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Blick in die Geschichte Nr. 123

vom 21. Juni 2019

Kulturelle und wirtschaftliche Selbstdarstellung

Von der Badischen Woche zur Nationalsozialistischen Grenzland-Kundgebung in Karlsruhe

von Ernst Otto Bräunche

Nur wenige Monate nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im März 1933 veranstaltete die Stadt Karlsruhe vom 9. - 27. September die 1. Nationalsozialistische Grenzland-Kundgebung. Laut NS-Propaganda kündete diese "weit über Badens Grenzen hinaus von der politischen, wirtschaftlichen und geistigen Not unseres Grenzlandes." Gleichzeitig wurde eine Grenzlandwerbemesse und die unter anderem von dem von den Nazis eingesetzten neuen Direktor der Kunsthalle Hans Adolf Bühler kuratierte Wanderausstellung der Deutschen Kunstgesellschaft "Deutsche Kunst" im Badischen Kunstverein eröffnet. Neben der Verbindung von Kultur und Wirtschaft finden sich im Wesentlichen die Veranstaltungen, die schon von der Zeit der Weimarer Republik bekannt waren, allerdings nun ergänzt um reine Parteiveranstaltungen wie den NS-Großflugtag, eine Kundgebung der Deutschen Arbeitsfront oder einen Aufmarsch der SA und SS. Am 16. September war auch ein Trachtentreffen ins Programm integriert.

Die erste badische Woche 1920

Begonnen hatte es 1920, über ein Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, das Karlsruhe unvorbereitet betroffen hatte und dessen Folgen die Stadt bald zu spüren bekam. Gegen den drohenden Bedeutungsverlust der ehemaligen badischen Haupt- und Residenzstadt und gegen die mit der deutschen Niederlage verbundenen negativen mentalen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen versuchte die Stadt vom 18. bis 26. September 1920 mit einer Badischen Woche anzugehen. Treibende Kraft war die Kultur, konkret das Badische Landestheater und der Theaterkulturverband.

In der offiziellen Chronik der Stadt wird die auch vom Verkehrsverein unterstützte erste Badische Woche als die bedeutendste Veranstaltung des Jahres bezeichnet, die "eine Sammlung und Übersicht der kulturellen und künstlerischen Kräfte des zur südwestdeutschen Grenzmark gewordenen Landes" bot. In der bürgerlichen Presse blieb die Berichterstattung nicht frei von nationalistischen Tönen. Die nationalliberale Badische Presse betonte z. B. in der ersten von acht Sonderbeilagen zur Badischen Woche, dass "Baden wieder die geistige Grenzmark im deutschen Westen geworden" sei. Das Land sei angesichts der Kurzsichtigkeit und des Hasses, die das französische Wesen nun prägten, notgedrungen zum Bollwerk deutscher Kultur geworden.

Mit der Badischen Woche begann das im ehemaligen Residenzschloss untergebrachte neue Badische Landesmuseum am 19. September seine Ausstellungstätigkeit, die Kunsthalle eröffnete das Hans-Thoma-Museum, die Stadt bot ein Festkonzert in der Festhalle, Sportvereine organisierten eine Herbstregatta, das Sportfest des Arbeitersportkartells und Fußballspiele. Ein Höhepunkt war schließlich der vom Verkehrsverein ausgelobte Wettbewerb der Schaufensterdekorationen, die "an die märchenhaft weit zurückliegenden Friedensjahre" erinnerten.

Das Landestheater steuerte Schauspiele, Opern und Konzerte bei. Ausstellungen und Vorträge rundeten das Programm ab, das sehr gut aufgenommen wurde. Für die Stadt hatte diese Woche wohl tatsächlich eine Art Signalwirkung. Deutlich wird in den Berichten auf die Vorkriegszeit Bezug genommen, als Festwochen häufig zu Jubiläen der großherzoglichen Familie das Bild der badischen Haupt- und Residenzstadt prägten.

Plakat Karlsruher Herbsttage 1928

Die Folgeveranstaltungen bis 1929

Diesem Auftakt sollten nun unter Federführung des Verkehrsvereins mit wechselnden Namen jedes Jahr ähnliche mehrtägige Veranstaltungen folgen. Schon die Karlsruher Herbstwoche vom 23. September bis 3. Oktober 1921 war aber stärker von Angeboten der Industrie und des Handels geprägt. In die nächste Herbstwoche vom 10. bis 24. September 1922 war dann erstmals am 24. September 1922 ein Alemannisch-Pfälzischer Sonntag eingebunden, der "das Band zwischen den beiden Stämmen am Oberrhein enger knüpfen sollte". Der Blick über den Rhein hatte natürlich immer auch eine latent antifranzösische Komponente, die Pfalz und das Saarland waren französisch besetzt.

