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Blick in die Geschichte Nr. 119

vom 15. Juni 2018

Carlsruher Blickpunkte

Straßenname nach einem Kulturdenkmal

von Jürgen Morlock

Das Steinkreuz in Wolfartsweier wirkt unscheinbar, doch es ist ein Kulturdenkmal und gibt der Straße, die in Nord-Süd-Richtung durch den ganzen Ort führt, seit 1973 ihren Namen. Etwas verloren steht das 74 cm hohe, 66 cm breite und 16 cm tiefe Kreuz in dem kleinen Gebüschstreifen zwischen Steinkreuz- und Vorbergstraße nahe einer Autowerkstatt. Das gleichmäßige, breitflächige Sandsteinkreuz ist gut behauen, aber plump und derb, heute mit leichten Beschädigungen am Kopf- und linken Armende. Schön deutlich ist darauf ein nach links liegendes Rebmesser zu erkennen.

Steinkreuz in Wolfartsweier 2018

Die Sagen um dieses Kreuz sind vielfältig. So will eine Auffassung davon wissen, dass hier ein Student erschossen wurde (hierbei wurde allerdings das Rebmesser als Pistole gedeutet). Nach einer anderen Überlieferung soll ein Knecht eines gegenüberliegenden (heute verschwundenen) Hofes hier ermordet worden sein. An anderer Stelle wird von zwei Offizieren berichtet, die hier im Duell gefallen sind.

Der Ursprung dieses Steinkreuzes ist nicht dokumentiert, wie auch die vielen Kreuze andern Orts. Das ließ viele Hypothesen darüber zu. Als unzweifelhaft stellte jedoch G.A. Kuhlfahl - namhafter europäischer Steinkreuzforscher - fest, "dass im letzten Abschnitt der Steinkreuzsitte, also in den Jahren zwischen 1300 und 1600 der Hauptgrund für die Errichtung von Steinkreuzen im Sühnegebrauch nach germanischem Recht zu suchen ist". Auch gibt es einige historische Belege von Steinkreuzen, so in dem Sühnebrief von Obergrombach vom 13. November 1484 oder Rheinhausen 4. Januar 1487. Bei Obergrombach lesen wir: "Item es soll auch der obgenant Martin umb des gemelten Wendels seligen selen heils willen ein steynin crutz setzen und das selbs in die erde graben. [… ] Un wan das crutz gesetzt ist, soll er für das crutz knuwen und sprechen ein pater noster, ein ave Maria und ein glauben (Glaubensbenntnis).[…]. Zweifellos zählt auch das Wolfartsweierer Steinkreuz, das auf etwa das 16. Jahrhundert datiert wird, zu diesen Sühnekreuzen.

Wirtshaushändel, Kirchweihschlägereien, Feld- und Weidestreitigkeiten endeten manchmal mit dem Tode eines der Kontrahenten. Hatte es also in früherer Zeit einen Totschlag gegeben, so bildeten sich naturgemäß in der Dorfgemeinschaft zwei Parteien - die des Opfers und des Täters. Ein Sühnegericht mit unbescholtenen Bürgern hatte den Fall zu untersuchen, die Sühneleistung festzusetzen und im Sühnebrief festzuhalten. Das Kernstück der Bußbedingungen war die Meßstiftung, Kerzenspenden und Wallfahrten - meist nach Aachen, Rom, St. Jago de Compostella. In allen Fällen wird die Errichtung eines Gedenkkreuzes angeordnet. Die Regelung des Totschlags durch die Sühnegerichte war endgültig und unwiderruflich und sollte zur Aussöhnung der Familien beitragen. In dem vorgenannten Obergrombacher Sühnebrief heißt es hierzu sinngemäß: Es soll nun alles ganz gerichtet und geschlichtet sein. […] Kein Teil soll das Recht haben, an den anderen Forderungen oder Ansprüche zu stellen.

Die auf den Steinkreuzen angebrachten Zeichen sind im allgemeinen, wie auch in Wolfartsweier sehr einfach ausgeführt. Ungefähr die Hälfte aller Kreuze im süddeutschen Raum tragen Zeichen, die meisten eine Pflugschar oder Pflugsech. (Die nächsten: Hohenwettersbach = Pflugsech; Stupferich = Pflugschar). Nicht wie vielfach angenommen handelt sich es sich dabei um die Mordwerkzeuge, sondern um Berufszeichen des Getöteten. Das beweisen weniger einzelne Sagen, die in Übereinstimmung von Opfern bestimmter Berufe erzählen als vielmehr, dass bestimmte Zeichen sich in einzelnen Gegenden häufen. So findet sich das Rebmesser nur in Orten, die früher beziehungsweise heute noch Rebbau hatten - im Badischen, vor allem in den Kreisen Bühl und Offenburg. Von Wolfartsweier wissen wir, dass am Hang "Im Steinhof" Wein angebaut wurde. Deshalb ist anzunehmen, dass auch hier ein Winzer umgekommen ist. Da uns aber der Aufstellungsgrund nicht bekannt ist und wir keinen Sühnevertag kennen, bleiben wir bei der Bezeichnung "Steinkreuz".

Erfreulich ist, dass das Steinkreuz trotz aller Baumaßahmen im Ort erhalten blieb und nicht verschwunden ist, wie die Steinkreuze in Knielingen oder Stupferich. So erinnert es uns an den Toten, für den der Stein gesetzt wurde, und mit seinem Zeichen an die vergangene Weinbautradition, wie dies auch die seit neuer Zeit durch unseren Ort laufende "Badische Weinstraße" tut.

Jürgen Morlock, Ortsvorsteher Wolfartsweier a. D., 2. Vorsitzender des Geschichtsverein Wolfartsweier

Ausführlich zu weiteren Kleindenkmalen in Wolfartsweier informiert die Publikation: Jürgen Morlock/Elga Roellecke: Gemarkung und Steinzeugen - Handel und Gewerbe. Grenz- und Denksteine - Flurnamen - Zünfte, Handel und Wirtschaft (Chronik Wolfartsweier, Heft 10), Selbstverlag des Geschichtsvereins Wolfartsweier 2018.

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