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Blick in die Geschichte Nr. 112

vom 23. September 2016

Stammhaus eines Handels-Imperiums

Das Warenhaus Knopf in Karlsruhe

von Bernd Serger

Im kleinen Städtchen Birnbaum in der damaligen preußischen Provinz Posen (heute Polen) machten sich um 1880 diverse jüdische Händlerfamilien auf nach Westen - unter ihnen die Brüder Oscar und Leonhard Tietz, die später jeweils ein Warenhaus-Imperium gründeten: Oscar Tietz das Warenhaus Hermann Tietz (später Hertie), Leonhard Tietz sein Geschäft unter eigenem Namen (heute Kaufhof). Dass Birnbaum (heute Miedzychód) zur Wiege der deutschen Warenhaushaus-Bewegung wurde, dafür sorgten neben der Familie Tietz die jüdischen Familien Ury, Joske, Wronker, Schocken - und auch Knopf, die sich nach 1880 das Deutsche Kaiserreich aufteilten und, neben Karstadt, bis in die 1930er Jahre die Szene beherrschten. 1914 führten die vier Brüder Knopf - Sally (1845-1922), Moritz (1852-1927), Albert (1855-1898) und Max (1857-1934) - mit rund 90 Filialen und Partnerbetrieben die größte Warenhauskette in Deutschland.

Moritz hatte 1882 sein erstes Geschäft in Straßburg eröffnet. Bis 1914 eröffnete er 25 Filialen im Elsass, in Lothringen und in der Schweiz, aber auch in Offenburg und Lahr. Sally gründete 1887 sein erstes Geschäft mit großem Erfolg in Freiburg und brachte es auf 24 Filialen und Partnerbetriebe. Von 1895 an hatte er auch in der Schweiz eine Reihe von Warenhäusern gegründet so unter anderem in Basel, Luzern, Interlaken, Bern, Genf, Fribourg. In Zürich hatte Albert, der vierte Bruder, 1893 in der noblen Zürcher Bahnhofstraße sein Warenhaus eröffnet und in den Jahren danach weitere sechs Filialen im Großraum Zürich gegründet. Nach seinem frühen Tod führte seine Tochter das Geschäft in kleinerem Umfang bis in die 1920er Jahre weiter. Das erste aller Knopf-Warenhäuser entstand jedoch in Karlsruhe.

Im ehemaligen Palais von Salomon Haber wurde 1881 das erste Warenhaus Knopf eröffnet

Die Gründung des Warenhauses Knopf in Karlsruhe

Es war mit Max Knopf der jüngste der vier Gebrüder Knopf, der im März 1881 in Karlsruhe an der Langestraße (heute Kaiserstraße) 147 den ersten Knopf-Laden überhaupt eröffnete - dies mit Hilfe seiner Schwester Johanna (1847-1913), die später mit ihrem Mann Simon Meyer eine Knopf-Filiale betrieb. Das im einstigen Palais des jüdischen Bankiers Salomon von Haber untergebrachte "Leinen-, Wäsche und Weisswaaren-Geschäft" lief von Beginn an sehr gut: Die Zeit war einfach reif für neue Ideen und Methoden, mit denen die Warenhäuser die Vorteile der Massenproduktion für die schnell wachsende Arbeiterschaft - und natürlich auch für sich nutzten. Ihre Prinzipien halfen dabei - und diese waren: feste Preise, kein Borgen, kein Kaufzwang, sondern freier Zutritt zu den fest ausgezeichneten Waren, Lieferung frei Haus und ein kulantes Umtausch- und Rückgaberecht für die Kunden. Dazu die Devise: "großer Umsatz, kleiner Nutzen".

Aus dem einstigen kleinen Stoff- und Kleiderladen in der Kaiserstraße entstand so Schritt für Schritt ein ganzes Warenhaus und darüber hinaus ein Netz von 45 Filialen. So hatte Max zum Beispiel 1904 von seinem Schwager Hermann Schmoller und dessen Bruder deren Warenhäuser in Nürnberg, Bayreuth und München übernommen und zusammen mit seinem Schwager Sally Klopstock in Konstanz, Schaffhausen und Winterthur Filialen errichtet. Mit dem traditionsreichen Stammhaus in Karlsruhe ging Max Knopf so lange es ging sensibel um. Beim letzten Umbau im Jahr 1906 tauchte zum ersten Mal das vierblättrige Kleeblatt als Firmen-Signet der vier Brüder Knopf auf - in der Werbung, in Schaufenstern und an den Fassaden der Warenhäuser. Es sollte letztlich kein Glück bringen.

