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Blick in die Geschichte Nr. 137

vom 23. Dezember 2022

Beginn einer badischen SPD-Frauenorganisation

Die erste SPD-Frauenkonferenz in Baden am 23. Juni 1912

von Susanne Asche

Für die Sozialdemokratie spielte bis Beginn des 20. Jahrhunderts die Frage der Geschlechterverhältnisse nur eine nachrangige Rolle, obwohl sie lange Zeit die einzige politische Partei blieb, die explizit das aktive und passive Wahlrecht für Frauen forderte. Die Partei ging davon aus, dass erst mit der Überwindung der Klassenverhältnisse und des Kapitalismus auch die Frauen gleichberechtigte und befreite Menschen würden. Hinzu kam, dass es eine mehrheitlich eher ablehnende Haltung der männlichen Genossen gegenüber den Forderungen nach Gleichberechtigung gab – trotz Parteiprogramm und trotz August Bebels 1879 erstmals erschienenem Werk „Die Frau und der Sozialismus“. 

Es bedurfte zahlreicher Diskussionen und Parteitage, bis die SPD einer Frauenorganisation in ihren Reihen zustimmte. Zunächst entwickelte die Partei das System der weiblichen Vertrauenspersonen, denen eine Zentralvertrauensperson mit Sitz in Berlin vorstand. Ab 1900 fand alle zwei Jahre parallel zum Gesamtparteitag eine eigene Frauenkonferenz statt, die vierte 1906 in Mannheim. 
 

Arbeiterinnen der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik in Karlsruhe anlässlich eines Besuchs des Großherzogs Friedrich I. im Mai 1895

Es gab Auseinandersetzungen über die richtige Strategie. In der SPD standen die „Revisionisten“ den Forderungen der „radikalen Frauenrechtlerinnen“ nahe. Sie meinten, dass die Emanzipation der Frauen durch Reformen erreichbar sei und dass daher die SPD-Frauen mit der bürgerlichen Frauenbewegung kooperieren sollten. Das aber war eine Gefahr für die Existenz einer proletarischen Frauenbewegung, für die sich Clara Zetkin sehr deutlich positionierte und einsetzte. 

Die Entwicklung in Baden

Auch im Großherzogtum Baden kam es zu Annäherungen zwischen den SPDlerinnen und den bürgerlichen Radikalen, zumal in Baden die Sozialdemokratie insgesamt eindeutig den Reformkurs von Eduard Bernstein wählte und sich damit gegen den revolutionären Ansatz des Parteivorstandes absetzte. Die badischen Sozialdemokratinnen versuchten Frauen zu gewinnen, indem sie Vortragsabende organisierten. Man sprach über politische Fragen, aber auch über Kindererziehung, veranstaltete Familienabende mit musikalischen Beiträgen und Vorträgen, gründete in den großen Städten Kinderschutzkommissionen und wandte sich gezielt an Ehefrauen von Sozialdemokraten, so dass die badische SPD-Frauenbewegung ab 1908 wuchs. 

Am 23. Juni 1912 fand dann die erste badischen SPD-Frauenkonferenz in Karlsruhe statt, über die der Volksfreund, die Karlsruher SPD-Zeitung, ausführlich berichtete. Es trafen sich 26 Frauen als Delegierte aus allen Teilen Badens ab 11 Uhr im Gasthaus Auerhahn in der Schützenstraße. Vom Berliner Parteivorstand war Luise Zietz anwesend, die gerade eine Agitationstour in Baden unternahm. Es kamen je fünf Frauen aus Mannheim und Karlsruhe, jeweils vier aus Pforzheim und Hockenheim, drei aus Durlach und jeweils eine aus Freiburg, Offenburg, Lörrach und Schopfheim. Vom badischen Landesvorstand war „Genosse (Georg) Strobel“, der spätere Landtagsabgeordnete und Landesparteivorsitzende (1920-1924) aus Mannheim anwesend, der die Sitzung leitete und für die Tagesordnung zwei Punkte vorschlug: „1. Wie bilden wir die Frauen für die politische Tätigkeit. 2. Diskussion.“

Diese Tagesordnung fand allgemeine Zustimmung, als Beisitzerinnen wurden Therese Blase aus Mannheim und Kunigunde Fischer aus Karlsruhe gewählt. Letztere begrüßte im Namen der Karlsruher Genossinnen und hoffte auf beste Erfolge für die Frauenbewegung durch die Konferenz. 

Nun folgte ein eineinhalbstündiges Referat von Luise Zietz, die ausführte, dass die politische Betätigung für Frauen notwendig sei, da der Kapitalismus sie in den Produktionsprozess gezogen habe: „Ein Stein um den anderen ist aus dem Haus gerissen worden, daß die Frau umschloß.“ Daher müsse die Frau Interesse am Staatsleben haben, an dem Koalitionsrecht der Arbeiterinnen, an der Schutz-, Zoll-, Steuer-, Heeres- und Marinepolitik, an der Entwicklung des Schulwesens und der Fabrikinspektion. Zu gewinnen seien die Frauen durch Versammlungs- und Hausagitation, die praktische Schulung der gewonnenen „Genossinnen“ geschehe durch alle Arbeiten der Gesamtpartei. Die theoretische Schulung erfolge vor allem durch Parteiversammlungen, lediglich ergänzt durch Diskussions- und Leseabende. Damit formulierte Luise Zietz das Ziel, die Frauen in die Gesamtpartei zu integrieren. Möglich sei auch die Mitarbeit in der Gemeinde und in Kinderschutzkommissionen. Bei der anschließenden Diskussion ging es vor allem um die Frage, wie mehr Frauen für die aktive SPD-Parteiarbeit gewonnen werden könnten. Dabei kam zur Sprache, dass die Männer hin und wieder zu Hause bleiben sollten, damit ihre Frauen an Versammlungen teilnehmen können. Damit griffen die Delegierten ein Thema auf, das auch vielfach im Volksfreund benannt wurde: die spezifische Ausbeutung, die die Arbeiterfrau in der Familie erlebte, da sie häufig hinter den Bedürfnissen ihres Mannes und der Kinder zurückstecken müsse.

