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Blick in die Geschichte Nr. 112

vom 23. September 2016

Stadtplanung nach dem Zweiten Weltkrieg (Teil 2)

Karlsruhe wird wieder aufgebaut

von Harald Ringler

Die Bevölkerungszunahme nach dem Krieg erforderte den verstärkten Bau neuer Wohnungen. Zwischen 1950, dem Jahr der Einführung des ersten Wohnungsbaugesetzes, und 1959 bauten die großen Wohnungsbaugesellschaften wie die städtische Volkswohnung, Mieter- und Bauverein, Hardtwaldsiedlung sowie Private über 27.500 Wohnungen. Der Neubauanteil betrug ca. ein Drittel des Wohnungsbestandes, nicht einbezogen der Wohnungsbau der Alliierten. Zahlreiche neue Siedlungen trugen zu dieser Aufbauleistung bei.

Das Titelblatt der Zeitschrift Baden von 1952 (links) zeigt die drei wichtigsten Türme der Bürgerstadt und in der Ferne Fabrikschlote;  zwei Jahre später steht ein neues Karlsruhe im Vordergrund

Die Nordweststadt

Die heutige Nordweststadt war ein erster Schwerpunkt. Die Siedlungstätigkeit nahm in den 1920er Jahren ihren Anfang mit dem Projekt der Genossenschaft Eigenhandbau zwischen Hertzstraße, St. Barbaraweg und Postweg. Aber erst Anfang der 1950er Jahre setzte sich der Siedlungsbau mit der Siemenssiedlung im Gewann Binsenschlauch fort, ein für Karlsruhe und die damalige Zeit beachtenswertes Beitrag zum Wohnungsbau eines Konzerns. In den 1960er Jahren schloss sich die Bebauung Lange Richtstatt nach Norden an. Die eigentliche Binsenschlauchsiedlung - ebenfalls in den 1950er Jahren von Donauschwaben errichtet - liegt nördlich des Madenburgwegs. Die Rennbuckelsiedlung geht auf Planungen der Stadt im Jahre 1951 zurück. Für 4.000 Menschen sollten zwischen der Siemensallee, Neureuter-, Landauer- und Berliner Straße Wohnungen in Reihen-, Ein- und Zweifamilienhäusern entstehen. Ein Drittel des Geländes war in städtischem Eigentum. Die Realisierung erfolgte in zwei Stufen und dauerte mehr als zwei Jahrzehnte.

Dem Stadtteil mangelt es an einer städtebaulich eindeutigen Ausformung, was auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Flugplatz-Siedlung verständlich wird. Der seit 1924 reguläre Flugplatz hatte während des Zweiten Weltkriegs seine größte Ausdehnung erhalten, von der heutigen Erzbergerstraße bis zum Postweg bzw. zur Wilhelm-Hausenstein-Allee, im Süden begrenzt durch die Hardtwaldsiedlung und die Nancystraße, im Norden durch die Heide-Siedlung. Seit 1952 bemühte sich die Stadt um die Freigabe des von der amerikanischen Besatzung beschlagnahmten Geländes zur Bebauung. 1953 gelang es eine Fläche von 40 ha zu erhalten. 1955 begann die städtische Volkswohnung mit dem Bau von sechs Wohngebäuden mit insgesamt 112 Wohnungen zwischen der heutigen August-Bebel- und Ludwig-Windthorststraße. Das Stadtplanungsamt hatte ein Jahr zuvor dieses Konzept für einen neuen Stadtteil mit 25.000 Menschen ausgearbeitet. Da die ersten Siedlungsteile auf dieses Gesamtkonzept ausgerichtet gewesen waren, der östliche Geländeteil wegen der späteren militärischen Flugplatznutzung aber nicht frei gegeben wurde, verlor der Gesamtplan an Bedeutung. Teile des vorgesehenen Erschließungssystems wie die sinnvolle Verbindung von der Wilhelm-Hausenstein-Allee zur Knielinger Allee konnten wegen des Sportgeländes der französischen Streitkräfte nicht realisiert werden. In den darauf folgenden Jahren wurden Teilbebauungskonzepte aneinander gesetzt. Durchfährt man diesen Teil der Nordweststadt von Süden nach Norden, so zeigen sich die zur jeweiligen Entstehungszeit gängigen Siedlungstypen vom Zeilenbau der 1950er Jahre bis zum verdichteten Eigenheimbau der 1980er Jahre.

Paul Revere-Village und Waldstadt

Zu Beginn der 1950er Jahre entstand östlich des Flugplatzes die Amerikanersiedlung Paul-Revere-Village für 10.000 Bewohner als erste Waldstadt in Karlsruhe. Eine aufgelockerte Zeilenbebauung wurde in Teilen auf den historischen Strahlengrundriss ausgerichtet. Die Kirche liegt auf der Achse der Welschneureuter Allee. Über 1200 Wohnungen waren es 1995, als die städtische Wohnungsgesellschaft Volkswohnung den größten Teil davon kaufte. Heute leben dort ca. 6.500 Menschen. Etwa zeitgleich mit dem Beginn der Amerikaner-Siedlung startete südlich davon die Landesbausparkasse ein Vorhaben mit 120 Eigentumswohnungen, die ersten ihrer Art in Karlsruhe. Das Wohnungseigentumsgesetz von 1951 ermöglichte den Bau bzw. die Aufteilung eines Wohnungsgebäudes in sogenanntes Sondereigentum. Die Parkring-Genossenschaft begann dort ebenfalls mit dem Bau von Wohnzeilen.

