermessung und Liegenschaften direkt beim Oberbürgermeister geschaffen. Die Nachfolge trat 1966 Paul Hugo Jahn an, ebenfalls Jurist und SPD-Mitglied. Die Belange der Stadtplanung, der Bauordnung sowie das 1963 wieder gegründete Gartenbauamt verblieben beim Oberbürgermeister. Der neue Oberbürgermeister Otto Dullenkopf (CDU, Amtszeit 1970 - 1986) einigte sich mit dem Gemeinderat auf eine neue Geschäftsverteilung in der Stadtverwaltung. Das Baudezernat unter der Leitung von Bürgermeister Paul Hugo Jahn beheimatete alle Bauämter, die Branddirektion, das Amt für Wohnungswesen und den Zoo, ein bis dahin nicht erreichter Umfang der Aufgaben.

Ein Ziel dieser Rückschau auf die Personen, die für die kommunale Baupolitik in Karlsruhe verantwortlich zeichneten, war das Herausfiltern von einigen politischen Rahmenbedingungen für die Amtsinhaber. Interessant ist auch, dass keine Vertreter der Fachrichtung Architektur mit der Aufgabe betraut waren. Da die Leitung eines Baudezernats baupolitisch-professionell ausgerichtet sein soll im Sinne der Ermöglichung mittelfristig angelegter Planungs- und Bauprojekten, sind die Zeitabschnitte der Weimarer Republik und der Wiederaufbauphase in Karlsruhe im Sinne einer guten Baukultur zum überwiegenden Teil erfolgreich zu bewerten.

Dr. Harald Ringler, Leiter des Stadtplanungsamts i. R.

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