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Blick in die Geschichte Nr. 140

vom 15. September 2023

Der Badische Frauenverein (1859-1937)

Ein Weg der Badenerinnen in die Gleichberechtigung

von Susanne Asche

Die "Frauenfrage" war im Deutschen Kaiserreich ein wichtiges Thema. Unter diesem Titel wurden Forderungen erhoben, den Frauen Wege in die Bildung, Wissenschaft und Berufstätigkeit, aus der rechtlichen und sozialen Abhängigkeit vom Vater oder Ehemann und aus der politischen Unmündigkeit zu führen. Es ging um die Gleichberechtigung der Geschlechter. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich im Deutschen Kaiserreich wie auch in anderen europäischen Staaten eine Frauenbewegung, die in Deutschland schließlich mitgliedsstärker als die Arbeiterbewegung war. Doch war diese Bewegung politisch nicht einheitlich. Es gab die bürgerliche, die radikaldemokratische und die sozialdemokratische Frauenbewegung - und es gab die konservativen Frauenvereine.


Die Gründung

Zu diesen zählte der Badische Frauenverein (BFV). Er wurde anlässlich des österreichisch-italienischen Krieges 1859 von einigen Karlsruher Damen gegründet, um im Fall einer badischen Beteiligung am Kriegsgeschehen weiblich unterstützend wirken zu können. Der Krieg erreichte Baden nicht, doch die Großherzogin wirkte tatkräftig darauf hin, dass der Verein zu einer landesweiten Frauenorganisation ausgebaut wurde, die von Anfang an die Unterstützung der örtlichen Ämter und Oberämter sowie der evangelischen und katholischen Geistlichen erhielt. Ziele des Vereins waren die Unterstützung der Armenfürsorge und Kindererziehung, die Schaffung neuer Berufe für unverheiratete unversorgte Frauen und der Aufbau einer Krankenpflege.
 

Aufnahmeurkunde für den Zweigverein von Knielingen, 1906

Bald schon hatte der BFV Zweigvereine und war nach einigen Jahrzehnten landesweit, wenn auch regional unterschiedlich ausgeprägt, vertreten. In katholischen Landesteilen stieß der Verein manchmal auf Misstrauen seitens der Geistlichkeit, ging er doch von der mehrheitlich protestantischen Residenzstadt und der preußischen Prinzessin Luise aus. Die Statistik der Frauenorganisationen im Deutschen Reich von 1908, nannte 385 Zweigvereine mit insgesamt 75.305 Mitgliedern und einem Gesamtvermögen von 1.748.889 Mark. Hinzu kamen zahlreiche Gebäude. Allein in Karlsruhe hatte der Verein 1915 über 20 Adressen von Krankenhäusern, Schulen, Kinderkrippen und Säuglingsfürsorgestellen sowie einer Bibliothek, Koch- und Nähschulen und dem Mutterhaus für Krankenschwestern.

 

Traditionelles Frauenbild

Der BFV schloss sich als konservativer, sogenannter vaterländischer Verein nicht dem Bund Deutscher Frauenvereine, der zentralen Organisation der deutschen Frauenbewegung, an, unterstützte nicht die Bemühungen um das Frauenstudium und lehnte die politische Gleichberechtigung der Frauen ab.

Der BFV und seine Protektorin Großherzogin Luise vertraten das traditionelle Frauenbild und ein Geschlechterverhältnis, das den Frauen Tätigkeiten und Bewegungsräume zuwies, die dem angeblich weiblichen Wesen entsprächen. Viele Einrichtungen des Vereins hatten das Ziel, Frauen Erwerbsmöglichkeiten zu eröffnen: neue Berufsfelder wurden entwickelt und neue Ausbildungs- und Bildungsinstitutionen betrieben. Berufe wie Haushaltslehrerin,  Handarbeitslehrerin, Erzieherin,  Kochlehrerin, Kontoristin usw. ermöglichten den Frauen, auch jenseits der Ehe versorgt zu sein bzw. für sich selbst zu sorgen. Der Verein entwickelte damit eine große sozial- und innenpolitische Wirksamkeit und schuf im Großherzogtum Baden ein günstiges Klima für den Weg der Frauen in die Gleichberechtigung. Ein weiteres großes Arbeitsfeld war die Armenfürsorge, die sich vor allem an die ärmeren Schwestern richtete. Die Bemühungen des BFV zielten nicht auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder materiellen Lebensverhältnisse. Vielmehr mühten sich die Damen, erziehend und belehrend Frauen und Mädchen der Arbeiterschicht zu guten Hausfrauen werden zu lassen. Es wurden Arbeitsschulen gegründet zum Erlernen von Flicken, Nähen, Kochen und Bügeln. Auch unterstützte der Verein die Inspektion der Arbeiterwohnungen, um sich fürsorglich beratend an die Hausfrauen zu wenden. Zudem kümmerten er sich um die Senkung der damaligen Kindersterblichkeit, die Stärkung der Säuglingsfürsorge und die Tuberkulosebekämpfung.

