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Blick in die Geschichte Nr. 133

vom 17. Dezember 2021

Fest in Familienhand

Die Posthaltereien der Residenzstädte Durlach und Karlsruhe

von Klaus Beyrer

Wer sich dem Durlacher Postamt von der Stadtseite nähert, quert die als Sackgasse endende Herzogstraße. Im Zuge der Eingemeindung Durlachs nach Karlsruhe war die ehemalige Poststraße zur Vermeidung von Dopplungen 1938 umbenannt worden. Den neuen Namen schlug damals Friedrich Eberle vor - Durlachs erster Konservator und Gründer seines Pfinzgaumuseums. Mit dem Juristen Ernst Sigmund Herzog (1747-1820) wurde nicht nur ein hoher Beamter am Karlsruher Hof gewürdigt, als Enkel des ersten Durlacher Postmeisters Johann Sigmund Herzog (1667-1726) stand sein Name zugleich für ein erfolgreiches Familienunternehmen, in dessen Händen die Leitung der Durlacher Postexpedition über ein Jahrhundert lag.

Für Baden-Durlach nahm eine landesherrliche Postanstalt unter Markgraf Friedrich Magnus Gestalt an. Der seit 1677 amtierende Fürst versprach sich von dem Postprojekt Anerkennung und Prestigegewinn. Angesichts des Pfälzischen Erbfolgekriegs (1688-1697) hatte er seine Pläne zunächst jedoch zurückzustellen. Auch Durlach blieb von dem verheerenden Krieg nicht verschont. Französische Truppen brannten es im August 1689 nahezu restlos nieder.

Gasthaus zum Goldenen Kreuz, 1811 erbaut, Postwagen-Expedition, ab 1823 auch Posthalterei

Die Posthalterei Durlach und die Familie Herzog

Als sich die Residenzstadt an den Wiederaufbau machte, war Johann Sigmund Herzog der Mann der Stunde. Der Sohn eines Taglöhners erwarb von dem wohl nach dem Großen Brand verstorbenen Bürger Hans Peter Steinmetz das Gasthaus "Zur Blume", das als Poststation besonders gut geeignet war. Seine vorteilhafte Lage außerhalb der Stadtmauer erlaubte es dem reisenden Publikum, selbst nach Torschluss in der "Blume" abzusteigen und sicher zu nächtigen. Von Amts wegen wird Johann Sigmund erstmals 1703 als ihr Besitzer erwähnt. Seit der Jahrhundertwende war der Blumenwirt dazu mit den Kompetenzen eines "Badischen Landpostmeisters" ausgestattet. Da Friedrich Magnus dem Stuttgarter Posthalter Johann David Reinöhl 1698 die Durchfahrt genehmigt hatte, wurden Johann Sigmund als Ausgleich Landkutschenkurse nach Straßburg, Heidelberg und bald auch nach Pforzheim konzessioniert. Endlich erhob der Landesfürst das Amt Herzogs zu einem Erblehen - ein die familiäre Zukunft sichernder Akt von unschätzbarem Wert. 1703 schloss Johann Sigmund mit der 15 Jahre jüngeren Anna Maria Fellner aus Bretten den Ehebund. Drei Söhne und eine Tochter sollten das Rückgrat des aufstrebenden Familienbetriebs bilden.

Zu einer ernsten Krise kam es allerdings, als Johann Sigmund auf den Landkutschen mit Zustimmung seines Landesherrn die Personenbeförderung um Brief- und Paketdienste erweiterte und damit in ein unausgesprochenes Monopol der taxisschen Reichspost vorstieß. Im Gegenzug schlossen die Taxis Durlach schlicht aus ihrem Briefverkehrsnetz aus. Es bedurfte höchster diplomatischer Anstrengungen, um den rasch eskalierten Streit beizulegen. Im Ergebnis übernahm die Reichspost 1718 die Durlacher Posthalterei auf eigene Kosten. Doch behielt Johann Sigmund seine Position als Hofpostmeister bei, mehr noch, er wurde in Personalunion mit den Aufgaben eines Reichsposthalters betraut.

