Menü
eService
Direkt zu
Suche
eService – Ihr Anliegen bequem Online erledigen
Karlsruhe interaktiv – wichtige Website-Funktionen

Blick in die Geschichte Nr. 142

vom 15. März 2024

Berufsverband trägt zur Meinungsbildung und dem öffentlichen Diskurs bei

Karlsruher Presseclub vor 75 Jahren wiederbegründet

von Rüdiger Homberg

 

Mit einer kleinen Notiz meldeten die Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) am 17. Februar 1949, dass der Presseclub Karlsruhe drei Tage zuvor neugegründet worden war. Am 14. Mai trafen sich die Mitglieder zum ersten monatlichen Clubabend im Nebenzimmer des Künstlerhauses, des Palais Berckholtz, einem repräsentativen, im Zweiten Weltkrieg allerdings schwer beschädigten Bau an der Ecke Karl- und Sophienstraße. Späterer Versammlungsort waren der obere Saal des Kolpinghauses und das Hotel Link in der Jollystraße.

Der Presseclub Karlsruhe setzte sich vor allem aus Journalisten und Medienvertretern zusammen. Er organisiert bis heute regelmäßig Veranstaltungen, Vorträge und Podiumsdiskussionen mit namhaften Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Zudem geht er wieder vermehrt nach außen und besucht Einrichtungen, um deren Bedeutung für die Region zu erkunden. Damit knüpft er an die Aktivitäten nach der Gründung an, wozu beispielsweise Pressereisen gehörten, bei denen Journalisten die Möglichkeit hatten, verschiedene Unternehmen und Institutionen zu besuchen und sich über aktuelle Themen zu informieren.
Der Club organisiert auch regelmäßig Workshops und Seminare zur Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten. Darüber hinaus engagiert er sich in der Förderung des journalistischen Nachwuchses und vergibt Stipendien oder Preise für herausragende Leistungen.Mittlerweile gehören dem Presseclub seit vielen Jahren auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Presse- und Informationsabteilungen verschiedener Firmen, Organisationen und Institutionen an. Geleitet wird der Presseclub Karlsruhe von der Freien Journalistin und Trauerrednerin Irmgard Duttenhofer, zuvor Pressesprecherin der Sparkasse. Stellvertreter ist Markus Schneider, Pressesprecher der Stadtwerke Karlsruhe und der Karlsruher Versorgungs-, Verkehrs- und Hafen-GmbH (KVVH).

Josef Werner nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, 20. August 1982

Einer der wichtigsten Repräsentanten der Karlsruher Medienszene war der langjährige Leiter der BNN-Lokalredaktion und stellvertretende Chefredakteur Joseph "Sepp" Werner.  Er gehörte 1949 zusammen mit BNN-Herausgeber und -Chefredakteur Wilhelm Baur zu den Gründern des Presseclubs, den er wie auch den Hilfsverein Karlsruher Journalisten lange Jahre leitete. Sein Name ist verbunden mit den großen Presse- und Theaterbällen "Tinte und Schminke", die in den 1960er- bis 1980er-Jahren zu den wichtigsten gesellschaftlichen Ereignissen in Karlsruhe gehörten. Auch Werners Nachfolger Jürgen Gottmann leitete den Presseclub Karlsruhe mehrere Jahre. Auf seine Initiative war eine Veranstaltungsreihe zurückgegangen, die in den 2000er-Jahren nahezu allen seinerzeitigen Ministerpräsidentinnen und -präsidenten zum Gespräch nach Karlsruhe gebracht hat. Gottmanns Nachfolger Matthias Kuld, BNN-Redakteur und später Mitglied der Chefredaktion, und dessen Stellvertreter Holger Gohla von der Kirchenredaktion des Südwestrundfunks (SWR), haben die Reihe fortgesetzt.

Ein Urgestein des lokalen Journalismus mit mehreren Stationen in verschiedenen Zeitungen, zuletzt der Badischen Presse, einem Vorläufer der BNN, war Karl Binder. Zu seinem 75. Geburtstag am 18. Dezember 1949 ernannte der Presseclub den letzten Vorsitzenden (1928-1933) des ersten Vereins Karlsruher Pressevereins zu seinem Ehrenmitglied und -präsidenten. Auch der Schriftsteller und Kulturjournalist Dr. Otto Gillen, 1948 bis 1973 Leiter der Kulturredaktion der BNN, prägte die ersten rund 25 Jahre des wiederbegründeten Presseclubs. Der Mitbegründer der Schlossfestspiele Ettlingen veröffentlichte erfolgreich u. a. Romane, Novellen, Erzählungen sowie zahlreiche Gedichtbände. Und nicht zuletzt war er Präsident des Presseclubs. Gillens nationalsozialistische und antisemitische Vergangenheit wurden allerdings erst nach seinem Tod durch Recherchen seines Sohnes Eckhart Gillen deutlicher als bis dahin bekannt.

