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In den Jahren 2023/24 jährt sich die Revolution von 1848/49 zum 175. Mal. Im Großherzogtum Baden war die revolutionäre Bewegung besonders stark, im Mai 1849 musste Großherzog Leopold aus seinem Land fliehen und der Landesausschuss der Volksvereine zog in Karlsruhe ein. So wurde die Stadt Karlsruhe, auch wenn ihre Bevölkerung in großen Teilen nicht revolutionär gesinnt war, für kurze Zeit zum Zentrum der Badischen Revolution.
Auf dieser Seite werden von Februar 2023 bis August 2024 zu den jeweiligen Jubiläumsterminen schrittweise die wichtigsten Ereignisse der Revolution in Baden, insbesondere die mit Bezug auf Karlsruhe, vorgestellt werden, so dass im August 2024 eine ausführliche Chronologie in Wort und Bild vorliegt.
„Ich habe so eben einen Gang durch einige Stadttheile gemacht, und überall die größte Ruhe und Ordnung, nirgends eine Spur von Aufregung gefunden.“ So berichtete ein Pariser Korrespondent am 22. Februar, um 10 Uhr morgens, in einem Brief, der am 25. Februar in der Karlsruher Zeitung abgedruckt wurde. Die Lage sollte sich noch am selben Tag dramatisch ändern, als erste Straßenbarrikaden errichtet wurden.
Am 28. Februar, also gerade einmal drei Tage später, wurde folgender Bericht auf der Titelseite der Karlsruher Zeitung abgedruckt, der wiederum am 24. Februar verfasst worden war:
„Das Palais Royal und die Tuilerien sind vom Volke genommen; der König Ludwig-Philipp ist mit seiner Familie geflüchtet. Es ist eine provisorische Regierung ernannt. Morgen Näheres“. Die Nachrichten brauchten lange um einzutreffen, doch sie waren eindeutig: In Paris herrschte Revolution!
Die Meldung vom Ausbruch der Februarrevolution im Nachbarland verbreitete sich wie ein Lauffeuer über den Rhein und auch in den deutschen Staaten gingen Bürgerinnen und Bürger auf die Barrikaden. Die Gründe dafür waren vielfältig und hingen eng mit den Entwicklungen im Vormärz, also der Epoche der deutschen Geschichte zwischen 1830 und 1848, zusammen. Freie Presse und freie Wahlen, mehr gesellschaftliche Freiheit und politische Partizipationsmöglichkeiten, die Abschaffung der Binnenzölle und das große Ziel der Gründung eines deutschen Einheitsstaates waren einige der hart umkämpften Forderungen.
Ab dem 26. Februar 1848 verbreitete sich in Baden die Nachricht vom Sturz der französischen Monarchie. Daraufhin wurde eine schon länger geplante Volksversammlung am folgenden Tag in Mannheim zur Massenveranstaltung: 2.500 Menschen, darunter führende gemäßigte und radikale Vertreter der Opposition, nahmen an der Versammlung teil. Die Volksversammlung beschloss, am 1. März vier Forderungen in Form einer Petition öffentlich an die Zweite Kammer der Ständeversammlung in Karlsruhe zu übergeben:
Aus der Petition ging deutlich hervor, dass sich die Verfasser nicht mehr nur als Bittsteller sahen: "Vertreter des Volkes! Wir verlangen von Euch, daß Ihr diese Forderungen zu ungesäumter Erfüllung bringet."
Über Flugblätter wurde dies rasch in Baden bekannt, so dass sich am 1. März Tausende Menschen aus dem ganzen Land am Karlsruher Ständehaus einfanden, um sich an der Übergabe der Petition zu beteiligen. Dabei erfuhren sie, dass die ersten drei Forderungen der Petition bereits erfüllt oder auf dem Weg zur Gesetzgebung waren. Auch weitere Forderungen der radikalen Kammerabgeordneten wurden zumindest zum Teil umgesetzt, so wurden als „Reaktionäre“ verhasste Regierungsmitglieder durch Liberale ersetzt.
Zwar schloss sich am 28. Februar eine Bürgerversammlung im Rathaus den Mannheimer Forderungen an, tags darauf wurde aber aus Angst vor revolutionären Unruhen eine bewaffnete Bürgerwehr aufgestellt, die am 1. März erstmals zum Einsatz kam und das Schloss schützte. Karlsruhe zeigte sich wenig revolutionär gesinnt, für eine Brandstiftung am Außenministerium am 3. März wurden Auswärtige verantwortlich gemacht.
Das schnelle Einknicken der Regierung vor den Forderung der Mannheimer Volksversammlung veranlasste die Oppositionellen in der Zweiten Kammer der Ständeversammlung, am 1. März 1848 weitere Forderungen zu stellen. Die Zweite Kammer beschloss diese und übergab sie am 4. März dem Großherzog. Gefordert wurde zusätzlich zu den Mannheimer Punkten:
Noch am selben Tag sicherte die Regierung auch die Erledigung dieser Forderungen zu. In den Wochen darauf wurden die meisten in Gesetze überführt, von denen viele – teilweise in veränderter Form – auch nach der Revolution bestehen blieben. So waren in kürzester Zeit jahrzehntelang diskutierte Forderungen der Liberalen und Demokraten umgesetzt worden.
Die Neubesetzung höchster Staatsämter mit Liberalen wurde ebenfalls sehr schnell durchgeführt. Bereits am 7. März wurden Finanzminister Franz Anton Regenauer, Justizminister Christof Franz Trefort und der Gesandte beim Bundestag, Friedrich von Blittersdorf, entlassen. Letzterer war besonders verhasst, weil er als Staatsminister jahrelang daran gearbeitet hatte, das Rad der politischen Entwicklung zurückzudrehen. Der Nachfolger von Blittersdorf wurde Karl Theodor Welcker, Juraprofessor und langjähriger liberaler Abgeordneter der Zweiten Kammer, auf Regenauer folgte als weiterer Liberaler Karl Georg Hoffmann als neuer Finanzminister. Ab dem 9. März hatte Baden ein liberales "Märzministerium".
