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Blick in die Geschichte Nr. 125

vom 6. Dezember 2019

Ein "Tempel" für die Bildung

Die Städtische Gewerbeschule am Lidellplatz

von Katja Förster

Die 1834 gegründete Städtische Gewerbeschule musste bis zum Bezug eines geräumigen Neubaus am Lidellplatz Anfang 1919 regelmäßig umziehen und nicht selten für diesen Schultyp völlig ungeeignete Räumlichkeiten belegen. Seit 1905/06 stand zwar das Grundstück des alten, von 1782 bis 1788 nach Plänen von Wilhelm Jeremias Müller erbauten Stadtkrankenhauses am Lidellplatz fest, aber Kontroversen zwischen der Stadt und der Schulleitung über das erforderliche Bauvolumen und Bauprogramm zögerten den Baubeginn bis zum Frühjahr 1912 hinaus. Bereits im März 1911 hatte die Stadt einen Wettbewerb unter den Karlsruher Architekten ausgeschrieben, aus dem sowohl Eugen Beck als auch Max Philipp als erste Preisträger hervorgegangen waren. Planfertigung und Bauleitung wurden dann auf Empfehlung der Jury dem seit 1898 als Professor am Staatstechnikum angestellten Architekten Eugen Beck übertragen.

Fassadengestaltung und Raumprogramm

Im Gegensatz zu Wilhelm Jeremias Müller, der den Haupteingang der Krankenhausanlage an der Ecke Markgrafen- und Adlerstraße angeordnet hatte, richtete Beck den ebenfalls dreiflügeligen Schulhausneubau zum Lidellplatz hin aus. Dadurch gab er dem an zwei Seiten von Häuserreihen gefassten, dreieckigen Platz einen monumentalen Abschluss im Osten. Die Westfassade übernahm die Funktion der Hauptfassade. Sie weist die reichste und durch die dorischen und ionischen Pilaster auch die vornehmste Gliederung auf. 14 Kolossalpilaster übernehmen die vertikale Unterteilung der Fassade, deren Gleichförmigkeit durch den giebelbekrönten Mittelrisalit unterbrochen wird. In dessen mittleren drei Achsen befindet sich der hervortretende Haupteingang, dessen tiefer liegende Rundbogenportale von massiven Eckpfeilern und zwei dorischen Säulen gefasst sind. Die abschließende Gebälkzone zeigt den Schriftzug STAEDTISCHE GEWERBESCHULE.

Hauptfassade der heutigen Carl-Hofer-Schule mit Brunnenanlage auf dem Lidellplatz 2013

Die horizontale Gliederung erfolgt durch die mit braunen Quadersteinen betonte Sockelzone, das Hauptgesims, das am Mittelrisalit vor- und zurückspringt und nur von den beiden ionischen Pilastern unterbrochen wird, und dem abschließenden Dachgesims oberhalb des Mezzanins.

Betrachtet man die grob umrissene Fassadengestaltung etwas näher, erkennt man ein ungemein differenziertes Spiel mit der Wandtiefe. Das Mauerwerk zwischen den Kolossalpilastern ist gestuft und nimmt in der tiefsten Ebene die hochrechteckigen Fenster auf. Beim Mittelrisalit wird diese Gestaltungsweise noch durch das Hervor- und Zurücktreten der Wandelemente variiert. Aber erst das halbhohe Dachgeschoss (Mezzanin) vollendet die Fassadenkomposition: Während es an den Seitenteilen die Pilasterordnung im Wechsel mit schmalen Wandpfeilern fortführt und die Anzahl der Fenster pro Achse verdoppelt wird, tritt es am Mittelrisalit nach einer Akzentuierung des Hauptgesimses in den drei mittleren Achsen vollkommen zurück, so dass die ionischen Pilaster mit dem Tympanon oberhalb der auskragenden Portalzone den Eindruck einer klassischen Tempelfront vermitteln.

Dies sind Gestaltungsprinzipien, wie man sie beispielsweise am 1825 vollendeten Rathaus von Friedrich Weinbrenner findet. Beck steht mit dem Aufgreifen klassizistischer Architekturprinzipien im Trend der modernen Architektur um 1910, die sich unter dem Einfluss des "Heimatschutzes", einer Strömung, welche die Pflege und Weiterentwicklung lokaler Architekturtraditionen propagierte, auch in Karlsruhe entwickelt hatte. Führende Architekten der Stadt wie Friedrich Beichel, Robert Curjel, Karl Moser und Friedrich Ostendorf setzten sich mit der Architektur Weinbrenners auseinander und interpretierten sie zugleich neu.

Eugen Beck hatte bei seiner Planung stets die Funktion des Gebäudes vor Augen gehabt, weswegen jeder Gebäudeflügel eine andere architektonische Gestaltung aufweist. Der Westflügel zum Lidellplatz mit den breiten Wandpfeilern und schmalen Fensterachsen nahm nur solche Räume auf, die auf große Fensterflächen verzichten konnten. Dazu gehörten das Rektorzimmer, die Kanzlei, der Konferenzraum, die Bibliothek, der Vortragssaal, Aufbewahrungs- und Materialräume und ebenso das Schwach- und Starkstromlaboratorium.