Bewohner des Hauses Kronenstraße 9 um 1900

Verbunden war dies mit dem Ziel, die Gefahren einer sozialen Revolution, die mit der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften zu dämmen. In der Annahme, ein gut gekochtes Abendessen und eine behaglich eingerichtete Wohnung hielten den Mann davon ab, ins Wirtshaus zu gehen, lag die Hoffnung, befriedend in die Gesellschaft wirken zu können. Während die Frauen der SPD darum warben, dass die Ehemänner mal zuhause bleiben sollten, damit die Frauen ins Wirtshaus zu den Parteiversammlungen gehen konnten, setzten die Frauen des BVF alles daran, genau dies zu verhindern. Dieser Ansatz, flankierend zum repressiven Umgang des Staates mit der Arbeiterbewegung, vor allem über die Frauen erzieherisch auf die unteren Schichten einzuwirken, wurde zu einem prägenden Moment der Sozial- und damit Innenpolitik des BFV und seiner Protektorin Großherzogin Luise in den nun folgenden Jahrzehnten. Sozialdisziplinierend richtete man sich explizit an die jungen, vom Lande in die Stadt ziehenden Frauen, die in den Fabriken auf Arbeit hofften. Gegen die Verlockungen des Tanzsaales unterhielten die Damen Wohnheime und richteten abendliche Zusammenkünfte aus, die neben aller erzieherischen Maßnahmen auch Schutzräume boten.

 

Die Krankenschwestern und das Rote Kreuz

Ein weiteres sehr großes und wichtiges Tätigkeitsfeld des BFV war die Etablierung einer weiblichen Krankenpflege. Von Anbeginn an war die Ausbildung von hauptberuflichen Krankenschwestern, die uniformiert waren und in Schwesternheimen lebten, ein zentrales Anliegen. Der Beruf der Krankenschwester wurde etabliert und zu einer Stütze der Krankenpflege in Friedens- wie in Kriegszeiten. Großherzogin Luise wurde nun zu einer Pionierin bei der Organisation des Deutschen Roten Kreuzes. So schloss sich Baden sogleich der 1864 beschlossenen Genfer Konvention an und konnte zu Beginn des Preußisch-Österreichischen Krieges 1866 - Baden stand auf Seiten Österreichs - erstmals ausgebildete Krankenpflegerinnen in die Kriegslazarette schicken. Der BFV wurde Mitglied des 1871 gegründeten Verbandes Deutscher Frauenvereine vom Roten Kreuz.

Rotkreuzschwestern im Kriegslazarett Karlsruhe 1870/71

Im Jahr 1906 meinte Lida Gustava Heymann, Vertreterin der so genannten radikalen Frauenbewegung, dass im Großherzogtum Baden, der "Krieg der Geschlechter" auf friedlichere Art und Weise geführt werde als im Norden Deutschlands. Damit verwies sie auf Erfolge der Badnerinnen, die in den anderen Ländern des Kaiserreiches, hier vor allem in Preußen, lange nicht erreicht wurden. Dass diese früher den Zugang zur Kommunalpolitik, die Einbeziehung in die Armenfürsorge und die Eröffnung neuer Berufsfelder erlebten, lag zu einem großen Teil an dem Badischen Frauenverein. Auch wirkte die Tatsache, dass in dem BFV im Unterschied zu anderen vaterländischen Vereinen Frauen führende Funktionen wahrnahmen, emanzipierend. Zwar lag die Geschäftsführung in den Händen eines Mannes - Frauen waren rechtlich nicht voll umfänglich geschäftsfähig -, aber den einzelnen Abteilungen des Vereins standen Präsidentinnen vor, die im Zentralkomitee vertreten waren. In der Armenfürsorge, in dem Betreiben von Ausbildungseinrichtungen, in der Organisation von Krankenpflege, leisteten Frauen für die Sozial- und Innenpolitik wichtige Beiträge.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs übernahm die öffentliche Hand zahlreiche Institutionen des Vereins, der in der Zeit der Weimarer Republik an Bedeutung verlor. Er blieb aber der größte badische Frauenverband mit einer Demokratisierung seiner Strukturen und erhielt 1929 eine Präsidentin. Für die Nationalsozialisten war diese große Frauenorganisation beunruhigend und verlockend zu gleich. Zum einen war man auf die Einrichtungen des Roten Kreuzes vor allem mit Blick auf den geplanten Krieg angewiesen, zum anderen konnte eine so große eigenständige Einrichtung wie der badische Frauenverein von einer Politik der Gleichschaltung der Bevölkerung nicht geduldet werden. Schrittweise erfolgte die Übernahme seiner Tätigkeiten, bis der BFV schließlich am 9. Dezember 1937 aufgelöst wurde. Damit endete die Geschichte einer Organisation, die nicht nur für die Frauen, sondern für die gesamte Gesellschaft Badens wertvolle Beiträge für die Sozial- und Bildungspolitik und für den Weg in die gesellschaftliche Gleichberechtigung der Geschlechter geleistet hatte.

Dr. Susanne Asche, Historikerin, Leiterin des Kulturamtes der Stadt Karlsruhe i. R.

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