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Blick in die Geschichte Nr. 142

vom 15. März 2024

Carlsruher Blickpunkt

Leibdragonerdenkmal verherrlicht Krieg

von Jürgen Schuhladen-Krämer

Rasch nach dem Ende des Ersten Weltkriegs begannen Planungen für Denkmäler der zuvor in der Stadt stationierten Truppengattungen. Die beiden Artillerieregimenter weihten ihres am Linkenheimer Tor 1924 als erstes ein, 1925 folgte das für das Leibinfanterieregiment am heutigen Europaplatz. Vergleichsweise spät begannen 1925 die Planungen für das Leibdragonerdenkmal, das dann erst 1929 beim Mühlburger Tor eingeweiht wurde. Typisiert als Gefallenendenkmäler, geben Kriegerdenkmale aus dieser Zeit aber durch ihre Formensprache und mangels aufgeführter Namen überwiegend weniger Anlass zu Trauer um gefallene Menschen,  sie verherrlichen vielmehr Militär und Krieg. Das auf einem hohen Muschelkalksteinsockel stehende Denkmal - ein Dragoner in Uniform mit Stahlhelm und Lanze auf steigendem Pferd - zeigt einen anonymen, heroisch gestählten Kämpfer als Ideal des Soldaten. Der am östlichen Denkmalsockel angebrachte Sinnspruch aus der altisländischen Edda: "Du stirbst - Besitz stirbt / Die Sippen sterben / Einzig lebt - wir wissen es / Der Toten Tatenruhm." glorifizierte Soldatentum und Tod, mystifizierte Krieg als die Daseinsberechtigung eines idealisierten Volkes, und stachelte nach dem Ende eines Krieges gleich zum nächsten an. Im 19. Jahrhundert wurde in Deutschland aus den aus den 13. Jahrhundert überlieferten Handschriften des Nibelungenliedes wie aus der Edda ein nordisch-germanischer Mythos konstruiert. Die Deutschen sollten es ihren angeblichen Krieger-Ahnen heroisch gleichtun. Ausgerechnet dieser Vers auf dem Denkmalsockel, einer von insgesamt sechzehn aus dem alten "Sittengedicht" der Edda, war im Vergleich zu anderen seit der deutschen Romantik eine abweichende interpretierende Übersetzung des Juristen und Philologen Felix Genzmer (1878-1959) von 1912. So assoziiert auch der Denkmalspruch Krieger und Schlacht, während "Das alte Sittengedicht" nicht auf Schlachten abhebt, sondern darauf, wie sich ein einzelner Mensch im persönlichen Leben ehrenwert verhalten soll. So wie der Verstorbene sein Leben sittengerecht geführt habe, werde ihm die Nachwelt einen guten Ruf bewahren. Genzmer, später Mitglied der NSDAP, hatte so bereits vor dem Ersten Weltkrieg völkischen Nationalismus und Militarismus verbunden. Die Verkürzung zum Spruch "Ewig lebe der Toten Tatenruhm" sollte dann im Nationalsozialismus unzählige Male mit Soldatentum und Kriegsbeschwörung verbunden und schließlich mit Krieg praktisch umgesetzt werden. Das Denkmal beschwört diese Ideologie somit bereits früh in der Zeit der Weimarer Republik.

Das Leibdragoner-Denkmal vor der Christuskirche beim Mühlburger Tor mit der kommentierenden Informationsstele, Mai 2023

Für die pompös inszenierte Denkmalseinweihung am 9. Juni 1929 während eines Veteranentreffens führte die Festtagsbroschüre im Geleitwort die Sinnstiftung nahe: "Und wenn dann des Denkmals Hülle fällt, wenn dann das Wort Achtung ertönt, wisst Ihr auch was das bedeutet? Der Soldatentod hält Appell. Er ruft die gefallenen Leibdragoner zusammen, … Dann vernehmt was sie sprechen: ‚Habt Dank! Ihr seid gute Kameraden, seid einig und treu, wie wir es waren!' So sprechen sie, denen die Liebe zum Vaterland höher stand als das Leben." Und weiter: "Fort mit dem Zwist und Hader, lasst uns treu sein zu Volk und Vaterland". Gegen "Zwist und Hader" war ein Topos, der die demokratische, parlamentarische Weimarer Republik mit der Existenz von Parteien in Frage stellte und sich stattdessen ein einiges Volk - ob unter einem Kaiser oder einem Diktator - vorstellte. Der ehemalige Regimentskommandeur General a. D. Leopold Friedrich Wilhelm Graf von Geßler hob vor versammelten Staatsrepräsentanten, Stadtspitze und Geistlichkeit anschließend auch auf die These vom unbesiegten Heer ab, wie sie von der äußersten Rechten in der Weimarer Republik verbreitet wurde.

Diesem besonders kriegsverherrlichenden und völkische Mythen transportierenden Kriegerdenkmal stellte die Stadt Karlsruhe im Mai 2023 eine kommentierende Informationsstele entgegen.

Jürgen Schuhladen-Krämer, Stadthistoriker, Stadtarchiv Karlsruhe

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