Im Gebäudeflügel entlang der Markgrafenstraße dagegen waren wegen des Nordlichts die Zeichen- und Malsäle sowie diejenigen Werkstätten, die ein genaues Sehen bei der Arbeit erforderten, untergebracht. Die Umfassungsmauer des Flügels ist daher weitgehend von Fensteröffnungen durchbrochen. Jeder Saal und jede Werkstatt besitzt eine vierteilige Fensterfront, während die aus statischen Gründen paarweise angeordneten Kolossalpilaster nur durch ein Fenster pro Geschoss getrennt werden, welches als Lichtquelle für die dahinter liegenden Lehrmittelräume ausreicht. Auch an der Nordseite bringt erst das halbhohe Mezzanin die Fassadenkonzeption zu ihrem Abschluss. Es setzt die vertikale Gliederung der doppelten Pilaster fort, die oberhalb des Dachgesimses von einem Segmentgiebel mit Stadtwappen überfangen werden. Vollplastische Steinvasen runden das Arrangement ab.

Der kürzere Südostflügel entlang der Steinstraße zeigt wiederum eine andere Wandgestaltung. Während das Kellergeschoss wegen des darunter liegenden Landgrabens nicht zu Unterrichtszwecken genutzt wurde, befanden sich in den übrigen Geschossen weitere Lehrsäle und die beiden Karzer. Die von der Stadt abgewandte Seite weist bis auf das aufwendige Eingangsportal die einfachste Fassadengliederung auf.

Neben den schon erwähnten steinernen Stadtwappen und Vasen gibt es rechts und links des Hauptportals je einen steinernen Kandelaber sowie zwischen den Obergeschossen der drei Gebäudeflügel 56 quadratische Steinreliefs mit handwerklichen Darstellungen und Symbolen. Mit den Bildhauerarbeiten am und im Gebäude hatte Beck die vier in Karlsruhe lebenden Künstler Wilhelm Sauer, Otto Schiesler, Georg Schreyögg und Konrad Taucher beauftragt.

Eingangshalle der Carl-Hofer Schule mit zwei der vier Wandgemälde von Alfred Böld 2013

Architektonische und künstlerische Innengestaltung

Treten am Außenbau der architektonische Schmuck und das ikonografische Programm noch verhalten auf, entfaltet sich im Inneren des Gebäudes ein mannigfaltiges Zusammenspiel von Architektur, Malerei und Bildhauerei. Durch die Portalanlage des Haupteingangs gelangt der Besucher in ein Vestibül, das mit seinen drei Treppenaufgängen, den beiden Rundsäulen und den verglasten Arkaden die Eingangssituation modifiziert widerspiegelt. Die mit Kunststeinen verkleideten Seitenwände nehmen im oberen Bereich in je zwei tiefer liegenden Feldern monumentale Wandmalereien mit Darstellungen des Handwerks und der Industrie auf. Entworfen und ausgeführt wurden sie von dem Kunstmaler und Zeichner Alfred Böld, der von 1911 bis 1944 als Lehrer an der Schule tätig gewesen war. An das Vestibül schließt eine große Halle an, in der die Arkadenarchitektur fortgesetzt wird. In den Bogenzwickeln befinden sich ovale Majolikareliefs von Schreyögg, welche Puten mit verschiedenen Attributen des Handwerks zeigen. Der mit dunklen Quadraten gestaltete Terrazzoboden findet sein Pendant in der kassettierten Decke. Das erste und das zweite Obergeschoss verfügen über eine gleich große Halle, die aber in ihrer Ausgestaltung variieren.

Halle im 1. Obergeschoss mit der Büste Carl Hofers und dem Haupttreppenaufgang in das 2. Obergeschoss 2019

Besondere Räumlichkeiten wie die Direktion, der Konferenzraum und die Lehrerbibliothek im ersten und der große Vortragssaal im zweiten Obergeschoss erhielten eine kunsthandwerklich äußerst anspruchsvolle Innenausstattung. Auch die Korridore, insbesondere die des ersten Obergeschosses, sind in das baukünstlerische Konzept mit eingebunden. Sieben Türen sind durch bemalte Lünetten hervorgehoben, weitere durch plastische Embleme. Beim Innenausbau der Unterrichtssäle und Werkstätten dagegen stand der funktionale Aspekt im Vordergrund.

In den 1980er-Jahren wurde das Schulgebäude, das seit 1986 von der Carl-Hofer-Schule, der ehemaligen Gewerbeschule III, allein genutzt wird, generalsaniert. Während die Werkstätten und Unterrichtsräume auf dem neuesten technischen Stand eingerichtet und sämtliche Versorgungsleitungen erneuert wurden, sollten die Außenfassaden und das Gebäudeinnere weitgehend authentisch wiederhergestellt werden. Dadurch blieb das Gebäude, das im Zweiten Weltkrieg nur im Dachbereich beschädigt worden war, größtenteils in seiner historischen Form erhalten.

Über den 1866 in Randegg, Amt Konstanz, geborenen Architekten Eugen Beck ist nur wenig bekannt. Bis 1931 war er Professor am Staatstechnikum. Neben dem Schulhaus am Lidellplatz hat er in Karlsruhe noch das Doppelhaus in der Weberstraße 6/8 entworfen, deren eine Hälfte er selbst bewohnte.

Dr. Katja Förster, Kunsthistorikerin, Karlsruhe

Von der Autorin ist erschienen: Das Gewerbeschulgebäude am Lidellplatz. Von der Städtischen Gewerbeschule zur Carl-Hofer-Schule, Karlsruhe 2019 (= Häuser- und Baugeschichte. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe, Bd. 16)

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