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Blick in die Geschichte Nr. 137

vom 23. Dezember 2022

Die Stadt wächst

Eingemeindungen nach Karlsruhe

von Ernst Otto Bräunche und Manfred Koch

In den 1970er-Jahren wuchs die Stadt durch die Eingemeindung von sechs Nachbarorten, darunter das kurz zuvor aus Grünwettersbach und Palmbach entstandene Wettersbach, um 5.064 ha und rund 31.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Es waren die letzten, aber natürlich nicht die ersten Eingemeindungen nach Karlsruhe. 

Die Entwicklung der Stadtgenmarkung seit der Stadtgründung

Eingemeindungen 1886 bis 1938

Als der Karlsruher Bürgerausschuss am 1. Mai 1885 über die erste Eingemeindung, die der Nachbarstadt Mühlburg beriet, waren die Argumente dieselben, die im Grunde auch bei allen folgenden Eingemeindungen immer wieder angeführt wurden. Die Stadt wies zunächst auf die im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl sehr kleine Gemarkung hin. In den ersten 160 Jahren seit der Stadtgründung war diese flächenmäßig durch Gemarkungserweiterungen, darunter 1812 die Vereinigung mit dem gerade selbstständig gewordenen Dorf Klein-Karlsruhe, vor allem auf Kosten des herrschaftlichen Grundbesitzes von 158 Hektar auf 790 Hektar um das Fünffache angewachsen. Dagegen war die Bevölkerung seit 1719 auf mehr als das 25fache angestiegen. Darüberhinaus würden Bewohner im stadtnahen Umland fast alle Vorteile der Stadt wie den Besuch städtischer Schulen, die Benutzung städtischer Straßen und Plätze sowie die Inanspruchnahme der Einrichtungen für „Feuerschutz, öffentliche Sicherheit, Gesundheit und Reinlichkeit“ genießen. Zudem sah man vor allem die Gefahr, dass die Industrie aus der zu engen Stadtgemarkung herausdränge. Abhilfe brachte nun die von Mühlburg letztlich dann selbst initiierte Eingemeindung in die immer näher rückende Residenzstadt. Dies war nach der der Städteordnung von 1874 möglich durch die Auflösung einer Gemeinde per Landesgesetz, das nach der Zustimmung der beteiligten Gemeinden auch problemlos erlassen wurde. Die Karlsruher Gemarkung wuchs damit am 1. Januar 1886 um 212 Hektar, die Einwohnerzahl stieg um 4.106 auf 61.078.

Doch die Stadt entwickelte sich wie die meisten anderen Städte des Deutschen Reiches in einem geradezu rasanten Tempo weiter. 1901 überschritt sie die 100.000-Einwohnermarke und wurde damit 34. deutsche Großstadt. Zu Beginn des Jahres 1907 ließen dann gleich drei Eingemeindungen – Beiertheim, Rüppurr, Rintheim – die Gemarkung um 1.129 Hektar zunehmen, die Einwohnerzahl stieg um 6.764. Vor allem das nicht zuletzt durch etliche Geländeverkäufe an Karlsruhe reiche Dorf Beiertheim ließ sich die Zustimmung zur Eingemeindung gut honorieren.  

Damit war die Gemarkungserweiterung vor dem Ersten Weltkrieg aber noch nicht abgeschlossen. Nach nur kurzen Verhandlungen stand der Vertrag mit Grünwinkel. Zu diesem Zeitpunkt liefen auch die Verhandlungen mit Daxlanden bereits seit mehreren Wochen. Auf einem Teil der Daxlander Gemarkung war schon der 1901/02 eröffnete Karlsruher Rheinhafen angelegt, so dass eine Eingemeindung nahelag. Die Karlsruher Gemarkung wuchs zum 1. Januar 1910 noch einmal um über 1. 000 Hektaruf 4.431 Hektar an, d. h. sie hatte sich nahezu verdreißigfacht, wozu die Eingemeindungen zu fast 60 % beigetragen hatten. 

Nach dem Ersten Weltkrieg lenkte der Karlsruher Generalbebauungsplan von 1926 den Blick wieder auf Eingemeindungen. In der Weimarer Republik kam aber nur Bulach zum 1. Januar 1929 nach Karlsruhe.  Vor allem der zugesagte Anschluss an die städtische Gasversorgung dürfte eine wesentliche Rolle dafür gespielt haben, dass der Vertrag schließlich zustande kam. 

