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Blick in die Geschichte Nr. 105

vom 12. Dezember 2014

Carlsruher Blickpunkte

Ein fragwürdiges Ehrenmal

von Jürgen Schuhladen-Krämer

Wer in der Hildapromenade am Grünstreifen beim Haydnplatz vorbeigeht oder -fährt, wird vermutlich schon einmal den wuchtigen Steinblock aus Muschelkalk bemerkt haben, 1,68 Meter hoch und 2,90 x 1,38 Meter in der Fläche. Doch nur die wenigsten dürften dieses als Sarkophag gestaltete Denkmal bewusst wahrnehmen. Den Zweck teilt die Aufschrift auf der Vorderseite mit: "DIE 35. DIVISION IHREN GEFALLENEN 1939-1945". Die Rückseite listet die verschiedenen Einheiten dieser Wehrmachtsdivision auf, die Seitenflächen zieren das Erkennungszeichen der Einheit, ein stilisierter Fisch (Symbol seit 1941 in Anlehnung an den damaligen Kommandeur General Walther Fischer von Weikersthal) sowie das deutsche militärische Ehrenzeichen schlechthin, das Eiserne Kreuz. Dieses Ehrenmal gehört zur Gattung Kriegerdenkmäler, von denen nach dem Ersten Weltkrieg zahlreiche in der Stadt geschaffen wurden. Für eine nationalsozialistische Wehrmachtseinheit gibt es hingegen nur dieses eine im öffentlichen Raum in Karlsruhe.

Gefallenenehrenmal der 35. Infanterie-Division auf dem Grünstreifen der Hildapromenade beim Haydnplatz 2014

Eingeweiht und der Stadt übergeben wurde es am 30. Mai 1964 vom "Kameradendienst der 35. Infanteriedivision e.V." anlässlich ihrer 3. Wiedersehensfeier. Der Ausführungsentwurf stammt vom Karlsruher Kunstmaler und Buchillustrator Bogislav Groos (1905-1969). Die beiden steinernen Sitzbänke davor wurden 1971 aufgestellt. 1964 hatte der Vorsitzende des "Kameradendienstes", Dr. Eberhard Knittel (1899-1989), bei der Feierlichkeit ausgeführt: "zusammenfassend muss gesagt werden: Wir haben nicht den geringsten Anlass, […] uns unserer soldatischen Vergangenheit zu schämen", und, "in der Treue, in der Kameradschaft, in der Tapferkeit und in der vaterländischen Gesinnung, geben die alten Soldaten ein Vorbild ab". Hier wurde der Mythos eines zeitlosen Soldatenbildes gepflegt, das keinerlei Kritik duldete oder diese stets als angebliche Lüge und Beschmutzung einer imaginierten Soldatenehre abzuweisen suchte.

Die Beteiligung der Division an Kriegsverbrechen

Die 35. Infanteriedivision, die 1941 unmittelbar vor Moskau stand, war an Kriegsverbrechen in der Sowjetunion beteiligt. Sie war 1936 mit Divisionsstab in Karlsruhe aufgestellt worden und hatte Einheiten verteilt auf Baden und Württemberg. Die historische Forschung hat ihre wesentliche Beteiligung beim Großverbrechen von Ozarichi, 150 Kilometer südöstlich von Minsk nahe Bobrujsk gelegen, im Frühjahr 1944 aufgearbeitet. Das Oberkommando der 9. Armee der Heeresgruppe Mitte hatte im März 1944 angesichts der aussichtslosen militärischen Lage einen Rückzug geplant unter Verbringung der arbeitsfähigen Bevölkerung zur Zwangsarbeit in das Reich. Die nichtarbeitsfähige Bevölkerung, Sieche, Alte und Kranke, sollten dagegen in den aufzugebenden Raum geschaffen werden, um sie nicht ernähren zu müssen und sie der Roten Armee zuzutreiben. Diese sollte bei ihrem Vormarsch durch die zahlreichen Typhus- und Fleckfiebererkrankten aufgehalten werden. Zu diesem Zweck waren in der vom 12. bis 19. März dauernden Aktion sieben Konzentrationslager im Sumpfwald bei Ozarichi errichtet worden, ohne Baracken und sonstige Anlagen, allein mit Stacheldraht und Maschinengewehr-Türmen umgeben. Verschiedene Wehrmachteinheiten, darunter die 35. Infanteriedivision, trieben über 40.000 Zivilisten in die Lager. Schon beim Marsch in die Lager starben viele Zivilisten entkräftet oder wurden erschossen, auch in die Lager selbst wurde hineingeschossen. Mindestens 9.000 Menschen wurden so unter Verantwortung der Wehrmacht, weniger des Sonderkommandos 7a der SS-Einsatzgruppe B, ermordet.