Geselligkeit und zugleich Wohltätigkeit gehörten schon von Anbeginn 1949 an zur DNA des Presseclubs. Obwohl der Karlsruher Bevölkerung sicher nicht nach ausgelassenem Feiern zumute war angesichts der Nöte der Nachkriegszeit, veranstaltete der Presseclub bereits im November 1949 im Café Museum einen Ball. Dessen Reinerlös ging an arme Kinder, um ihnen eine Weihnachtsbescherung, 1949 waren es 120, bereiten zu können. Moderator dieses Festes war Peter Frankenfeld von Radio Frankfurt, der in späterer TV-Zeit in der gesamten Bundesrepublik Berühmtheit erlangen sollte.

Am 20. Februar 1950 veranstaltete der Presseclub in sämtlichen Räumen des Café Museum einen Rosenmontags-Presseball. Der Eintritt kostete damals beachtliche zehn D-Mark. Ein Jahr später musste für den Presseball diesmal in allen Räumen des Schlosshotels immerhin noch sechs D-Mark von Herren, vier von Damen bezahlt werden. Die Reinerlöse aus den Bällen und Festivitäten, die der Presseclub und zumeist auch in Kooperation mit dem Badischen Staatstheater veranstaltete, dienten stets sozialen Zwecken. So unterstützte der Presseclub an Multipler Sklerose Erkrankte. Im Jahr 1970 war der Paritätische Wohlfahrtsverband Empfänger einer Spende für diese Patientengruppe, überreicht von SDR-Studioleiter Helmut Haag, damals Präsident des Presseclubs, seinem Stellvertreter Hubert Doerrschuk und Staatstheater-Intendant Hans-Georg Rudolph. Auch 1988 stand mit Peter-Maria Schneider ein SDR-Mann dem Presseclub vor. Zusammen mit dem Stellvertretenden Vorsitzenden Horst Koppelstaetter ging seinerzeit der Spendenscheck an Ursula Späth, die Schirmherrin des AMSEL-Landesverbandes. Anlass war der Bau von 61 Mietwohnungen in der Oberreuter Otto-Wels-Straße für MS-Erkrankte.

Öffentliche Diskussion zum 25jährigen Jubiläum, v.l.n.r. Dr. Manfred Vohrer (FDP), Gerold Benz (CDU), Dr. Peter Corterier (SPD), BNN-Korrespondent Jürgen Lorenz, Dr. Oskar Fehrenbach (Stuttgarter Zeitung), Hans W. Baur (BNN) und Wolfgang Wiedemeyer (SWF Studio Bonn), 25. Oktober 1974

Sehr groß und unter prominenter Beteiligung feierte der Presseclub vor 50 Jahren die 25. Wiederkehr seiner Neugründung. Mit Bundestagsabgeordneten der drei damaligen Fraktionen traf man sich im Oktober 1974 zu einem Diskussionsabend im Bürgersaal des Karlsruher Rathauses. Auf dem Podium vor der Bürgermeisterbank saßen Dr. Peter Corterier (SPD), Gerold Benz (CDU) und Manfred Vohrer (FDP). Die Gesprächsleitung hatte mit Jürgen Lorenz ein Journalist, der sowohl Bonner Korrespondent der BNN war als auch Moderator der ZDF-Runde "Journalisten fragen - Politiker antworten". Die BNN betitelten ihre Berichterstattung über die Veranstaltung mit "Ein Hauch von BNN und ZDF im Karlsruher Rathaus". Damit nicht genug, hatte der Presseclub im November 1974 einen weiteren berühmten Gratulationsgast. Von Allensbach am Bodensee war die Begründerin der Deutschen Demoskopie, Dr. Elisabeth Noelle-Neumann nach Karlsruhe gekommen. Sie sprach über "Streitpunkt: Das lokale Zeitungsmonopol". Auch in der vormaligen Zeitungsstadt Karlsruhe war von zeitweise mehr als zehn Tageszeitungen vor dem Zweiten Weltkrieg nur die BNN übriggeblieben.

Zum 50. Jubiläum thematisierte der Presseclub wieder die sich wandelnde Presselandschaft und hatte sich dazu illustre Expertise geholt. "Qualitätsjournalismus hat seinen Preis" überschrieb der BNN-Lokaljournalist Kuno Doll seinen Artikel über die Veranstaltung im Renaissance-Hotel. Der seinerzeitige Herausgeber den Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Dr. Günther Nonnenmacher, zeichnete ein nüchternes Bild davon, wie qualitätsvoller Journalismus auszusehen hat und dass er nicht für umsonst zu bekommen ist. Dabei war für ihn der deutsche Regional- und Lokaljournalismus "qualitativ hochstehend." Der Vorsitzende des Presseclubs und stellvertretende BNN-Chefredakteur, Jürgen Gottmann, sah allerdings bereits vor 25 Jahren verflachende Inhalte in den Medien. Josef Werner ließ die ersten 50 Jahre des Presseclubs mit seinen vielen gesellschaftlichen Ereignissen Revue passieren.

Wenn der Presseclub nun in diesem Jahr sein 75. Jubiläum feiert, sieht er sich mit einer erneut stark veränderten Medienlandschaft konfrontiert. Bei seinen künftigen Aktivitäten kann er aber an eine erfolgreiche Arbeit als fester Bestandteil des Karlsruher Kulturangebots, Förderer sozialer Projekte und des hiesigen Journalismus aufbauen und anknüpfen.

Rüdiger Homberg, Freier Journalist

-

Kopieren Kopieren Schreiben Schreiben