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Blick in die Geschichte Nr. 130

vom 19. März 2021

Seit 200 Jahren

Karlsruher Ehrenbürger und Ehrenbürgerinnen

von René Gilbert

Das Ehrenbürgerrecht einer Stadt ist die höchste Auszeichnung, welche diese an eine Persönlichkeit vergeben kann. Erste Verleihungen von Ehrenbürgerrechten sind in deutschen Gemeinden am Ende des 18. Jahrhunderts nachweisbar in Anlehnung an den in der Zeit der Französischen Revolution verliehenen Titel "citoyen d'honneur". Voraussetzung dafür war und ist, wie es in der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg heißt, dass die auszuzeichnende Person "sich besonders verdient gemacht" hat. Über die Vergabe entscheidet der Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung. Eine auch postume, symbolische Aberkennung des Ehrenbürgerrechts fand im Hinblick auf Ernennungen in der NS-Zeit vielfach statt.

In Karlsruhe erfolgte die erste Ernennung im Jahr 1821. In den vergangenen genau 200 Jahren zeichnete die Stadt Karlsruhe 48 Personen mit der Ehrenbürgerwürde aus, darunter vier Frauen. Sechs Männern wurde diese Auszeichnung nachträglich symbolisch wieder aberkannt. Die Geehrten erhalten heute im Rahmen einer Feier einen Ehrenbürgerausweis und eine Urkunde und für die Ehrengalerie im Rathaus wird ein Portrait angefertigt. Zudem werden sie zu allen wichtigen städtischen Veranstaltungen eingeladen und dürfen städtische Einrichtungen kostenfrei nutzen. Verstorbene erhalten ein Ehrenbegräbnis und in der Regel werden Orte im öffentlichen Raum nach ihnen benannt.

Die Urkunde für Karl Baumgärtner (1790-1847), den ersten in Karlsruhe geborenen Ehrenbürger, Stadtarchiv Karlsruhe 8/StS 18/A47

Im 19. Jahrhundert: Diplomaten, Wohltäter und Mäzene

Erstmals verliehen wurde die Karlsruher Ehrenbürgerwürde mehr als 100 Jahre nach der Stadtgründung am 16. März 1821 an Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard Freiherr von Berstett (1769-1837) und Karl Christian Freiherr von Berckheim (1774-1849). Beiden gelang als Diplomaten auf dem Aachener Kongress 1818 die Anerkennung der Thronfolge für die Söhne Karl Friedrichs von Baden aus dessen zweiter Ehe und damit der Fortbestand Badens und des großherzoglichen Hauses. Den beiden Diplomaten folgten bis ins frühe 20. Jahrhundert Wohltäter, Mäzene und Stifter. Den Anfang machte Georg Stulz von Ortenberg (1771-1832), der als "Modekönig von London" den englischen Adel eingekleidet hatte. 1830 wurde er für seine Spende von 50.000 Gulden an die Karlsruher Leopold- und Sophienstiftung zum Ehrenbürger ernannt. 1833 folgte Karl Benjamin Friedrich Scholl (1792-1867), 1835-1861 Direktor der Staatlichen Amortisationskasse Karlsruhe, der verschiedene soziale und karitative Organisationen, wie den "Verein zur Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogtum Baden" gegründet hatte. Für ihren großzügigen finanziellen Beitrag zur Errichtung der Karlsruher Gewerbeschule erhielten die Tabakfabrikanten Karl Ludwig Freiherr von Lotzbeck (1786-1873) und Ferdinand Freiherr von Lotzbeck (1792-1883) 1834 die Auszeichnung. Mit dem Stadtdirektor (1824-1839) Karl Baumgärtner (1790-1847), der 1830-1838 Vorsitzender der Kommission zur Leitung der höheren Töchterschule gewesen war, bekam 1839 erstmals ein gebürtiger Karlsruher die Ehrenbürgerwürde verliehen. Zehn Jahre später folgte Oberst Konrad Gerber (1789-1869), der während der Revolution 1848/49 im Mai 1849 als Kommandant der Karlsruher Bürgerwehr großherzogstreu erfolgreich das Zeughaus und das Rathaus gegen die revolutionären Kräfte verteidigt hatte. Bereits während seiner Amtszeit als Direktor des Polytechnikums (1848-1857) wurde der Forstwissenschaftler Johann Ludwig Joseph Klauprecht (1798-1883) 1851 Ehrenbürger. Ihm folgte 1853 Karl August Franz Stösser (1792-1874), der Karlsruhe als Stadtdirektor (1839-1853) und als Mitglied der Zweiten Kammer des badischen Landtags gedient hatte. Karl August Graf von Werder (1808-1887), Befehlshaber des neu gebildeten XIV. Armeekorps, dessen Generalkommando seinen Sitz in Karlsruhe hatte, erhielt für seinen Sieg in der Schlacht an der Lisaine im Deutsch-Französischen Krieg 1871 die Ehrenbürgerwürde.