Im Zusammenhang mit der Eingemeindung von Bulach wurde auch die Eingemeindung von Knielingen diskutiert, das auch schon mal vor dem Ersten Weltkrieg im Gespräch gewesen war. Ein Eingemeindungsvertrag war 1930 sogar schon ausgearbeitet, da die Knielinger Arbeiterbevölkerung zur Eingemeindung bereit war. Die Knielinger Bauern sträubten sich allerdings, so dass Karlsruhe sogar erwog, die Eingemeindung per Gesetz durchzusetzen. Bis Anfang 1933 wurden zwar die bereits bestehenden Denkschriften zur Eingemeindung Knielingens nur aktualisiert, ernsthafte Schritte unterblieben aber angesichts der seit 1929/30 nach wie vor bestehenden wirtschaftlichen Krise. Erst nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam wieder Bewegung in die Angelegenheit. Die Argumente für eine Eingemeindung waren auch noch dieselben wie 1928: der Bau einer festen Rheinbrücke erfordere, dass diese rechtsrheinisch auf Karlsruher Gemarkung liege. Außerdem sei die Knielinger Gemarkung notwendig, um den erforderlichen Platz für neuen Wohnraum zu bekommen. Zudem lag die Stadt Karlsruhe mit der Eingemeindung Knieleingens tatsächlich am Rhein, ganz im Sinne des Gauleiters und Reichstatthalters Robert Wagner, der Karlsruhe am Rhein zur Residenz des südwestlichen Kulturgaues als eines von drei Bollwerken an der Grenze zu Frankreich - Saarbrücken, Karlsruhe und Freiburg - ausbauen wollten. Trotz des Knielinger Widerstands wurde der Eingemeindungstermin auf den 1. April 1935 festgelegt.

Der Bürgermeisterwagen beim Fastnachtsumzug in Durlach 1937

Im Falle von Durlach begannen die ersten Verhandlungen über eine Eingemeindung bereits im Jahr 1931, als der Durlacher Evangelische Volksdienst beantragte, mit der Stadt Karlsruhe Verhandlungen über eine Eingemeindung aufzunehmen. Die wirtschaftliche Notsituation der Arbeiterstadt hatte letztlich zu diesem Antrag geführt. Karlsruhe reagierte deshalb auch sehr zurückhaltend. 1935 ging die Initiative dann aber eindeutig von Karlsruhe und der badischen Gauleitung aus, als ein erster Vorstoß in Berlin mit dem Hinweis abgelehnt wurde, dass man keine neuen großen Städte bilden wolle. 1937 unternahm der Karlsruher Oberbürgermeister dennoch einen zweiten Anlauf. Auch diesmal stand Gauleiter Robert Wagner hinter diesem Unternehmen. Diese Unterstützung war ausschlaggebend, dass die Eingemeindung schließlich trotz des energischen Durlacher Widerstands vollzogen wurde. Wagner betonte in einer öffentlichen Versammlung in Durlach, dass Karlsruhe als Hauptstadt Südwestdeutschlands außerordentliche Aufgaben zu lösen habe, und es deshalb nicht gleichgültig sei, ob die Stadt 150.000 oder 190.000 Einwohnern habe. Die Zwangseingemeindung Durlachs wurde auf Anordnung Wagners am 1. April 1938 vollzogen. Mit Durlach wurde auch Hagsfeld eingemeindet. 

Unterzeichnung der Eingemeindungsverträge der Stadt Durlach und der Gemeinde Hagsfeld in die Stadt Karlsruhe am 1. April 1938 durch Oberbürgermeisters Adolf Friedrich Jäger im Bürgersaal, 1. April 1938

Eingemeindungen nach 1945 

In den Nachkriegsjahren waren weitere Eingemeindungen zunächst kein Thema. Die Stadt musste im Gegenteil Ausgemeindungsbestrebungen von Durlach und Knielingen abwehren. Als aber mit dem Wirtschaftswunder nach Gründung der Bundesrepublik Stadt und Umland in nahezu allen planerischen Bereichen der Raumordnung enger zusammenarbeiten mussten, zog Oberbürgermeister Günther Klotz daraus den Schluss, dass die Gemarkung durch freiwillige Eingemeindungen erweitert werden müsste. Im Februar 1962 waren Grötzingen, Forchheim, Neureut und Wolfartsweier im Gespräch. Nach der einhelligen Ablehnung in diesen Gemeinden, im Kreistag und im Landratsamt wurde aufgrund der planerischer Notwendigkeiten über die jeweiligen Gemeindegrenzen hinaus im November 1964 zumindest ein Vertrag über eine gemeinsame Raumordnungsplanung verabschiedet.

Im Zuge der Beratungen über Gebiets- und Verwaltungsreformen leitete das Land Baden-Württemberg am 26. September 1967 mit dem Gesetz zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden in Baden-Württemberg dann eine Gemeindereform ein. Neben diesen Interessen des Landes gab es natürlich auch spezifisch Karlsruher Interessen.  Oberbürgermeister Otto Dullenkopf brachte dies bei der Anhörung des baden-württembergischen Innenministeriums zur Verwaltungsneugliederung am 3. Juni 1971 in Leopoldshafen auf den Punkt: "Karlsruhe braucht einfach Raum, und zwar zuallererst für Wohnungen. Sonst verödet die Stadt zu einer Zentralfunktionsapparatur für das Umland, das sein eigenes Wachstum bestaunt und die Ursachen dafür vergißt". 