Für die zweite Waldstadt, die Nordoststadt, später Waldstadt genannt, folgte 1957 der erste Spatenstich. Das Land hatte eine Fläche von 170 ha Hardtwald zur Verfügung gestellt. Die Hardtwaldfreunde - sie wurden damals gegründet - konnten mit der Forderung, den übrigen Wald unter Schutz zu stellen, im Zaum gehalten werden. Später wuchs die Siedlung nach Osten in die sogenannte Feldlage.

Mühlburger- und Rintheimer-Feld

In Mühlburg baute die Volkswohnung zwischen 1953 und 1957 eine Wohnsiedlung mit über 1 300 Wohnungen, davon über 900 Wohnungen in fünfgeschossigen, bis zu 80 m langen Zeilen für Zwei- bzw. Drei-Zimmerwohnungen. Die Teilnehmer eines vorausgegangenen Wettbewerbs kamen leider nicht zum Zug. Nach dem städtischen Bebauungskonzept Mühlburg-Ost war westlich des Entenfangs eine Hochhausgruppe als architektonischer Akzent und Auftakt für das neue Wohngebiet gedacht. Hier entstand dann auch 1954 das erste Hochhaus in Karlsruhe, die nächsten folgten 1955 und 1969. Im Osten der Stadt entstand das Rintheimer Feld. Ab 1953 baute die Volkswohnung auf dem 16 ha großen Gelände zwischen Haid-und Neu- und Mannheimer-Straße in einem ersten Bauabschnitt vier- und fünfgeschossige Zeilen mit 870 Mietwohnungen.

Die Entwicklung des gesamtstädtischen Wohnungsbestandes von 1946 bis 1961, dem Jahr der Volkszählung, zeigt bei einer 40%ige Zunahme der Einwohner (von 172.300 auf 242.000) eine Steigerung der Wohnungszahlen um 76 % (44.300 bzw. 78.000). Das statistisch durchschnittliche Verhältnis von Bewohnern pro Wohnung, reduzierte sich damit von ca. vier Einwohnern je Wohnung auf drei. Heute leben in Karlsruhe im Durchschnitt zwei Personen in einer Wohnung.

Architektur

Im Folgenden sollen einige gelungene und heute noch beachtenswerte Bauwerke unsere Aufmerksamkeit finden. So ist die Friedenskirche in Weiherfeld von 1948/49 ein gelungenes Beispiel der sogenannten "Notkirchen", wie sie Otto Bartning nach dem Krieg für viele Kirchengemeinden in Deutschland plante. Sie konnten wegen der einfachen Konstruktionsweise, vorgefertigten Bauteile und manchmal auch durch die Verwendung von Trümmermaterial sehr kostengünstig und schnell errichtet werden.

Die Schwarzwaldhalle, 1953 von Erich Schelling nach seinem Wettbewerbserfolg geplant und innerhalb eines halben Jahres errichtet, dominiert den Festplatz. Mit dem 1955 eröffneten Tullabad, dem ersten Hallenbad-Neubau der Bundesrepublik, geplant vom städtischen Hochbauamt, folgte das nächste Vorhaben im Rahmen des Ziels von Oberbürgermeister Günther Klotz einer Erweiterung des Kultur- und Sportzentrums am Festplatz. 2007 als Schwimmbad geschlossen konnte es nach der Umgestaltung zum 300jährigen Jubiläum der Stadt als Exotenhaus wieder eröffnet werden.

Das Hochhaus am Schmiederplatz, heute Mathystraße, mit dem vorgelagerten zweigeschossigen Bau an der Karlstraße, von Karl Brannath geplant und 1953-1955 errichtet, besticht durch die einfache und qualitätvolle Architektur.

1953-1955 entstand das Hochhaus mit vorgelagerter Einkaufszeile an der Ecke Karl-/Mathystraße (Schmiederplatz), Foto um 1960

Beim Durchschreiten der Seminarstraße sollte der Blick auf die Hausnummern 4-8 fallen, wo die Architekten Brunisch, Heidt und Knopf 1953 eine besondere Architektur für den Geschoßwohnungsbau gestalteten.

Innerhalb des ersten Vierteljahrhunderts nach dem Krieg sind auch zahlreiche, für Karlsruhe typische Bauwerke, Ensembles, Stadträume verloren gegangen. Das verlorene Ständehaus oder der nur äußere Wiederaufbau des Markgräflichen Palais am Rondell sind dafür Beispiele. Die Ausstellung "Die stille Zerstörung" in der Kunsthalle im Jahre 1975 - es war das Europäische Denkmalschutzjahr - hat viele dieser Verluste für Karlsruhe erstmals öffentlich thematisiert.

Blicken wir abschließend nochmals zurück, so zeigt sich schon in der ersten Hälfte der 1950er Jahre, dass in Karlsruhe der Wille zur Entwicklung einer modernen Stadt vorhanden war. Die zwei abgebildeten Titelblätter einer damals erscheinenden Zeitschrift mit offiziellem Charakter illustrieren dies.

Dr. Harald Ringler, Leiter des Stadtplanungsamts i. R.

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