Daneben war die 35. Division verantwortlich für zahllose andere Verbrechen in der Sowjetunion. Dieser Krieg war von vornherein als "Eroberungs- und Vernichtungskrieg" angelegt. Im Minsker Nationalarchiv liegen viele Dokumente, die zeigen, dass Angehörige der 35. Infanteriedivisionen beim Vormarsch 1941 wie bei den anschließenden Rückzügen Zivilisten erschossen, Häuser und Dörfer nieder brannten und auch Frauen vergewaltigten.

Die Vorgeschichte der Denkmalssetzung

Die "Kameradschaft" der 35. Infanteriedivision hatte im Januar 1952 in einem Schreiben an den Karlsruher Oberbürgermeister Günther Klotz gefordert, am früheren Divisions-Standort Karlsruhe ein "würdiges" Denkmal zu errichten, etwa eine stehende oder liegende Bronze-Platte. Hinzugefügt wurde, dass "der Friedhof nicht in Frage kommt, sondern die Kameradschaft Wert darauf legt, dass das Denkmal in der Mitte der Stadt [...] Aufstellung findet", möglichst beim Ettlinger oder Mühlburger Tor. Im Rathaus reagierte man zustimmend und beauftragte das Stadtplanungsamt, die Umsetzung zu unterstützen.

Die Wünsche der Kameradschaft zur Errichtung eines Denkmals fielen in eine Zeit, in der in der Bundesrepublik Deutschland die Entnazifizierung zugunsten der Integration ehemaliger nationalsozialistisch Belasteter abgebrochen und die Wiederbewaffnung geplant und durchgesetzt worden waren. Das "131er-Gesetz" regelte 1951 die Wiedereingliederung von Beamten und von ehemaligen Berufssoldaten der Wehrmacht. Der Kalte Krieg und die Konfrontation mit der Sowjetunion ließen den nationalsozialistischen Krieg gegen diese im Nachhinein sogar gerechtfertigt erscheinen.

Die Stadt schlug der "Kameradschaft" als Platz für das Denkmal den Nymphengarten oder die Grünfläche bei der Christuskirche vor. Die Pläne der "Kameradschaft" gingen inzwischen über eine bronzene Platte hinaus. Der erste Skizzenentwurf noch aus dem Jahr 1952 zeigt ein Denkmal größerer Dimension, mehr einen monumentalen Sarg oder gar einen Altar. 1957 wurde dem Oberbürgermeister ein nicht mehr überlieferter Entwurf zugesandt, der wohl nicht wesentlich von der Skizze von 1952 abwich. Die zwischenzeitliche Idee, das Denkmal mit einem Stahlhelm auszuführen, schien der "Kameradschaft" selbst überdimensioniert, weswegen sie alternativ einen Eichenkranz vorschlug. Bei dieser Gelegenheit sprach sie dem Oberbürgermeister und seinen Mitarbeitern bereits den "herzlichen Dank" für das entgegengebrachte Wohlwollen aus.

Der weitere Verlauf der Denkmalssetzung lässt sich nur mittelbar erschließen, da die Aktenüberlieferung abbricht. Die Kameradschaft schlug von der Stadt angebotene Standorte etwa an der Ecke Moltkestraße, Parkring aus, da er ihr zu peripher erschien. Sie wünschte beharrlich die Aufstellung am Friedrichsplatz in der Platzmitte vor dem Museum. Der Gemeinderat hatte sich allerdings laut den Tagesordnungen und den Offenlagen nie mit der Denkmalaufstellung befasst. Der schließlich 1964 gefundene Platz liegt eher außerhalb der Stadtmitte, dabei nahe der Kaserne des ehemaligen 109. Infanterieregiments, einer der Einheiten der 35. Division.

Die relativ lange Zeit bis zur Ausführung des Denkmals war keiner grundsätzlichen Auseinandersetzung geschuldet, sondern der Problematik, dass Flächen in Karlsruhe in der zweiten Wiederaufbau- und der Neugestaltungsphase Änderungen unterworfen waren. Ein anderer Grund war, dass die "Kameradschaft" die Einweihung des Denkmals und eine Publikation zur Geschichte der 35. Division zusammen fallen lassen wollte.

Das Denkmal verwendet in seiner äußeren Form nur scheinbar eine andere ästhetische und Formensprache als Kriegerdenkmäler zum Ersten Weltkrieg. Die Stilisierung des Heldentums deutscher Soldaten war mit der kompletten Niederlage der Wehrmacht und dem Untergang des verbrecherischen NS-Staates nicht mehr möglich. So werden in diesem Denkmal die Wehrmachtsoldaten nun selbst zu "Opfern" umgedeutet, ihre Täterschaft an Verbrechen verschwiegen, keine Verantwortlichkeiten thematisiert. Das Denkmal ist damit auch steingewordener Umgang mit der NS-Geschichte und der Wehrmacht in der Frühphase der Bundesrepublik Deutschland. In Kenntnis der Beteiligung der Division an Kriegsverbrechen fordert die Präsenz des Denkmals im öffentlichen Raum Widerspruch heraus.

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