Das Motto unter dem Porträt lautet: "Das Erwachen des Volks zum Bewußtsein seiner Rechte ist die Morgenröthe der wahren Freiheit"
Das Konzept Bürgerwehr existierte bereits lange vor der Revolution 1848/49. Die Idee entstand bereits in der Frühen Neuzeit, bevor es in den meisten deutschen Staaten eine moderne Polizei oder ein stehendes Heer gab. Die Grundidee der Bürgerwehr lag darin, dass die ansässigen Bürger bewaffnet wurden und den Schutz der eigenen Stadt oder Gemeinde selbst übernehmen sollten. Durch die revolutionären Unruhen 1848/49 erlebte das Konzept Bürgerwehr eine kurze Renaissance.
Als Reaktion auf die beginnenden revolutionären Erhebungen in Paris gründete sich in Karlsruhe am 29. Februar 1848 eine freiwillige Bürgerwehr, die bereits beim Petitionssturm am 1. März ihre Feuertaufe bestehen musste.
Von da an wurden sowohl in der Presse, als auch über den Gemeinderat die Karlsruher Bürger aufgefordert, freiwilligen Dienst in der Wehr zu leisten, die sich die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Karlsruhe als Devise gesetzt hatte.
Da diesen Aufforderungen aber scheinbar nicht genügend Karlsruher Folge leisteten, beschlossen der Karlsruher Gemeinderat und Bürgerausschuss am 17. März 1848, die Gründung einer verpflichtenden Bürgerwehr in Karlsruhe.
Jeder männliche Karlsruher Bürger, im Alter von 20 bis 55 Jahren, hatte sich im Rathaus in ausgelegte Listen einzutragen. Danach wurden die Wehrmänner in Rotten und Fähnlein unterteilt, durften ihre Offiziere, denen gegenüber sie zum strengen Gehorsam verpflichtet waren, aber immerhin selbst wählen. Die gewählten Offiziere mussten allerdings durch den konservativen Gemeinderat bestätigt werden, wodurch dieser die Möglichkeit hatte, die Karlsruher Bürgerwehr betont antirevolutionär auszurichten.
Die Stadt Karlsruhe war schneller als die Landesregierung, die erst am 3. April das vorliegende Bürgerwehrgesetz bestätigte, wonach in jeder badischen Gemeinde Bürgerwehren zu bilden seien, die zur "Vertheidigung des Landes, der Verfassung und der durch die Gesetze gesicherten Rechte und Freiheit gegen innern und äußern Feind" aufgefordert waren.
Die badische Regierung versprach sich von den gegründeten Bürgerwehren einen wirksamen Schutz gegen revolutionäre Bestrebungen, doch nicht alle Wehren entwickelten sich auch in diese Richtung. Die am 24. März einberufene Durlacher Bürgerwehr etwa schlug einen klar demokratischen Kurs während der Revolution ein.
Nach dem Ende der Revolution 1849 wurden alle badischen Bürgerwehren durch die preußischen Besatzer aufgelöst, bis auf die fürstentreuen Wehren in Karlsruhe und Sipplingen.
Die im März 1848 in Baden rasch durchgesetzten umfassenden Freiheitsrechte waren für die Liberalen und Demokraten nur ein Etappensieg. Ebenso wichtig war ihnen ein geeintes Deutschland mit einem gemeinsamen Parlament. Um darüber zu beraten, versammelten sich am 5. März 1848 in Heidelberg 51 Liberale und Demokraten, die meisten von ihnen Parlamentarier aus dem Südwesten.
Sie einigten sich darauf, einen Ausschuss aus sieben Personen einzurichten. Dieser sollte Vorschläge über die Wahl und die Form einer künftigen Nationalversammlung ausarbeiten sowie Parlamentarier und andere Persönlichkeiten aus allen Bundesstaaten zu weiteren Beratungen nach Frankfurt a. M. einladen. Die Regierungen der deutschen Staaten wurden aufgefordert, die Pläne für eine Nationalversammlung zu unterstützen.
So kamen vom 31. März bis 4. April 1848 574 Männer im Vorparlament in der Frankfurter Paulskirche zusammen. Zehn von ihnen stammten aus Karlsruhe, diese waren meist Beamte und Anhänger der konstitutionellen Monarchie, nur einer von ihnen - Anton Christ - war Demokrat.
Die Liberalen dominierten zahlenmäßig das Vorparlament. Um nicht den frühzeitigen Bruch mit den Demokraten zu riskieren, sollten inhaltliche Entscheidungen wie über die zukünftige Staatsform Deutschlands der Nationalversammlung vorbehalten bleiben. Diese sollte rasch gewählt werden. Der mittlerweile ebenfalls liberal dominierte Bundestag, das Organ des Deutschen Bundes, legte dazu auf Vorschlag des Vorparlaments eine Wahlordnung vor.
Für die Zeit bis zum Zusammentreten der Nationalversammlung wurde ein Ausschuss aus 50 Mitgliedern gewählt, der die Wahlvorbereitungen begleiten sollte. In diesen Ausschuss wurden keine Vertreter der radikalen Demokraten gewählt. Die badischen Radikalen um Friedrich Hecker sahen nun nur noch eine Möglichkeit, ihre Ziele durchzusetzen: Durch eine bewaffnete Revolution in Baden.