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vom 21. Juni 2019
von Manfred Koch
Kurz bevor die Vorholzstraße im Westen in die Brauerstraße mündet, wird auf der linken Seite die geschlossene Häuserfront durch ein frei stehendes, geringfügig zurückgesetztes Gebäude unterbrochen. Betrachtet man, aufmerksam geworden, den Bau genauer, fällt seine symmetrische von der Zahl drei bestimmte, wohlproportionierte Gliederung ins Auge. Der zentrale Mittelteil, nicht höher als die Nachbarhäuser, wird flankiert von zwei schmaleren, deutlich niedrigeren und etwas zurückgesetzten Bauteilen. Neben dem mittleren Eingang gibt es zwei schmalere, jeweils an die Nachbargrundstücke angrenzende Türen. Von der Zahl drei bestimmt sind auch die Fensteröffnungen: Jedes Bauteil hat eine sehr hohe Fensteröffnung, deren Stürze ein stumpfwinkliges Dreieck bilden. Das Fenster des Mittelteils ist wiederum dreiteilig ausgebildet und enthält die Plastik einer Heiligenfigur. Der Blick nach oben zeigt weitere drei Öffnungen und auf dem Dach ein Kreuz, womit zur Gewissheit wird, dass es sich bei dem Gebäude um eine Kirche handelt.
Dieser Standort für eine Kirche verwundert, stehen diese doch zumeist frei an stadträumlich prägenden Orten mit markanten Kirchtürmen. Einen ersten Hinweis auf das "Warum?" gibt der Text der Schriftbänder neben der Figur des von dem Karlsruher Bildhauer Emil Sutor geschaffenen Apostels Matthäus: "In Not geboren - Zum Trost erkoren": Eine "Notkirche" also? Nein, es ist keine der vom Karlsruher Architekten Otto Bartning nach 1945 geplanten Notkirchen. Die Matthäuskirche ist der einzige evangelische Kirchenbau der Jahre der Weimarer Republik. Erste Überlegungen zu deren Bau für die wachsende Südweststadt am Kolpingplatz datieren aus dem Jahr 1899. Da die Mittel für eine repräsentative Kirche nie ausreichten, der Gottesdienst in Turnhallen sich aber als immer ungenügender erwies, sollte eine "Notkirche" errichtet werden. Eine solche wollte die Stadt aber am Kolpingplatz nicht genehmigen. Deshalb entstand der Bau auf einem vormaligen Acker in der Vorholzstraße.
Mit der Planung des Kirchenbaus beauftragte die Kirchengemeinde den in Durlach lebenden Architekten und TH-Professor Hermann Alker. Der formulierte nach Fertigstellung des Baus seinen Anspruch, auch mit beschränktem Budget "würdige Andachtsräume" zu schaffen und keine rein funktionale "Gebetsscheuer". Hierin war er sich mit Bartning einig, der keine "notdürftigen Behelfe", sondern aus "der Kraft der Not" Gültiges gestalten wollte. Alker gelang dies unter Verwendung für den industriellen Bau entwickelter neuer Materialien und vorgefertigter Bauelemente. Die anspruchsvolle Gestaltung der Eingangsfront setzte sich im Kircheninneren fort, beteiligt daran waren Emil Sutor, der Maler August Babberger und Joachim Teichmüller, der Leiter des Lichttechnischen Instituts der TH. So entstand mit begrenzten Mitteln ein "Gesamtkunstwerk", das nach einem Kriegsschaden und Innenrenovierungen in seiner ursprünglichen Wirkung und Farbigkeit allerdings nicht mehr erkennbar ist.
Dr. Manfred Koch, Herausgeber/Redaktion "Blick in die Geschichte"