1726 starb Johann Sigmund 59-jährig. Sein Erbe teilten sich die beiden älteren Söhne: Georg Adam (*1705) trat in das Postgeschäft ein, der gleichnamige Sohn Johann Sigmund (*1707) übernahm die Wirtschaft. Dass der zweitälteste Sohn den Vornamen des Vaters trug, wird in den Stadtchroniken nahezu ausnahmslos übersehen. Aus dem Blick gerät insofern auch eine spektakuläre Doppelhochzeit: 1729 heirateten Johann Sigmund junior und dessen Schwester Sophie Salome (*1710) in die Herrenalber Familie des angesehenen Klosterwirts und Bürgermeisters Jakob Friedrich Benckiser ein und trugen so erheblich zur sozialen Aufwertung des Durlacher Familienunternehmens bei.

In der zweiten Generation baute Georg Adam Herzog das Anwesen aus, indem er einem Ratsprotokoll zufolge in der Blumenvorstadt weitere "2 Häuslein und Höflein" erwarb. Die angrenzenden Unterkünfte und Stallungen dienten dem wachsenden Bedarf an Personal und an Pferden. Zur Jahrhundertmitte beschäftigte Georg Adam neben Kellnern, Knechten und Gesellen annähernd ein Dutzend Postillione und Postschreiber. An Grundbesitz kamen mit der Zeit Äcker, Wiesen, Weingärten, Haus- und Krautgärten im Gesamtumfang von 73 ½ Morgen (rund 25 ha) hinzu.

Seine Erträge aus dem Postgeschäft in Höhe von jährlich mehreren Tausend Gulden (des drei- bis vierfachen Jahresverdienstes eines Handwerksmeisters) investierte Georg Adam nicht zuletzt in Gewerbebetriebe und Werkstätten. In Kooperation mit zwei Durlacher Bürgern gründete der umtriebige Posthalter 1747 eine Seidenkompagnie und Manufaktur zur Herstellung von Kattunstoffen und gemeinsam mit dem Schwager Johann Adam Benckiser übernahm er zwei Jahre später die Geschäftsleitung der weit über die Grenzen der Stadt bekannten Fayence-Fabrik. Zum gesellschaftlichen Aufstieg der Familie trugen ferner die Tochter Margaretha Catharina (*1731) bei, die einem promovierten Hofrat das Jawort gab, sowie die Enkeltochter Luisa Christina (*1786), die erneut ein Mitglied des Benckiser-Clans zum Ehemann nahm - den mittlerweile in Pforzheim ansässigen Schmuckfabrikanten Johann Adam Benckiser junior.

Die Karlsruher Posthaltereien

Auch in der jungen Residenzstadt Karlsruhe gab die Familie Herzog bei der Gründung der ersten Posteinrichtung den Takt vor. Im eigens umbenannten Gasthaus "Zur Post" (ehemals "Zum Bock") in der Langen Straße (heute Kaiserstraße) eröffnete Georg Adam 1731 ein "Briefbureau", das er aber in Kommission an den Mundkoch Andreas Berner abtrat. Damit nicht genug, errichtete der Wirt des Gasthauses "Zum Waldhorn", Johann Michael Richter, 1740 eine weitere Posthalterei mit Stallungen. Anders als in Durlach teilten sich in Karlsruhe zwei Wirte das postalische Angebot: Während Berner und dessen Sohn Johann Andreas für die Briefpost aufkamen, die Landkutschen Herzogs abfertigten und an Reisende Pferde vermieteten, hielt vor dem "Waldhorn" die sogenannte Ordinari-Fahrpost der Taxis und dazu seit 1742 eine erstmals rechtsrheinisch verkehrende "Geschwindkutsche" auf dem Weg von Frankfurt nach Basel.

