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Blick in die Geschichte Nr. 138

vom 17. März 2023

Die Karlsruher World Games

Sport, Spaß und Spiel trifft Kunst, Kultur und Konzerte

von Eric Wychlacz

 

Ein Sportereignis der Superlative hielt die Fächerstadt 1989 elf Tage lang in Atem: Vom 20. bis 30. Juli fanden in Karlsruhe die 3. Weltspiele der nicht-olympischen Sportarten, die World Games, statt. Von Tauziehen und Kunstradfahren über Netball oder das Boule-Spiel Pétanque bis hin zu Wasserski traten 1.615 Sportlerinnen und -sportler in 21 Wettkampfdisziplinen gegeneinander an. Nachdem die Erstauflage der World Games im Jahr 1981 in der kalifornischen Stadt Santa Clara in den USA von eher bescheidenem finanziellem Erfolg gekrönt war und die Fortsetzung 1985 in London ebenfalls hinter den Erwartungen zurückblieb, stand Karlsruhe unter großem Erfolgsdruck. Doch bereits zur Halbzeit der sportlichen Auseinandersetzungen legten die Verantwortlichen mit 140.000 Besuchern eine beeindruckende Zwischenbilanz ab. Am Ende sollte diese Zahl auf mehr als 200.000 Personen anwachsen.
 

Sportbürgermeister Norbert Vöhringer überreicht Oberbürgermeister Prof. Gerhard Seiler eine Metalltafel mit dem Logo der World Games und Unterschriften des Organisationskomitees, 30. Juli 1989

Karlsruhe hatte sich bei der Bewerbung um die Ausrichtung der Wettkämpfe gegen zahlreiche andere deutsche Kommunen durchsetzen können. Zum Bewerberfeld gehörten Essen, Frankfurt am Main, Hannover und Sindelfingen. Zwar befand sich zunächst Frankfurt in der engeren Auswahl der International World Games Association (IWGA), der Trägerorganisation der Spiele. Doch dann disqualifizierte sich die Stadt selbst, als sie zugleich mit einer Olympiakandidatur liebäugelte und die Entscheidung des Dachverbandes hinauszuzögern suchte. Die IWGA beschloss im Dezember 1985 die Spiele nach Karlsruhe zu vergeben und besiegelte ihre Entscheidung mit dem Vertragsschluss am 24. Februar 1986. Ausschlaggebend für den Entschluss zur Ausrichtung der Wettkämpfe in Karlsruhe war vor allem die günstige Infrastruktur: Im Gegensatz zu London, wo die Arenen über weite Distanzen auf das gesamte Stadtgebiet der Metropole verteilt waren, konnte die ehemalige Residenzstadt mit kurzen Wegstrecken zwischen den acht Sportstätten punkten.
 

Luftaufnahme des Geländes bei der Europahalle mit den Spielstätten und Infrastruktur, 20. Juli 1989

Ein Großteil der Wettkämpfe fand in der 1983 errichteten Europahalle und den daran angrenzenden Außenanlagen des Sportparks statt. Das umliegende Areal beherbergte als Herzstück der Großveranstaltung außerdem das Hauptquartier der World Games, ein Kommunikations- sowie ein Pressezentrum und nicht zuletzt mehrere gastronomische Angebote zur Versorgung der Gäste und Sportler. Daneben dienten der Brahms-Saal der Stadthalle Kraftdreikämpfern und Bodybuilderinnen als Austragungsort, während die Wettkämpfe im Rollhockey und Korfball in der Schwarzwaldhalle ausgefochten wurden. Sportliche Begegnungen im Wassersport gab es einerseits im Fächerbad in den Disziplinen Flossen- und Rettungsschwimmen, andererseits lockten die Wettkämpfe im Wasserski an drei Tagen 15.000 begeisterte Besucher in den Landeshafen bei Wörth am Rhein. Die Anlage für die Feldbogenschützinnen und -schützen befand sich auf dem Gelände der Sportschule Schöneck auf dem Turmberg. In einem amerikanischen Bowlingcenter Ecke der Erzberger- und New-York-Straße versuchten Teams verschiedener Nationalitäten möglichst viele Pins abzuräumen.