Eine Frau im Landesvorstand 

Zur Verstärkung der Werbung um die Frauen wurde die Bildung einer Agitationskommission beschlossen. In ihr sollten die weiblichen Vorstandsmitglieder der Wahlkreise und eine Vertretung des Landesvorstandes zusammenkommen. Zudem einigte man sich auf die Einführung von Zusammenkünften der aktiven Genossinnen der einzelnen Kreise, um Erfahrungen auszutauschen. Dies waren Beschlüsse, die ganz klar auf eine verstärkte eigenständige Organisationsarbeit hinwiesen. Zudem diskutierten die Delegierten über einen Antrag an den badischen Parteitag, dass künftig eine Frau im Landesvorstand vertreten sein solle. Therese Blase votierte dagegen und schlug vor, dass man lediglich beantragen solle, dass zukünftig eine Frau zum Landesvorstand hinzugezogen werden solle, wenn es um wichtige Fragen für Frauen ginge. Der anwesende „Genosse Dietrich“, vermutlich der spätere zeitweilige Redakteur der Karlsruher USPD-Zeitung Sozialistische Republik Georg Philipp Dietrich, allerdings ermutigte die Frauen, den Antrag auf Mitwirkung einer Frau im Landesvorstand zu stellen. Georg Strobel erklärte sich bereit, auf seinen Vorstandsposten zu verzichten, damit eine Frau aufgenommen werden könne, ohne dass die Zahl der Vorstandsmitglieder erhöht werden müsse. Daraufhin wurde beschlossen, den Antrag auf dem Parteitag zu stellen, der dann später auch einstimmig angenommen wurde. Von 1912 bis 1933 war Therese Blase die erste und einzige Frau im Landesvorstand der SPD.

Weiter wurde über den Antrag der Mannheimerin Linda Kehl diskutiert, dass in der sozialistischen Presse – wie in der bürgerlichen - wöchentlich einmal im Feuilleton Fragen der Frauenbewegung aufgegriffen werden sollten. Luise Zietz begrüßte die Aufnahme von Frauenthemen, war aber gegen die Einführung einer Rubrik, da die Frauen dann nur diese und nicht die anderen Seiten lesen würden. Der Redakteur des Volksfreunds Hermann Winter wies darauf hin, dass solche Artikel schon erschienen seien, lehnte aber eine Rubrik auch ab. Der Antrag wurde daraufhin zurückgezogen. 

Ebenso zurückgezogen wurde nach einer Diskussion der Antrag der Mannheimer Delegierten Mössinger, eine Sekretärinnenstelle für Baden zu schaffen, da sowohl Luise Zietz als auch Georg Strobel dafür noch zu wenige SPD- Frauen sahen.

Gegen 17:30 Uhr schloss Strobel die erste badische Frauenkonferenz. Auch über die anschließende öffentliche Frauenversammlung im „Auerhahn“ berichtete der Volksfreund ausführlich. Auf dieser Versammlung, die nicht besonders gut besucht war, referierte Luise Zietz über „Die Frau im wirtschaftlichen und politischen Kampf“ und nannte den Eintritt der Frauen in die SPD eine unbedingte Notwendigkeit. 

Kunigunde Fischer um 1920

Erste Erfolge 

Die bürgerliche Presse berichtete bis auf die liberale Badische Presse, die immerhin eine kurze Notiz brachte, nicht über diese Versammlung, die für den Beginn eines konsequenten Aufbaus einer eigenen badischen SPD-Frauenorganisation steht. Die Karlsruher erste Frauenkonferenz war dabei eingebunden in die verstärkten Bemühungen der badischen SPD, Frauen als Mitglieder zu gewinnen. Auf dem Offenburger Parteitag am 24./25 August 1912 konnte der Parteivorsitzende Anton Geiß von ersten Erfolgen berichten. Die Zahl der weiblichen Mitglieder hatte sich in Baden innerhalb eines Jahres mehr als vervierfacht und war von 455 auf 1.989 gestiegen. Dazu beigetragen hatten 130 Frauenversammlungen in diesem Zeitraum und sicher auch die Karlsruher Frauenkonferenz. Die neue Frauenorganisation griff in den kommenden Jahren vor allem Fragen des weiblichen Lebens auf. Sie blieb damit zwar einer eher traditionellen Frauenrolle innerhalb der Partei verbunden, eröffnete aber dennoch eigene Handlungsspielräume und Wirkmöglichkeiten.

Dr. Susanne Asche, Leiterin des Kulturamtes der Stadt Karlsruhe i. R.

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