Seit 1893: Vorrang für Politiker

Ende des 19. Jahrhunderts begann die vermehrte Verleihung des Ehrenbürgerrechts an Politiker. Den Anfang machten 1893 August Lamey (1816-1896), badischer Innenminister (1860-1866) und 1876 bis 1892 Präsident der Zweiten Kammer des badischen Landtags, und 1895 Otto von Bismarck (1815-1898), der anlässlich seines 80. Geburtstags Ehrenbürger wurde. 1901 folgte Staatsminister Wilhelm Nokk (1832-1903). Erster von zwei zu Ehrenbürgern erhobenen Malern war 1900 Wilhelm Klose (1830-1914), der sich auch als Stadtverordneter und Mäzen für seine Heimatstadt engagiert hatte. Nach einem Jahrzehnt ohne Verleihung erhielt der Kaufmann und Stadtrat August Dürr (1835-1919) 1911 die Ehrenbürgerwürde.

Im Ersten Weltkrieg bekamen vier Personen die höchste Auszeichnung der Stadt, zunächst in einer Doppelverleihung 1915 Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (1847-1934) und postum Erich Köhler (1873-1914). Während Köhler für seine Funktion als Kommandant der am 4. November 1914 in der Karibik gesunkenen SMS Karlsruhe geehrt wurde, erhielt Hindenburg die Auszeichnung nicht, weil er von 1900 bis 1903 als Kommandeur der 28. Division des XIV. Armeekorps in Karlsruhe gelebt hatte, sondern explizit für "seine bewunderungswürdigen kriegerischen Leistungen um das deutsche Volk und Vaterland" im Ersten Weltkrieg. 2018 wurde Hindenburg die Ehrenbürgerschaft wegen seiner Rolle als Wegbereiter der NS-Diktatur in der Endphase der Weimarer Republik durch den Karlsruher Gemeinderat symbolisch aberkannt. Es folgten 1916 der Brauereidirektor und Stadtverordnete Karl Schrempp (1846-1919) und 1917 Friedrich Wolff (1833-1920), Gründer der Parfümerie- und Toilettenseifenfabrik Wolff & Sohn. Erster und einziger in der Weimarer Republik ernannter Ehrenbürger war 1919 Hans Thoma (1839-1924), Maler und 1899-1920 Direktor der Kunsthalle Karlsruhe. In der NS-Zeit erhielten fünf Nationalsozialisten (Adolf Hitler, Walter Köhler, Robert Wagner, Hans Frank, Hermann Göring) die Auszeichnung, die ihnen am 25. April 1946 wieder aberkannt wurde.