Bei der Turnsportart „Tumbling“ werden auf einer elastischen Bahn Überschläge und Salti miteinander kombiniert
Das Tauziehen kann weltweilt auf eine jahrhundertealte Geschichte zurückblicken und gehörte zwischen 1900 und 1920 zu den olympischen Sportarten.
An den Wettkämpfen im Bodybuilding nahmen Sportler aus 25 Ländern teil.

Mit diesem Mix an unterschiedlichen Räumlichkeiten erfüllte Karlsruhe die Grundvoraussetzung, einer großen Anzahl an nichtolympischen Sportarten einen geeigneten Ausführungsort zu bieten. Denn im Gegensatz zu den Olympischen Spielen sahen die Statuten der IWGA vor, dass für die Veranstaltung keine neuen Wettkampfarenen errichtet werden sollten. Ergänzend zu den Wettkämpfen gab es Demonstrationen in den beiden Disziplinen Aikido und Bahnengolf, welche noch nicht alle Aufnahmebedingungen für die World Games erfüllt hatten. Außerdem waren Vorführungen in 25 weiteren, damals nur national organisierten Sportarten, unter aktiver Einbindung der Besucherinnen und Besucher vorgesehen - darunter beispielsweise Armbrustschießen, Radpolo oder das in Karlsruhe erfundene Ringtennis. Die insgesamt 376 Medaillen gewannen aber nur Sportlerinnen und Sportler der 21 zugelassenen Hauptdisziplinen. Überreicht wurden 121 Gold-, 117 Silber- und 138 Bronzemedaillen, wobei die deutschen Athleten im Medaillenspiegel an zweiter Stelle hinter der italienischen Konkurrenz lagen, zahlenmäßig jedoch die meisten Erfolge erzielen konnten.

Der zweite Erfolgsgarant war ein umfangreiches sportliches und kulturelles Rahmenprogramm, das die Stadt auf den Weg brachte. Es bot den Gästen ein zweitägiges Festival, zehn auf sieben Karlsruher Bühnen aufgeführte Theaterstücke, zahlreiche Musik- und Tanzveranstaltungen, Fotowettbewerbe, wissenschaftliche Symposien, eine Spielstraße, Familientage und etliche Ausstellungen. Das Landesgewerbeamt,  heute Regierungspräsidium Karlsruhe , zeigte gleich sechs Ausstellungen zum Thema Sport: Präsentiert wurden Karikaturen, Plakate, Malereien, Briefmarken, Fotografien und nicht zuletzt eine Dokumentation zur Geschichte der nicht-olympischen Sportarten. Die Vielfalt der sportlichen und kulturellen Angebote symbolisierte der von dem Maler und Grafiker Hans Borchert geschaffene "Karlsruher Kulturfächer" - einem Plakat, welches das Begleitprogramm enthielt. Es zeigt vor dunklem Hintergrund die 21 auf den World Games vertretenen Wettkampfsportarten verwoben in einer Weltkugel. Diese ist oberhalb des Karlsruher Schlosses und der fächerförmig davon ausgehenden Straßen platziert.

"World Games - Karlsruher Kulturfächer Ausstellungen, Sport und Kunst, Aufführungen, Theater" - Veranstaltungshinweise, 1989 (Borchert, Braun-Verlag)

Die Abwicklung einer Massenveranstaltung dieser Größenordnung benötigte eine leistungsfähige und effiziente Organisation. Hierfür rief die Stadt eigens einen Verein ins Leben. Bürgermeister Norbert Vöhringer trug als Präsident des Vorstandes die Verantwortung für die Arbeit des Organisationskomitees. Das insgesamt 20 hauptamtliche Mitarbeiter umfassende Komitee war in drei Ressorts mit zugeordneten Fachbereichen untergliedert. Ein daraus gebildeter Führungs- und Koordinationsstab traf täglich rund 1.000 Einzelentscheidungen. Verstärkt wurden die Organisatoren durch ein Team aus mehr als 2.000 ehrenamtlichen Helfern. Unter anderem legte eine von 210 Fahrern gesteuerte Fahrzeugflotte beim Transport der Athleten, Funktionäre und Organisatoren rund 120.000 km zurück.

