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Blick in die Geschichte Nr. 100

vom 20. September 2013

Carlsruher Blickpunkte

Grabstätte auf einem Fächerstrahl

von Manfred Koch

Dass das Grabmal des Markgrafen Karl Wilhelm, die Pyramide auf dem Marktplatz, inmitten des zentralen Fächerstrahls seiner Stadtgründung liegt, dürfte zum historischen Grundwissen in Karlsruhe gehören. Dass es aber eine zweite Grabstätte auf einem Fächerstrahl in der Stadt gibt, ist eher Spezialisten bekannt. Diese Grabstätte ist zwar mit ihrer Grundfläche von 3,10 m im Quadrat und 4,75 m Höhe durchaus imposant, sie lag jedoch bis vor zehn Jahren eher versteckt in einer Ecke des Alten Friedhofs an der Kapellenstraße. Dort aber hatte sie sehr wohl einen herausgehobenen Platz, denn sie lag in der Verlängerung der östlichsten Radialen, der Waldhornstraße, am Ende der kurzen Hauptallee dieses Friedhofs vor einer Sandsteinmauer.

Nach der Auflassung des Friedhofs 1874 wurde das Gelände zu einem mehrfach umgewandelten Park mit den erhaltenen bedeutenden Grabstätten. Erst mit der Realisierung der stadtplanerischen Entwicklung entlang der alten Kriegsstraße Ost und der Bebauung des ehemaligen Bahnareals südlich davon endete das Schattendasein des Grabmals unter dem alten Baumbestand. Mit der Eröffnung des Neubaus für das Friedrich-List-Gymnasium 2003 an der neuen Ludwig-Erhard-Allee öffnete man mit dem Abbruch der Sandsteinmauer zum Pausenhof der Schule einen Durchgang für Radfahrer und Fußgänger zur Ludwig-Erhard-Allee. Auf dem so verlängerten Fächerstrahl steht das Grabmal nun voll im Blickfeld all jener, die hier an ihm vorbeikommen.

Grabmal von Johann Leonhard Walz 2013, im Hintergrund das Friedrich-List-Gymnasium an der Ludwig-Erhard-Allee

Für wen dieser herausgehobene Grabplatz geschaffen wurde, das verrät die immer noch zu entziffernde Inschrift auf der dem Schloss zugewandten Seite: "Johann Leonhard Walz / Geboren den 20ten Sept. 1749 / Gestorben den 8ten Decbr. 1817 / Hier als Prediger angestellt, 32 Jahre." Walz war aber nicht irgendein Pfarrer, sondern der langjährige Karlsruher Oberhofprediger, der dieses Amt 1792 von seinem Vater übernommen hatte. Er wurde in Lörrach geboren, als sein Vater dort noch Stadtpfarrer war. Walz genoss nicht nur das Vertrauen des Markgrafen und späteren Großherzogs, sondern auch hohe Anerkennung in der Bevölkerung. Das rührt sicher daher, dass Walz, wie es in einer kurzen Biografie heißt, "während einer langen Reihe von Jahren allen Festen der Freude und allen Tagen der Trauer im großherzoglichen Haus und in der Residenzstadt Worte des Segens, der Erbauung und des Trostes gespendet hat." Seine mit einem "mächtigen Organ" vorgetragenen Reden "suchten ergreifend und erschütternd auf das Gefühl einzuwirken."

Der Entwurf für das 1818 aus rotem Bundsandstein errichtete Grabmal stammt von dem Weinbrenner-Schüler Christoph Arnold. Auf einem niedrigen Sockel mit einem Blattwerkfries ruht ein massiver bis auf die von zwei schmalen Vasen gerahmte Inschrift schmuckloser Kubus. Er trägt einen tempelartigen Baldachin in dessen Mitte mit Blickrichtung zum Schloss eine von dem Bildhauer Joseph Kayser geschaffene Büste des Verstorbenen im geistlichen Ornat stand. Die stark beschädigte Bronzebüste und ein Gipsmodell dafür werden heute im Stadtmuseum aufbewahrt. Der plastische Schmuck am Gesims des Dachaufsatzes verweist auf die antike Tradition, in der Arnold das Grabmal gestaltet hat. Es sind sogenannte Akroterien, von denen die an den Ecken mit Jupiterköpfen ausgestattet sind. Der turmartige Abschluss ist mit geflügelten Gestalten aus der griechischen Mythologie und einer Allegorie der Hoffnung verziert. Das repräsentative Grabmal "zählt zum Besten, was der (badische) Klassizismus auf dem Gebiet der Sepulkralarchitektur hervorgebracht hat." (G. Everke)

Aus früherer Zeit sind Spukgeschichten um das Walzsche Grab vor allem aus dem angrenzenden "Dörfle" überliefert. Der Tote sei in den ersten Tagen nach dessen Fertigstellung auf der Hauptallee des Friedhofs gesehen worden. Vorbeikommenden Bürgern soll er erklärt haben, er sei eines so prächtigen Grabes nicht würdig, man solle ihm ein anderes geben. Grund für diesen Wunsch, so wurde spekuliert, könnte die allzu große Nachsicht von Walz gegenüber dem lasterhaften Lebenswandel des späteren Großherzogs Ludwig gewesen sein.

Die Freistellung des trotz aller Spukgeschichten an seinem Platz gebliebenen Grabmals ist auch eine bewusste Referenz der Stadtplanung an die Tradition des Karlsruher Fächergrundrisses. Diese reicht aber noch deutlich weiter. Wer mit dem Rücken zu dem Grabmal den Blick auf die Bürohäuser jenseits der Ludwig-Erhard-Allee richtet, der wird bemerken, dass für den Fächerstrahl dort bewusst eine Lücke als Sichtachse zur Marie-Juchacz-Straße gelassen wurde, die den Verlauf des Fächerstrahls wieder aufnimmt.

Dr. Manfred Koch
Herausgeber / Redaktion Blick in die Geschichte

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