Bereits nach wenigen Jahrzehnten wurde das Postgeschäft in Karlsruhe familiär neu geregelt. Die taxissche Fahrpostexpedition wechselte 1753 vom "Waldhorn" zum "Kreuz" mit dessen Wirt Andreas Fischer (*1721), während auf Johann Andreas Berner 1770 der Wirt des Gasthauses "Zum Erbprinz", Theodor Christoph Kreglinger (*1731), folgte, der damit die Expedition der Landespost übernahm. In einer ersten Amtshandlung hob der Erbprinzenwirt - ein Sohn des Stadtbürgermeisters Johann Sebald Kreglinger - das Abhängigkeitsverhältnis zur Durlacher Post auf, die zu dieser Zeit unter der Leitung von Maria Christina Herzog, der Witwe Georg Adams, stand. Freilich bedeutete die Abnabelung Karlsruhes für das Durlacher Familienunternehmen bereits den Beginn eines schleichenden Niedergangs, der sich 1782 mit dem Tod Maria Christinas fortsetzte. Nach dem Ablauf des Trauerjahrs traten die Söhne Ernst Sigmund und Georg Friedrich Herzog ihr Landkutschenprivileg 1783 für die stolze Summe von 26.800 Gulden (etwa das Zehnfache der Jahreseinnahmen ihrer Posthalterei) an die Reichspost der Thurn und Taxis ab.

Die Entwicklung nach 1806

Das Ende des Alten Reichs 1806 und Badens Erhebung zum Großherzogtum markierten für die Postadministration den Beginn eines neuen Zeitalters. Noch im gleichen Jahr richtete Karlsruhe ein Großherzogliches Oberpostamt ein, das auch das Briefpostbureau aus dem "Erbprinz" übernahm. Nach einem Interim des Hauses Thurn und Taxis als Lehensnehmer verstaatlichte Baden das Postwesen 1811. Die präsidialen Verwaltungsaufgaben bündelte ab 1814 eine neu geschaffene Oberpostdirektion, die sich gemeinsam mit dem Oberpostamt und dem Briefpostbureau in der Adlerstraße niederließ. Dessen ungeachtet versahen weiterhin Kreuzwirt Fischer die Postwagenexpedition für den Überlandverkehr und Erbprinzenwirt Kreglinger die Posthalterei mit regionaler Ausrichtung.

1808 erlosch die Durlacher Posthalterdynastie in vierter Generation mit dem Tod des letzten Posthalters, des erst 27-jährigen Ernst Friedrich Herzog. Noch in demselben Jahr wurde die Hauptpost nach Karlsruhe verlegt. Der Onkel, Ernst Sigmund, Namensgeber der heutigen Durlacher Herzogstraße, hatte sich für eine Beamtenlaufbahn entschieden und stand als Nachfolger nicht zur Verfügung. Ähnlich endete die Ära der Erbprinzenwirte Kreglinger: Enkel Theodor Georg Kreglinger (*1788) zog der Expedition im Poststall eine lukrative Verwaltungsaufgabe bei der Oberpostdirektion vor. Nach dem Tod des Vaters Sebald Eberhard Kreglinger (1762-1822) wurden Posthalterei, Poststall und Postwagenexpedition zusammengefasst und 1823 in der Kreuzstraße unter die Leitung der Fischer-Enkel Christian und Gustav (* beide nach 1784) gestellt.

Bekanntmachung im Karlsruher Intelligenz- und Wochenblatt vom 18. April 1822

Ab 1822 wertete Baden seinen fahrplanmäßigen Personenverkehr durch leichte und schnelle Postkutschen auf; ab 1829 hielt vor dem "Goldenen Kreuz" der Fischer-Brüder täglich ein "mit Beschleunigung befördernder" 14-sitziger Eilwagen. Unter dem Eindruck einer enorm wachsenden Nachfrage bei den Reisediensten bauten sie ihre Posthalterei zu einem Großunternehmen aus. Verfügte Johann Sigmund Herzog einst über gerade einmal drei Pferde, standen in den 1830er-Jahren in dem wiederholt vergrößerten Poststall der Fischer-Brüder nicht weniger als 70 Rösser. Zur Jahrhundertmitte erreichten Reisende auf den Postkutschen im Großherzogtum Baden nahezu jeden Ort täglich.

Dr. Klaus Beyrer, Volkskundler, stellvertretende Direktor des Postmuseums in Frankfurt i. R.

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