Vorstellung der Entwürfe zum Motto für den Karlsruher Fastnachtsumzug 1972, 22. Januar 1972

Im Juli 1973 beschloss die Landesregierung nach Anhörung aller Beteiligten die Zahl von 8.000 Einwohner als Mindestgröße selbständiger örtlicher Verwaltungseinheiten. Für eine Eingemeindung kamen nach wie vor für Karlsruhe im Norden Neureut und Blankenloch, im Süden Forchheim und im Osten Grötzingen und Wolfartsweier sowie die Bergdörfer Stupferich, Palmbach, Grünwettersbach und Hohenwettersbach in Frage. Blankenloch und Forchheim waren bald nach den Verhandlungen im Verwaltungsreformausschuss des Landtages 1973 nicht mehr im Rennen. Das „größte Dorf Baden- Württembergs“ Neureut mit knapp 14.000 Einwohnern sollte allerdings entgegen dem Beschluss des Landtagsausschusses nach dem Willen der Landesregierung weiterhin trotz einer nahezu einhelligen Ablehnung im Ort selbst nach Karlsruhe eingemeindet werden.

Demonstration in Neureut gegen die Eingemeindung, 13. März 1973

Zu diesem Zeitpunkt war der Zusammenschluss mit Stupferich, Hohenwettersbach und Wolfartsweier bereits weitgehend problemlos vollzogen. In Wolfartsweier hatte es zwar eine Bürgerbefragung gegeben, die einer deutlichen Mehrheit gegen die Eingemeindung ergeben hatte, verhindern konnte sie diese aber nicht, da sich der dortige Gemeinderat letztlich für die Eingemeindung aussprach. Als im September 1972 klar wurde, dass das baden-württembergische Innenministerium eine „Regelung des Stadt-Umland-Problems in Karlsruhe“ anstrebe, bei der davon auszugehen war, das Wolfartsweier auf jeden Fall eingemeindet werde, signalisierte Karlsruhe, dass man selbst keine Initiative mehr ergreife, aber bereit sei, am ausgehandelten Vertragsentwurf ohne Abstriche festzuhalten. 

Auch in Grötzingen und Wettersbach, das 1972 aus dem Zusammenschluss von Grünwettersbach und Palmbach entstanden war, setzten sich nach längerem Ringen jene Kräfte durch, die einen freiwilligen Zusammenschluss vor Ablauf der Frist am 1. Januar 1975 herbeiführen wollten. Einzig Neureut zog mit einer Klage gegen das Schlussgesetz zur Gemeindereform vom 19. Juli 1974 vor den Staatsgerichtshof. Dieser entschied am 14. Februar 1975 allerdings endgültig gegen die Gemeinde Neureut. 

Auswechslung des Grötzinger Ortsschildes, 6. Februar 1974

Mit der Eingemeindung dieser sechs, wenn man Grünwettersbach und Palmbach getrennt zählt, sieben ehemals selbständigen Gemeinden hatte Karlsruhe seine aktuellen Gemarkungsgröße von 17.346 Hektar erreicht, wozu die Eingemeindungen mit etwa 73 % beigetragen haben. Die Karlsruher Gemarkung hatte sich damit seit der Stadtgründung um mehr knapp das 110-fache vergrößert, die Bevölkerung war von rund 2.000 im Jahr 1720 auf 281.745 angestiegen. Die mit den Gemeinden ausgehandelten Eingemeindungsverträge mit z. T. erheblichen Investitionszusagen belegen das starke Interesse der Stadt Karlsruhe an diesen Eingemeindungen. Die neuen Stadtteile bekamen mit der Ortschaftsverfassung einen Ortsvorsteher bzw. eine Ortsvorsteherin und durch die übergangsweise eingeführte unechte Teilortswahl einen Sitz im Karlsruher Gemeinderat. Obwohl es nicht gelungen war, wie beabsichtigt auch Forchheim und Blankenloch einzugemeinden, gehören diese Eingemeindungen zu den großen Erfolgen Otto Dullenkopfs, der mit Geduld, Kompromissbereitschaft und Hartnäckigkeit die von seinem Vorgänger Günther Klotz begonnenen Verhandlungen geführt und erfolgreich abgeschlossen hatte.

Dr. Ernst Otto Bräunche und Dr. Manfred Koch, Redaktion/Herausgeber des "Blick in die Geschichte"

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