Abschlussveranstaltung der World Games in der Europahalle. Das slowakische Ensemble Lucnica führt osteuropäische Tanzfolklore auf.

Trotz des immensen Engagements von Freiwilligen musste die Stadt eine nicht geringe finanzielle Summe zur Ausrichtung der Spiele beisteuern. Denn vertraglich hatte sich Karlsruhe bereiterklärt, die Kosten für Transporte, die Bereitstellung von Sanitäts-, Sicherheits- und Ordnungskräften, die Überlassung von Örtlichkeiten für die Wettkämpfe, Presse, Kulturveranstaltungen und Büros, Ausrichtung von Empfängen sowie die Bildung des Organisationskomitees zu übernehmen. Das bei Vertragsschluss auf zwischen 500.000 und 700.000 DM veranschlagte Budget wurde zwar weit überschritten, allerdings konnten die Mehrausgaben durch den Erlös aus Eintrittsgeldern in Höhe von rund 600.000 DM zum Teil ausgeglichenen werden. Mit einem Absatz von 55.000 Tages- und 7.500 Dauerkarten sowie 10.000 Karten für Sonderveranstaltungen hatten die Organisatoren nicht gerechnet, weshalb sogar Eintrittskarten nachgedruckt werden mussten. Finanzielle Zuschüsse erhielt die Stadt vom Land Baden-Württemberg (500.000 DM) und nach langwierigen Verhandlungen in deutlich geringerem Umfang auch vom Bund (150.000 DM). Zur Gesamtfinanzierung, die auch die Unterbringung und Verpflegung der rund 4.000 Sportler samt Betreuungspersonal und Funktionären beinhaltete, schoss die IWGA 1.040.000 DM bei.

Auf der Haben-Seite standen außerdem ein enormer Imagegewinn und eine durchgehend positive Resonanz für Karlsruhe als Ausrichterin sportlicher Großveranstaltungen. Profitierten konnte von dem Ereignis auch der Wirtschaftsstandort: Die Beherbergungseinrichtungen verzeichneten 15.000 Übernachtungen. Im Rückblick resümierte Juan Antonio Samaranch, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die Sportveranstaltung sei der Wendepunkt in der Geschichte der World Games. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb dazu, die Spiele "haben alle Erwartungen übertroffen". Dennoch blieben sie weiterhin ein regionales Ereignis, da viele Politiker und Sportfunktionäre kaum Notiz von den Weltspielen genommen hätten. Selbst Wolfgang Schäuble, damals Bundesinnenminister, habe der Veranstaltung keinen Besuch abgestattet. Der Begeisterung aufseiten der Stadt und der Teilnehmenden konnte dies jedoch keinen Abbruch tun. Die Schlussveranstaltung schauten sich 6.000 Teilnehmende an. Und mit Albert von Monaco, der nicht nur Mitglied des IOC, sondern als Bobfahrer auch selbst Teilnehmer bei den Olympischen Winterspielen war, fand sogar ein sportbegeisterter Prinz den Weg in die Fächerstadt.

Eric Wychlacz M. A., Historiker, Stadtarchiv Karlsruhe

IWGA

Die International World Games Association (IWGA) wurde im Jahr 1980 als Ausrichterin der World Games im südkoreanischen Seoul gegründet. Ziel der Organisation ist die Erhöhung des Bekanntheitsgrades von nicht im offiziellen Kanon der Olympischen Spiele vertretenen Sportarten. Derzeit gehören der Vereinigung 39 Sportfachverbände an. Die World Games finden alle vier Jahre jeweils ein Jahr nach den Olympischen Sommerspielen statt und stehen unter der Schirmherrschaft des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Im Selbstverständnis betrachtet die IWGA die World Games nicht als Konkurrenz zu Olympia, sondern vielmehr als Ergänzung zur olympischen Idee, quasi als "zweiten Weg".

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