Der Neubau an der Kaiserstraße

1912 war es dann soweit: Das Habersche Haus konnte die vielen neuen Warenhaus-Abteilungen nicht mehr aufnehmen, und so ließ Max Knopf das Palais abreißen und an seiner Stelle ein monumentales Warenhaus errichten. Der Karlsruher Camill Frei war eigentlich der Hausarchitekt von Max Knopf. Er hatte alle bisherigen Umbauten verantwortet und 1904 in Mannheim mit dem an ein Loire-Schloss erinnerndes Warenhaus Hermann Schmoller (nach einem Schwager von Max Knopf benannt) bewiesen, dass er auch für größere Aufgaben bereit ist. Auch den 1911 fertiggestellten, nicht mehr so dekorativen Riesenbau der Geschwister Knopf in Pforzheim hatte er entworfen - beim Neubau in Karlsruhe an alter Stelle in der Kaiserstraße 147 blieb ihm dennoch "nur" die Innenarchitektur und die Bauleitung. Für das majestätische Äußere holte sich Max Knopf mit Wilhelm Kreis einen Architekten, der mit zahllosen Bismarck-Denkmälern berühmt geworden war, zuletzt aber auch mit seinen Warenhäusern in Dortmund, Essen (für Theodor Althoff) und Elberfeld und Köln (für Leonhard Tietz) überzeugt hatte.

Der 1912-1914 errichtete Neubau des Warenhauses Knopf

Im April 1914 konnte der Neubau der Geschwister Knopf eröffnet werden - mit einem Riesenandrang der Karlsruher Bevölkerung und vielen Komplimenten für den Bauherrn und die Architekten. Das Warenhaus Knopf, das die für die damalige Warenhaus-Architektur geltenden ästhetischen Vorgaben des Pfeilerbaus mit Elementen des Weinbrenner-Stils verband, war nun mit das schönste Warenhaus Deutschlands - und blieb es bis heute, da seine Fassade gerade noch rechtzeitig als Baudenkmal geschützt wurde.

Den Ersten Weltkrieg überstand Max Knopf ohne größere Probleme. Doch mit der deutschen Niederlage und dem Versailler Vertrag verloren er und sein Bruder Moritz Knopf ihre rund 30 Waren- und Kaufhäuser im Elsass und in Lothringen. Sie wurden als "Altdeutsche", die nach 1871 ihre Geschäfte in dem besetzten Gebiet eröffnet hatten, schlicht enteignet.

Die Inflation hatte Max Knopf einigermaßen unbeschadet überstanden, da starb im April 1924 sein einziger, sehr befähigter Sohn und ausgemachter Nachfolger Dr. Rudolf Knopf (1893-1924) an einer Grippe. Danach begann Max Knopf sein Filialnetz zu reduzieren. Von den einst 45 Häusern blieben 1938 neben dem Stammhaus in Karlsruhe nur noch die Warenhäuser in Mannheim, Pforzheim, Bruchsal, Rastatt und Ravensburg. In Karlsruhe hatte am 24. Juli 1928 ein Großbrand, ausgelöst durch ein Bügeleisen im Teppichsaal, beträchtliche Sachschaden angerichtet, verlief aber ansonsten glimpflich.

Die "Arisierung" der Warenhäuser Knopf

Alles war auf Zukunft ausgerichtet, bis die Nazis 1933 an die Macht kamen. Schon in ihrem Parteiprogramm von 1920 hatte die NSDAP den Warenhäusern, die sie für das Scheitern kleiner Detailhändler verantwortlich machte, den Kampf angesagt. Mit Boykottaktionen und immer neuen Schikanen zwangen sie die meist jüdischen Besitzer der Warenhäuser zur Aufgabe - also zur Schließung oder dem Verkauf ihrer Geschäfte.

