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Blick in die Geschichte Nr. 108

vom 25. September 2015

Integration als Lebensaufgabe

Mir Mohammad Mir Mohammedi

von Heidi Meier-Menzel und Bahman Mobasheri

Im Jahr 2016 wäre Mir Mohammad Mir Mohammedi 85 Jahre alt geworden. Noch immer ist er in der Stadt präsent durch seine vielfältigen und zahlreichen Kontakte, die er pflegte, und die Akzente, die er setzte mit seinem Schaffen, insbesondere in seiner Fürsorge für Flüchtlinge.

Der gebürtige Azeri aus Liwerdshan im heutigen Persien wuchs mehrsprachig auf, zwangsweise musste er die persische Sprache erlernen, da er genau im Grenzgebiet zwischen Iran und Azerbaidschan lebte. Es war eine Epoche des Aufbruchs, der sich auch gegen die Restriktionen des Schah-Regimes richtete. Und Mohammedi beteiligte sich selbstverständlich engagiert an den Demonstrationen, die ihm bald zum Verhängnis wurden. Seit 1955 hatte er als Lehrer gearbeitet, aber die politischen Repressalien des Schah-Regimes wurden zu groß. Als die Unruhen sich weiter ausbreiteten, entschloss er sich 1957 zur Flucht nach Deutschland.

Hier zunächst in Hamburg angekommen und dann 1958 zum Studium der Elektrotechnik nach Karlsruhe weiter gezogen, war er fasziniert vom regen politischen Leben. Er schloss sich in den sechziger Jahren der Studentenbewegung an und nahm Teil an den beginnenden Demonstrationen gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt, als die ersten Flüchtlinge aus Eritrea, Afghanistan und Iran kamen. 1970 schloss Mohammedi sein Studium als Diplomingenieur ab und begann seine Bemühungen deutscher Staatsbürger zu werden. Dies konnte ihm aber wegen bestehender Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Iran erst 2000 gewährt werden.

Mir Mohammad Mir Mohammedi (1931-2003)

Mohammedi entwickelte ein unglaubliches Engagement, denn er war auf vielen Ebenen aktiv. Als Mitglied der iranischen Studentenvereinigung CISNU beteiligte er sich nun auch in Deutschland an den Demonstrationen gegen den Schah, was für ihn keinesfalls ungefährlich war. Als ihm 1974 die Abschiebung in den Iran drohte, wo ihm als Regimegegner mindestens eine lange Haftstrafe drohte, rettete ihn die weitreichende Anerkennung seiner parteiübergreifenden Aktivitäten in der Stadt. Unterstützt von einer großen Solidaritätskampagne verhinderte das Oberverwaltungsgericht die Abschiebung.

Seine Aufgeschlossenheit ermöglichte Mohammedi den Zugang zu allen Teilen der Gesellschaft. Er besuchte alle Einrichtungen, die sich mit Fragen der Zeit auseinandersetzten und fand einen schnellen Zugang zu den Menschen. Er interessierte und engagierte sich auch für die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit. So zählte er seit 1988 zu den Mitveranstaltern des Gedenkens an die Reichspogromnacht von 1938, zu der er insbesondere junge Menschen persönlich eingeladen hat. Mohammedi unterstützte ebenso das Menschenrechtszentrum in Karlsruhe. Dort erfreute ihn die große Beteiligung junger Menschen unterschiedlicher politischer Ausrichtung. Er engagierte sich ebenfalls im Christlich-jüdischen Dialog.

Leidenschaftlich setzte er sich auch für die Integration von Flüchtlingen in Karlsruhe ein, insbesondere, als er bemerkte, dass Rechtsradikale versuchten, Einfluss zu nehmen. Regelmäßig besuchte er in den darauf folgenden Jahren auch das von Caritas und Diakonie etablierte Beratungszentrum für Flüchtlinge wie auch das Menschenrechtszentrum, um sich zu informieren. Oft nahm er sich persönlich traumatisierter Opfer an und versuchte, die leidgeprüften Menschen zu trösten und ihnen Zuversicht zu vermitteln.

Seit der Bildung des Ausländerbeirats 1992 gehörte er diesem städtischen Gremium an. Trotz zahlreicher Verpflichtungen hat er seine Teilnahme am Schicksal der Flüchtlinge in Karlsruhe nie vernachlässigt. Wir konnten uns auf ihn verlassen, wenn es darauf ankam.

Mohammedi war Mitglied in unzähligen Vereinen, so dass er immer auf dem Laufenden war, was in der Stadt geschah. Außerhalb seines politischen und humanitären Engagements vermittelte Mohammedi seinen Freunden, wie man Feste feiert und brachte stets einen Beitrag zum Gelingen mit. Dazu gehörten die wundervollen Reisgerichte aus der iranischen Küche, die großen Anklang fanden. Seine Kochkunst kam so gut an, dass sie zunehmend auch bei öffentlichen Veranstaltungen zum Einsatz kam. Die iranische Küche ist von vielen Liebhabern seiner Kochkunst vielfach übernommen worden und steht heute in vielen Häusern auf dem Tisch, wenn man Gäste beeindrucken will.

Ein ähnliches Netzwerk kam durch seine erfolgreiche und viel bestaunte Gartengestaltung zustande. Mohammedi war seit 1962 Gründungsmitglied des Kleingartenvereins Kuhweide. Er hatte einen Schrebergarten angelegt, der in kürzester Zeit Gestalt annahm und alle Besucher erfreute. Seine Gäste gingen selten mit leeren Händen nach Hause, sondern oft mit Ablegern von diversen Pflanzen oder beschenkt mit Früchten, die er gezogen hatte. Wenn das Wetter schön war, war er selten allein im Garten. Oft kamen andere Leute aus den Schrebergärten zu ihm, um zu sehen, was es Neues gibt, oder um das Gespräch mit ihm zu suchen. Mohammedi war inzwischen schon ein Deutscher geworden.

Seine schwere Krankheit hat ihm leider nicht mehr die Zeit gelassen, seine Bindungen zu seiner Großfamilie im Iran wieder aufzunehmen. Bei dem letzten Besuch im Krankenhaus zwei Tage vor seinem Ableben am 13. Dezember 2003 sagte er, dass er sehnlichst wünsche, nach der Entlassung nach Hause in seine Heimat zu kommen. Er war ganz beseelt davon. Aber leider war ihm dies nicht mehr möglich.

Die Trauerfeier anlässlich seiner Beerdigung spiegelte sein ungewöhnliches Engagement und seine Wertschätzung in der Stadt wieder. Hunderte von Karlsruhern und Karlsruherinnen aus allen Teilen der Gesellschaft verabschiedeten sich an seinem Grab. Diese Wertschätzung hatte 1997 auch Ausdruck gefunden in der Verleihung des Anerkennungspreise für sein Engagement bei der Integrationsförderung durch den "Aktionskreis Miteinander Leben".

Seit 2005 gibt es eine Mir-Mohammedi-Stiftung in Karlsruhe, die gezielt Projekte und Einrichtungen für die Integration von Flüchtlingen unterstützt. So ist Mohammedi in Karlsruhe auf vielfältige Weise immer noch lebendig: In den verschiedenen Einrichtungen, die er mitgestaltet und in dem beeindruckenden Vorbild, das er gelebt hat.

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