1965: Die erste Ehrenbürgerin

Die beiden vormaligen badischen Staatspräsidenten Heinrich Köhler (Zentrum/CDU, 1878-1949) und Adam Remmele (SPD, 1877-1951) waren 1947 bzw. 1948 die ersten Ehrenbürger der Nachkriegszeit. 1963 folgte Albert Kessler (DVP/FDP, 1883-1967), ehemaliger Stadtrat und Direktor des Lessing-Gymnasiums, mit dem jeweils ein Repräsentant der drei dominierenden Parteien der jungen Bundesrepublik in der Ehrenbürgerliste vertreten war. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 250. Stadtgeburtstag kam es 1965 zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde an ein Quintett, bestehend aus Bundespräsident Heinrich Lübke (1894-1972), Julius Bender (1893-1966), ehemaliger Bischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, Siegfried Kühn (CDU, 1895-1972), langjähriger Stadtrat und u. a. ehemaliger Präsident der Landesversicherungsanstalt Baden sowie Hermann Veit (SPD, 1897-1973), 1945/46 OB von Karlsruhe und 1946-1960 Wirtschaftsminister des Landes. Vervollständigt hat das Quintett die erste Frau, der die Ehrenbürgerwürde verliehen wurde.

Die Sozialdemokratin Kunigunde Fischer (1882-1967) erhielt 1965 als erste Frau die Auszeichnung als Ehrenbürgerin, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 12/57a

Kunigunde Fischer (SPD, 1882-1967) gehörte 1919 zu den ersten Parlamentarierinnen in Baden und setzte sich auch als Stadträtin vor 1933 und nach 1945 neben ihrem sozialen Engagement für die Gleichberechtigung von Frauen ein. Erster ausländischer Ehrenbürger wurde 1966 der damalige Bürgermeister von Nancy Pierre Wéber (1911-2004) in Anerkennung seiner Verdienste um die Städtepartnerschaft zwischen Karlsruhe und Nancy.

Die zeitgleiche Verleihung des Ehrenbürgerrechts an zwei Stadträte, den Verleger Wilhelm Baur (CDU, 1895-1973) und den Fabrikdirektor Gustav Heller (SPD, 1900-1977) 1969, lässt erkennen, dass die Wahrung der Parteibalance bei der Auswahl von zu ehrenden Politikern seinerzeit eine gewisse Rolle spielte; beide waren aber in der Endphase der Weimarer Republik aktive Gegner der Nationalsozialisten in der Badenwacht und der Eisernen Front. Dies galt weniger für Günther Klotz (SPD, 1911-1972), der nach 18-jähriger Amtszeit als OB im Mai 1970 das Rathaus verlassen hatte und einige Tage später parteiübergreifend zum Ehrenbürger ernannt wurde. Dagegen kam es 1981 zur Auszeichnung für den ehemaligen Karlsruher Wirtschaftsbürgermeister und baden-württembergischen Landtagspräsidenten Franz Gurk (CDU, 1898-1984) wohl nur deshalb, weil mit dem ehemaligen Stadtrat, Landtags- und Bundestagsabgeordneten sowie Bundesfinanzminister Alex Möller (SPD, 1903-1985) auch ein verdienter Karlsruher Sozialdemokrat geehrt wurde.

Seit der Auszeichnung von Günther Klotz wurde die Verleihung an ausscheidende Oberbürgermeister die Regel, sodass 1986 Otto Dullenkopf (CDU, 1920-2007), 1998 Gerhard Seiler (CDU, *1930) und 2012 Heinz Fenrich (CDU, *1945) zu Ehrenbürgern ernannt wurden. Am 2. März 1993 kam es zu einer weiteren Doppelverleihung, diesmal an zwei Frauen, die langjährigen Stadträtinnen und Landtagsabgeordneten Toni Menzinger (CDU, 1905-2007) und Hanne Landgraf (SPD, 1914-2005). Als zweiter Ausländer folgte 1995 André Rossinot (*1939), damals OB von Nancy.

Erster Ehrenbürger im 21. Jahrhundert wurde 2006 Dieter Ludwig (1939-2020), der sich als langjähriger Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Verdienste um den Nahverkehr in und um Karlsruhe erworben hat. Zu den aktuell vier lebenden Karlsruher Ehrenbürgern gehört seit 2010 Gerlinde Hämmerle (SPD, *1940), die ehemalige Stadträtin, Bundestagsabgeordnete und Regierungspräsidentin.

Dr. René Gilbert, Historiker, Karlsruhe

 

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