In Karlsruhe musste nach dem Tod von Max Knopf im Oktober 1934 seine Tochter Margarethe Levis (1888-1965) die Firma 1938 - nach Jahren des Boykotts und anderer nationalsozialistischer Aktionen besonders gegen jüdische Warenhäuser - zu Schleuderpreisen verkaufen. Das Karlsruher Haus "erwarb" der Kaufmann Friedrich Hölscher, der schon zuvor an der "Arisierung" eines jüdischen Warenhauses in Leipzig mitgewirkt hatte. In letzter Minute gelang Margarethe Levis und ihrer Familie im März 1941 die Flucht in die USA. Wenig später raubte das Deutsche Reich ihr auch die Warenhaus-Grundstücke. Auch die Frau von Moritz Knopf konnte mit den sechs Kindern aus Deutschland den Nazis entkommen. Der Sohn von Sally, Arthur Knopf (1879-1963), konnte mit seinen Schwestern in die Schweiz flüchten, wo die Knopf-Warenhäuser glücklicherweise zum guten Teil noch existierten. Nur die Schwester Betty Knopf, die nach einer Karriere als Konzertsängerin seit den 1920er Jahren wegen psychischer Probleme in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau lebte, wurde 1940 Opfer der "Euthanasie"-Aktion der Nazis.

Für Friedrich Hölscher gestaltete sich die Weiterführung des Warenhauses Knopf unter seinem Namen nicht ohne Probleme: So wurde im Februar 1943 im Zug des von Goebbels ausgerufenen "totalen Kriegs" das Warenhaus geschlossen. Nun durfte in Karlsruhe nur noch der größte Konkurrent, die Firma Union (so hieß das "arisierte" Warenhaus Hermann Tietz) in der Kaiserstraße schräg gegenüber, ein Warenhaus betreiben - und die von Hölscher übernommenen Waren verkaufen. Nach Kriegsende 1945 setzten die französischen Truppen 1945 bei ihrem Einmarsch das bereits durch Bomben beschädigte Warenhaus Hölscher für einen Propagandafilm in Brand. Es dauerte Jahre, bis wieder das ganze Gebäude für den Verkauf zur Verfügung stand, selbst 1953 waren von den vier Verkaufsgeschossen erst zweieinhalb nutzbar.

Übernahme durch Karstadt und Umbauten

Da Friedrich Hölscher nach Ablauf des Pachtvertrags mit der Familie Knopf Ende 1953 nicht in der Lage war, das Gebäude zu erwerben, wurde das Warenhaus an den Karstadt-Konzern verkauft, schon damals wieder die größte Warenhauskette in der Bundesrepublik. Ende der 1960er Jahre präsentierte Karstadt den Plan, das 1914 eröffnete klassizistische Bauwerk der Geschwister Knopf komplett abreißen zu lassen und an seine Stelle einen Neubau zu errichten. Die Stadtverwaltung hatte anfangs nichts dagegen, bis sich 1972 der Bauausschuss des Gemeinderats im Verein mit dem Landesdenkmalamt vehement dagegen wehrte. Das Ergebnis war, dass das Warenhaus unter Denkmalschutz gestellt wurde - leider nur die Fassade.

Karstadt fügte sich in das Unvermeidliche - und mehr als das: Für zwei Millionen Mark ließ die Firma 1981 die ramponierte Fassade samt dem teils verloren gegangenen bildhauerischen Schmuck wieder herstellen. Bis Ende der 1980er Jahre dauerte es, ehe das Innere des alten Warenhauses, darunter auch der majestätische Lichthof, der Abrissbirne zum Opfer fiel und Karstadt mit dem Bau des nun bis zur Ritterstraße erweiterten Warenhauses begann. Das Ergebnis war ein modernes Warenhaus mit rund 18 000 qm Verkaufsfläche samt anschließendem Parkhaus.

Bernd Serger war Leiter der Heimatredaktion der Badischen Zeitung in Freiburg und ist Autor regionalgeschichtlicher Publikationen.

Ausführlich präsentiert die Geschichte des Warenhauses Knopf in Karlsruhe die neue Ausstellung des Stadtmuseums Waren. Haus. Geschichte. Die Knopf-Dynastie und Karlsruhe vom 17. September 2016 bis 26. Februar 2017.

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