Auch im Inflations- und Krisenjahr 1923 wurde die Karlsruher Herbstwoche vom 21. September bis 15. Oktober, diesmal wieder mit einem deutlichen Kulturschwerpunkt, organisiert, um "an Deutschlands südwestdeutscher Grenzmark, der Welt darzutun, dass, aller Not dieser Zeit zum Trotz, das deutsche Volk in seiner Arbeit und seinem Streben sich nicht bremsen lässt." Die am 7. September 1924 eröffnete Herbstwoche war nach anfänglichen kritischen Stimmen gegen die Erweiterung von einer eher kulturellen hin zu einer eher verkehrspolitischen und wirtschaftsorientierten Veranstaltung inzwischen in der Bevölkerung akzeptiert. Wieder gab es mit dem Alemannisch-Fränkischen Heimatsonntag eine öffentliche Inszenierung des Heimatgedankens, die von Oberbürgermeister Julius Finter als "ernste Feier im Geiste der Treue zu unserer lieben badischen Heimat" angekündigt wurde.

Ein Höhepunkt der Heimatinszenierung war dann der besonders aufwändig im Rahmen der Herbsttage 1925 begangene Südwestdeutsche Heimattag am 13. September. Oberbürgermeister Julius Finter begrüßte die Pfälzer, Saarländer und badischen Landsleute und hob hervor, dass die "Not unserer Tage das Bewusstsein von der Gemeinschaft aller Deutschen wieder erleuchtet". Trotz des Erfolges musste der Verkehrsverein, der sich mit der Großveranstaltung offensichtlich etwas übernommen hatte, die Herbsttage mit deutlich wirtschaftlichem Schwerpunkt im September 1926 nur auf kleiner Flamme durchführen. Die Stadt wollte aber daran festhalten, da Karlsruhe in Konkurrenz zu anderen Städten stehe. Explizit genannt wurden Freiburg (Alemannische Woche), Mannheim (Maiveranstaltungen) und Darmstadt (Kunstwoche).

Das "Welttreffen der Badener" 1930

Besondere Bedeutung bekam der von der Stadt, dem Verkehrsverein und dem Landesverein Badische Heimat organisierte Badener Heimattag Karlsruhe vom 11. bis 14. Juli 1930. Mit diesem "Welttreffen der Badener" fand auch der "Kongreß der führenden Badener in Wissenschaft, Kunst und Wirtschaft" statt. Das umfangreiche Programm umfasste Ausstellungen des Reichsverbandes bildender Künstler, Gau Südwestdeutschland ("Das badische Kunstschaffen"). Der Verein für das Deutschtum im Ausland, Ortsgruppe Karlsruhe, zeigte "Badener im Ausland", die Reichszentrale für Heimatdienst, Landesabteilung Baden, "Deutscher Lebenswille. Zehn Jahre Ringen um Wiederaufbau und Freiheit in der deutschen Republik" und die Koloniale Arbeitsgemeinschaft Karlsruhe die Kolonial- und Marineausstellung. Die beiden letztgenannten Vereine organisierten mit dem Bund der Auslanddeutschen die "Volkskundgebung für das Deutschtum im Ausland und in unseren verlorenen Kolonien." Ein Aufmarsch für den deutschen Wald war ebenso vorgesehen wie einer der badischen Bürgerwehren und Milizen. Der Festzug mit den Trachtengruppen aus ganz Baden galt den Veranstaltern als eine der schönsten Erinnerungen. Ein Badischer Heimatabend wurde von der Badischen Heimat organisiert. Bleibendes Ergebnis war schließlich die Gründung der Arbeitsgemeinschaft der Badener in aller Welt. In die Veranstaltungen integriert war am 13. Juli auch eine Kundgebung für die befreite Pfalz und die Saar vor dem Schloss, bei der Reichsaußenminister Julius Curtius eine Rede vom Balkon des Schlosses hielt.

Da der Badener Tag auch finanziell in den schwarzen Zahlen geblieben war, hielt der Verkehrsverein trotz der durch die Weltwirtschaftskrise ausgelösten Notsituation seit Ende 1929 an der Herbstwoche auch 1931 fest. Daraus wurde aber angesichts der sich dramatisch verschlechternden sozialen und wirtschaftlichen Situation eine "heimatliche Notkundgebung" mit einem Schwerpunkt auf der Not der Kunst und Wissenschaft. 1932 fand am 1. Oktober ein Badisch-Pfälzisch-Saarländischer Sänger-Heimatabend (Kundgebung zur Erhaltung des Deutschtums in der Südwestecke des Reiches) im Rahmen der Karlsruher Herbsttage (29. September bis 16. Oktober) statt.

Titelblatt des Führers durch die nationalsozialistische Grenzland-Kundgebung 1933 in Karlsruhe

An diese Veranstaltungen konnten die Nationalsozialisten mit ihrer Grenzlandkundgebung ebenso anknüpfen wie an völkisch-nationalistisches Denken, das in der Weimarer Republik schon vorhanden und vor allem in den bürgerlichen, nicht dem katholischen Zentrum zuneigenden Zeitungen in Verbindung mit den Heimatveranstaltungen gern aufgegriffen worden war.

Dr. Ernst Otto Bräunche, Leiter Stadtarchiv & Historische Museen, Stadt Karlsruhe

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