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Badische Neueste Nachrichten vom 21. August 2023

Pressebericht über die Erinnerungsstätte Ständehaus

Ständehaus zeugt von stolzer demokratischer Tradition

Als man vor genau 30 Jahren das neue Ständehaus eröffnete, war die badische Verfassung von 1818 exakt 175 Jahre alt

Von Wolfgang Voigt

Karlsruhe. Nein, das Karlsruher Ständehaus heißt nicht deshalb Ständehaus, weil es schon immer stand, wo es steht. Es war vielmehr verschwunden, und schuld war der Zweite Weltkrieg, losgetreten von Hitlerdeutschland. Vor exakt 30 Jahren, am 21. August 1993, eröffnete man endlich das neue Ständehaus. Seither dient es als Domizil der Stadtbibliothek und als Gedenkstätte für die Geschichte des badischen Parlamentarismus.

Ein historischer Stich zeigt Ständehaus und St. Stephan in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Das damalige Eröffnungsdatum war mit Bedacht gewählt. Annähernd exakt 175 Jahre zuvor nämlich, am 22. August 1818, hatte Großherzog Carl von Baden in Bad Griesbach per Unterschrift die Badische Verfassung in Kraft gesetzt. Nicht nur das badische Volk blickte fortan mit Stolz gen Karlsruhe, wo im Ständehaus das Gesetzeswerk umgesetzt wurde. Auch aus den anderen deutschen Staaten kamen lobende Worte für die "liberalste Verfassung ihrer Zeit".

Als das neue Ständehaus vor 30 Jahren mindestens symbolhaft begann, die Tradition des einstigen badischen Parlaments fortzuführen, hatte sich das Who-is-who des Landes an der Stätte nahe St. Stephan versammelt. Der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) erinnerte mit Blick auf das Jahr 1818 und die Unterschrift von Großherzog Carl an die "Geburtsstunde des modernen Staates".

Die damalige Verfassung gilt als höchst innovativ: Der Monarch selbst verpflichtete sich diesem Regelwerk, der Landtag gewann an Bedeutung, und die zweite Kammer wurde als reine Volksvertretung geschaffen. All das schwingt auch jetzt mit, da man den 30. Jahrestag des neuen Ständehauses zelebriert.

1961 – In diesem Jahr riss man die Reste des Ständehauses ab.

Nachdem der Zweite Weltkrieg vom historischen Ständehaus nur noch eine Ruine hinterlassen hatte, geschah in den 1950er Jahren erst einmal nichts. Zwar mahnten viele, die Reste des badischen Parlaments dürften nicht beseitigt werden. Doch der Zahn der Zeit schuf Fakten: Wegen Baufälligkeit riss man die Reste 1961 kurzerhand ab. Das ging damals schnell und entsprach dem Zeitgeist – auch die fragwürdige Sanierung der Karlsruher Altstadt weiter im Osten war bereits in den Startlöchern.

Auf einem Großteil des gesamten Grundstücks entstand später das katholische Dekanatszentrum. Als Anfang 1984 Pläne die Runde machten, auf dem rund 1.000 Quadratmeter großen und als Parkplatz genutzten Restgelände ein medizinisches Zentrum zu etablieren, besann man sich des hohen historischen Werts dieser Fläche.

Der damalige Oberbürgermeister Gerhard Seiler versuchte, das Land zum Erwerb des verbliebenen Grundstücks zu bewegen, doch das misslang. Letztlich nahm der Gemeinderat 4,6 Millionen Mark in die Hand – der historische Grund und Boden gehörte damit der Stadt.

Und nun? In der Folge gab es viele gute Ideen, was mit dem Ständehaus-Areal anzufangen sei. Es gab BNN-Bürgerforen, es äußerten sich Verfassungsrechtler, Historiker und Baugeschichtler. In einer Broschüre konstatierte die Stadtverwaltung schließlich, "eine breite Front" habe sich zur Wiederbelebung des historischen Grundstücks gebildet.

22 Millionen Mark hat das neue Ständehaus gekostet, welches als neue städtische Bibliothek diente.

Für 22 Millionen Mark errichtete man eine neue städtische Bibliothek inklusive Ständehaus-Erinnerungsstätte. Dieser Schritt schien auch deshalb geboten, weil die Sparkasse am Marktplatz größere Räumlichkeiten benötigte, doch die damals dort ansässige Stadtbibliothek dem im Wege stand. Mit der Sparkasse als Mehrheitsgesellschafterin gründete man deshalb die "Ständehaus Bau- und Verwaltungsgesellschaft". Sie bildete die Basis zur Finanzierung des Vorhabens. Drei Millionen Mark kamen vom Land.

Das neue Ständehaus steht seit exakt 30 Jahren. Es beherbergt die städtische Bibliothek und eine Erinnerungsstätte an das vormalige badische Parlament.

Der heutige Rundbau an der Ecke von Ritter- und Ständehausstraße lehnt sich stilistisch an das historische Parlamentsgebäude an. Wer die Geschichte dieser Örtlichkeit verstehen will, muss sich auch mit der badischen Verfassung von 1818 beschäftigen. Nach Ansicht des vor einem Jahr verstorbenen Historikers und Freiburger Emeritus Hans Fenske war sie vorbildhaft und suchte in der liberalen Ausrichtung ihresgleichen.

Einer der Gründe dafür trägt den Namen Carl von Baden. Der Großherzog war ein Zögerer und Zauderer, dem Fenske in einem wissenschaftlichen Text für die Karlsruher stadthistorischen Beiträge eine „krankhafte Unentschlossenheit“ attestiert. So ließ er sich von den Protagonisten des jungen Parlamentarismus beeinflussen. Seinem Nachfolger Ludwig, der den 32-jährig verstorbenen Carl 1819 ablöste, hätten die großherzoglichen Berater wohl keine so weitreichende Verfassung abgerungen.

Quelle: Badische Neueste Nachrichten | Karlsruhe | KARLSRUHE | 21. August 2023

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