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Pressebericht über das Stadtmuseum
(pm/red.) Vom 9. Mai bis 16. Juni zeigen das Stadtmuseum und der Verein "Lernort Kislau" die Ausstellung "Auftakt des Terrors. Frühe Konzentrationslager im Nationalsozialismus" im Stadtmuseum im Prinz-Max-Palais. Als Begleitangebot findet am Sonntag, 9. Juni, 15 Uhr eine Kuratorinnenführung durch die Ausstellung mit Luisa Lehnen vom Lernort Kislau statt, teilt die Stadt mit.
"Schwerarbeiter Marum muss Erbsen brockeln", so lautete die höhnische Bildunterschrift unter einem im Juli 1933 im NSDAP-Organ "Der Führer" abgedruckten Foto, das den Karlsruher Reichs- und Landespolitiker bei Küchenarbeiten im KZ Kislau nahe Bruchsal zeigt. Wie Ludwig Marum waren in den Monaten zuvor auch zahlreiche weitere Männer aus Karlsruhe und der Region nach Kislau oder in eines der beiden anderen Konzentrationslager verschleppt worden, die die Nazis im Land Baden errichtet hatten.
Ludwig Marum, geboren am 5. November 1882 in Frankenthal in der Pfalz, war ein deutscher Rechtsanwalt und Politiker der SPD. Von 1928 bis 1933 war er Reichstagsabgeordneter. Da Marum jüdischer Herkunft war und sich politisch für die Weimarer Demokratie und gegen den Nationalsozialismus eingesetzt hatte, wurde er 1933 inhaftiert und am 29. März 1934 im KZ Kislau von SA- und SS-Leuten ermordet. Die Stadt Karlsruhe hat eine Straße nach ihm benannt, die SPD Karlsruhe vergibt seit 1988 jährlich einen Ludwig-Marum-Preis. Seit 1985 trägt das Gymnasium im Pfinztal seinen Namen, seit 1998 schreibt eine dem Gymnasium nahestehende Stiftung den Ludwig-Marum-Preis aus.
Der Begriff "Konzentrationslager" lässt die meisten Menschen vor allem an Gaskammern, Krematorien und industrialisierten Massenmord denken. Dass dieser Massenmord erst in der Hochphase des Zweiten Weltkriegs in Gang gesetzt wurde, ist nur Wenigen bekannt. In Vergessenheit geraten ist damit zugleich die Geschichte der sogenannten "frühen Lager" wie eben zum Beispiel des KZ Kislau auf der Gemarkung der heutigen Gemeinde Bad Schönborn. Bei der Etablierung der NS-Diktatur kam den frühen Lagern eine zentrale Rolle zu: Die politischen Gegner der Nazis sollten neutralisiert und gedemütigt, Widerstand möglichst im Keim erstickt werden. Zugleich erprobten die NS-Machthaber in diesen Lagern Instrumentarien der Gewalt. Der Weg in den millionenfachen Mord war damit nicht vorgezeichnet, aber geebnet: Die frühen Lager markierten demnach den Auftakt des Terrors – und sie können als Lehrstück dafür dienen, wie schnell die Demontage eines Rechtsstaats und die Errichtung einer von grenzenloser Willkür geprägten Diktatur vonstattengehen kann.
Gemeinsam mit der KZ-Gedenkstätte Dachau, der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen und rund einem Dutzend weiterer Einrichtungen hat der in Karlsruhe ansässige Verein Lernort Kislau eine Ausstellung erarbeitet, in der die Geschichte der frühen Lager erstmals für ein breiteres Publikum aufbereitet wird. An elf Stationen informiert die Schau über die Funktion der frühen Lager im nationalsozialistischen Herrschaftssystem. Anhand exemplarischer Einzelschicksale führt sie die nie dagewesene Brutalität vor Augen, die auch schon die Frühphase der NS-Diktatur kennzeichnete. Schirmherrin der Ausstellung ist Staatsministerin Claudia Roth.
Seit Anfang 2023 wandert das Ausstellungsexemplar des Lernort Kislau durch unsere Großregion. Nach über einem Jahr ist es nun endlich wieder in Karlsruhe und damit in der Stadt zu sehen, der als badischer Landeshauptstadt aus Sicht der Nazis eine ganz besondere Bedeutung bei der Zurichtung und Zurschaustellung ihrer Gegner zukam. Der Eintritt in die Sonderausstellung und die Teilnahme an der Führung sind kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Infos zur Ausstellung und zum Begleitprogramm unter www.karlsruhe.de/stadtmuseum
Der "Lernort Kislau" mit Sitz in Karlsruhe widmet sich der Erforschung und Vermittlung badischer Landesgeschichte in den Jahren 1918 bis 1945. Namengebendes Ziel des Vereins ist die Errichtung einer modernen Bildungsstätte auf dem Areal des Konzentrationslagers Kislau südlich von Heidelberg. Darüber hinaus bietet er Vorträge, Workshops und Tagungen sowie unterschiedliche digitale und mobile Bildungsformate an. Mit der Wanderausstellung "Auftakt des Terrors: Frühe Konzentrationslager im Nationalsozialismus" sowie mit seinem speziell für junge Menschen entwickelten Geschichtslabor "Wo fängt Unrecht an?" zeigt der Verein im gesamten badischen Landesteil Präsenz. Seine Arbeit wird vom Land Baden-Württemberg sowie von mehreren nordbadischen Gebietskörperschaften finanziert.
Quelle: Durlacher Blatt | 24. Mai 2024